Pläne zur WM 2022 in Katar:O, du Fröhliche!

Fußball-WM Katar 2022

So soll es aussehen, 2022 in Katar: Eine Computeranimation des geplanten Al-Bayt-Stadions.

(Foto: AP)
  • Die WM in Katar soll nun im November und Dezember 2022 stattfinden.
  • Der Protest der Europäer fällt moderat aus, zu sehr hängen alle mit allen zusammen. Am schärfsten reagieren noch die Engländer.

Von Christof Kneer und Thomas Kistner

Der Boxing Day ist ein britisches Kulturgut. Er ist benannt nach den Geschenkschachteln, den boxes, die britische Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern als Festtagsgaben erhalten. Zu den Ritualen dieses Tages gehört, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch noch gemeinsame Geschenke erhalten, und zwar in Form nicht immer hochklassiger, aber immer rassiger Fußballspiele.

Die englische Premier League ist die einzige Liga, in der am zweiten Weihnachtsfeiertag gespielt wird, nach der Bescherung gibt's dann Leicester City. Für Nicht-Engländer ist das schwer zu verstehen, aber sie haben keine Chance gegen diesen Brauch, nicht einmal berühmte Nicht-Engländer wie Louis van Gaal, der Trainer von Manchester United, der sich gerade erst über diesen familienfeindlichen Dienstplan beklagt hat.

Van Gaal wird akzeptieren müssen, dass es noch wichtigere Menschen im Fußball gibt als ihn, denn was ihm nicht gelingt, wird nun wohl dem Weltverband Fifa gelingen: Im Jahr 2022 dürfte in England nach Weihnachten kein Fußball gespielt werden. Nach dem Willen der Fifa werden die Ligen in dieser Zeit aus einem einleuchtenden Grund ruhen: weil sich die dazugehörigen Fußballprofis im Urlaub befinden.

Das ist die logische Konsequenz jenes Planes, den eine Fifa-Taskforce am Dienstag öffentlich gemacht hat: Nach dem Willen dieser Arbeitsgruppe soll die umstrittene WM in Katar nun im November/Dezember 2022 steigen - konkret wohl vom 26. November (Eröffnungsspiel) bis zum 23. Dezember (Finale), wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf eine Fifa-nahe Quelle präzisierte. Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke bestätigte lediglich die November/Dezember-Eckdaten - und deutete an, die WM könnte "mit verkürztem Spielplan" ausgetragen werden; sie könnte vier Wochen dauern, nicht fünf.

"Die Kosten können nicht durch die Klubs bezahlt werden", sagt Karl-Heinz Rummenigge

Es sagt alles über dieses ursprünglich für den Sommer ausgeschriebene Turnier, dass der neue Winter-Termin zwar noch nicht offiziell ist, dass er vielen Entscheidungsträgern auch nicht passt - dass es aber wohl trotzdem bei diesem Termin bleiben wird.

Zwar haben die großen Ligen und Verbände am Dienstag erste Protestnoten gegen dieses Weihnachtsturnier versandt, sie haben darauf hingewiesen, dass eine Winter-WM einen massiven Eingriff in ihre Liga-Spielpläne bedeuten würde, aber unter den Protestlern rechnet kaum jemand damit, dass die Fifa-Exekutive in ihrer Sitzung am 19./20. März zu einem anderen Ergebnis kommen wird. Zu sehr hängen alle mit allen zusammen, als dass eine Liga oder ein Verband es sich leisten wollte, der Fifa allein den Kampf anzusagen.

So verwundert es kaum, dass auch der europäische Verband Uefa recht moderat reagiert, obwohl er es nachweislich auf den Präsidentenstuhl von Fifa-Boss Sepp Blatter abgesehen hat. Portugals einstiger Weltfußballer Luís Figo reist ja ebenso auf dem Uefa-Ticket als Blatter-Herausforderer durch die Welt wie der niederländische Verbandschef Michael van Praag und der jordanische Prinz Ali, dennoch lässt sich die Uefa in der Causa Katar nur zu vergleichsweise sanfter Kritik hinreißen.

