Philipp Lahm:Uli Hoeneß sucht den nächsten Uli Hoeneß

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Lahm neben Uli Hoeneß bei einem Sponsorentermin. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Und das schon seit sieben Jahren: Dem FC Bayern fehlt nach der Absage von Philipp Lahm eine zukünftige Führungsfigur.

Kommentar von Claudio Catuogno

Der letzte echte Gigant, der beim FC Bayern endgültig vom Spielfeld schritt, war Oliver Kahn. Das war 2008. Dass es kein Abschied für immer sein würde, war allen klar. Selbstverständlich würde Kahn, der bekanntlich als Kind in einen Topf mit Bayern-DNA gefallen war, bald schon eine tragende Rolle in seinem Lebensklub spielen. Und tatsächlich wäre Kahn drei Jahre später beinahe Sportdirektor geworden - auf Schalke. Doch selbst dort hat er dann nicht unterschrieben. Das Angebot komme "ein halbes Jahr zu früh", fand er. Ein halbes Jahr später kam kein Angebot mehr.

Heute ist Oliver Kahn TV-Experte, man kann ihn für Vorträge buchen, er hat eine Stiftung und macht Werbung für Sportwetten, Schokoriegel, Elektronik sowie eine Firma, die den Leuten weniger Werbung verspricht. Eine lustige Mischung. In jedem Fall scheint man sogar als Oliver Kahn auch jenseits des FC Bayern glücklich werden zu können, das darf man einem Bonmot entnehmen, das der ehemalige Torwart sich selbst zuschreibt: "Wer nicht fähig ist, im Erreichten Zufriedenheit zu verspüren, lebt in einer permanenten Gegenwartsvermiesung." Da lebt Kahn lieber in seiner Vergangenheitsmonetarisierung. Die Überschrift seiner Website: "Oliver Kahn - Titan."

Rummenigge schien den Vorstands-Posten anfangs zu befürworten

Vielleicht hat Philipp Lahm auch an Kahn gedacht, als er Ende vergangener Woche den Bossen des FC Bayern mitteilte, dass er ihnen nach seinem vorgezogenen Karriereende im Sommer erst mal nicht als Sportdirektor zur Verfügung steht. Gewiss, die Form, in der Lahm die Nachricht unters Volk brachte - unabgesprochen und alle überrumpelnd -, mag einer der seltenen Fehlpässe seiner Karriere gewesen sein. Und ganz sicher steckt hinter der Absage auch ein Machtkampf auf mehreren Ebenen. Als Sport vorstand mit weit gefassten Kompetenzen hätte Lahm den Job kaum zurückgewiesen, Karl-Heinz Rummenigge schien das anfangs zu befürworten - wohingegen in Uli Hoeneß' Führungskräftehandbuch (Autor: U. Hoeneß) der Leitsatz steht, dass einer auch im Konzernleben "erst mal was leisten muss", ehe man ihm gleich den ganzen Konzern anvertraut.

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Der Trainer handelte sich ebenfalls eine Absage ein. Bei der Frage, wer statt Lahm Sportdirektor beim FC Bayern wird, zeigt sich Gladbachs Manager Eberl genervt.

Aber jenseits des formalen Klein-Kleins steht eben die Oliver-Kahn-Frage im Raum: Wie rettet man seinen Titanen-Marktwert, der zunächst auf Leistungen in kurzen Hosen gründet, hinüber ins Anzugs-und-Krawatten-Leben? Indem man erst mal ein Praktikum macht, Managerluft schnuppert - und dann darauf hofft, dass der Patriarch am anderen Ende des Flurs das Vorrücken in die nächsthöhere Leitungsebene befürwortet? Oder doch eher, indem man dort einsteigt, wo man in den letzten Jahren immer war, wenn auch auf dem Platz: oben?

Karl-Heinz Rummenigge hat den Fußballer Lahm mal als "Giganten" bezeichnet, was nicht phänotypisch gemeint war. Es ging um seine Eignung als zukünftige Führungsfigur des FC Bayern. Eine solche sucht der FC Bayern ja zunehmend verzweifelt, im Grunde befindet sich der Klub jetzt im siebten Jahr im UHSDNUH-Modus. Uli Hoeneß sucht den nächsten Uli Hoeneß. Christian Nerlinger, der erste Versuch, näherte sich Hoeneß rasch phänotypisch an, in Sachen Arbeitsethos war allerdings Luft nach oben. Matthias Sammer, der zweite Versuch, hat kein Training verpasst und spürte ständig den Stimmungen im Team nach, strategisch weitergebracht hat er den Klub nur in Maßen. Lahm hätte das gerne versucht. Aber halt zu seinen Bedingungen. Jetzt wird er Privatier. Werbung, Stiftungen, TV? Vielleicht. Gegenwartsvermiesung muss keiner befürchten. Vielleicht wird der FC Bayern noch an den Punkt kommen, Philipp Lahm mehr zu vermissen als Philipp Lahm den FC Bayern.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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