"Keine perfekte Lösung" sei der November-Dezember-Termin, teilte die Uefa am Dienstag auf SZ-Anfrage mit, aber es müsse nun darum gehen, "einen Kompromiss mit dem Rest der Welt zu finden". Auf technische Nachfragen lässt sich die Fifa erst gar nicht ein. Ab wann die europäischen Ligen ihre Kalender umstellen müssten, und wie das konkret gehen könnte? Es gebe noch "genügend Zeit zur Vorbereitung", heißt es dazu bei der Fifa, "wir haben noch sieben Jahre Zeit, einen Plan aufzustellen". Die Uefa würde gern schärfer klingen, aber sie hat ein Problem: Ihr Präsident Michel Platini hat für das Turnier in Katar gestimmt.

Auch über Menschenrechte ist zu reden

Am schärfsten klangen am Dienstag die Engländer, die Katar bei der WM-Kür auf umstrittene Weise unterlegen waren. Richard Scudamore, Chef der Premier League, nannte die Termin-Entscheidung "enttäuschend" und ergänzte, man sei "von der Uefa im Stich gelassen worden".

Auch der deutsche Ligapräsident Reinhard Rauball fand den Mut für klare Worte: Zwar sei es "nicht unwahrscheinlich, dass es bei dem Terminbeschluss bleiben wird", sagte Rauball der SZ, "aber wir werden nicht vergessen einzufordern, dass über die großen Themen weiter geredet werden muss. Stichwort: Menschenrechte, Arbeitsbedingungen. Dafür erwarten wir Lösungen. Wir werden weiter nach Lösungen für diese Probleme fragen, deshalb ist für mich noch nicht klar, ob die WM in Katar stattfinden kann."

Deutlich defensiver intonierte der DFB seine Kritik. Zwar falle es "schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ein WM-Finale kurz vor Weihnachten stattfinden soll", erklärte Präsident Wolfgang Niersbach, aber fest stehe, "dass aufgrund der großen Hitze im Sommer nicht gespielt werden kann". Nun seien "die Terminplaner gefragt, bestmögliche Lösungen zu finden, was sicher nicht einfach, aber auch nicht unmöglich ist".

Wer zwischen den Zeilen las, merkte aber schnell, dass hinter den Kulissen längst ein anderes Thema dominiert: Geld. Die großen europäischen Ligen sind entschlossen, sich von der Fifa für die schräge WM entschädigen zu lassen. Bleibe es bei diesem Termin, so Rauball, stelle sich "die Frage, wie das organisatorisch hinzukriegen ist und wer für die finanziellen Ausfälle aufkommt". Müsste die Bundesliga wegen der WM etwa von Oktober bis Januar pausieren, könnte das erhebliche finanzielle Folgen haben. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dann keine Abschläge bei unseren Pay-TV-Verträgen in Kauf nehmen müssten", sagt Rauball, "es muss geklärt werden, wer dafür aufkommt."

Auch Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge wies umgehend darauf hin, dass es das Vereinsgeschäft massiv beeinflusse, wenn die Klubs zwei Monate ihre Spitzenspieler abstellen müssten. "Diese Kosten können nicht durch die Klubs bezahlt werden", so Rummenigge. Die von Rummenigge angeführte European Club Association ECA könnte nun darauf drängen, dass zumindest jene Bonuszahlungen höher ausfallen, die die Fifa an die Vereine ausschüttet, die ihre Spieler zur WM abstellen.

Nationaltrainer haben sich bisher noch keine geäußert, aber für den deutschen Bundestrainer könnte ein WM-Titel 2022 interessante Folgen haben. Aus dem feierlichen Empfang könnte ein Weihnachtssingen am Brandenburger Tor werden.

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