Philipp Lahm:Zum ersten Mal mit Megafon

Selbst nach dem WM-Titel stieg Philipp Lahm nicht auf einen Zaun, um mit den Fans zu feiern - in Wolfsburg schon. Er will die letzten Minuten seiner Karriere genießen.

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Das größte Feierbiest der Welt wird aus Philipp Lahm nicht mehr werden, doch er stieg tatsächlich auf den Zaun. Als der VfL Wolfsburg mit 6:0 filetiert und die 27. Deutsche Meisterschaft eingetütet war, erklomm Lahm die Abgrenzung vor der Bayern-Kurve. Etwas ungelenk zwar, schüchtern zunächst, doch er tat, was er tun musste: Brachte das Megafon zum Laufen und stimmte für Situationen wie diese geeignetes Liedgut an. Ja wirklich, welch ungewohntes Bild.

Unangenehm war ihm das ganze Humba-Tätärä schon. Lahm konnte sich nicht einmal daran erinnern, je ein Megafon in der Hand gehabt zu haben, ließ er später wissen. Selbst nach dem WM-Sieg 2014 hatte er sich solche Szenen gespart. Doch nun war alles egal. "Wenn die ganze Kurve anstimmt, dass man hingehen soll, dann muss man das auch machen", analysierte Lahm pflichtbewusst, wie er nun mal ist.

Die fünfte Meisterschaft des FC Bayern in Serie ist Lahms achte für den Klub. Das sind stolze Zahlen, vor allem ist es aber seine letzte. Noch drei Spiele in der Bundesliga, dann wird er seine Karriere beenden; vielleicht noch ein Abschiedsspiel, dann ist wirklich Schluss. Als achtmaliger Deutscher Meister, nicht schlecht, damit steht er auf einer Stufe mit Mehmet Scholl, Oliver Kahn und Bastian Schweinsteiger. Das Optimum ist dieser eine Titel zum Abschluss aber sicher nicht.

Madrid und Dortmund, das wurmte ihn sehr

Lahm ließ durchblicken, wie das Aus in der Champions League und im DFB-Pokal die eigene Planung durcheinander gebracht haben. Noch vor zwei, drei Wochen schien es möglich zu sein, dass Lahm die eigene Karriere mit drei Titeln beenden könnte. Dann die Spiele gegen Madrid und Dortmund - plötzlich blieb von drei Titelchancen nur noch eine. Das wurmte Lahm, einerseits, natürlich. Andererseits wollte er sich das eigene Karriereende auch nicht schlecht reden lassen.

Jede Flanke, jeden Torabschluss werde er im Training genießen, erklärte er fast ein bisschen trotzig. "Ich will meine Karriere schön beenden", sagte Lahm. Dazu gehört nun auch die Meisterfeier, die an diesem Samstag doch etwas unerwartet - begünstig durch die Leipziger Punktverluste gegen Ingolstadt - über die Münchner hereinbrach. Eilig wurden die Meister-T-Shirts übergestreift, eine Kiste Bier in die Kabine geschleppt und die Musik aufgedreht. "Wir hatten viele englische Wochen, in denen wir nix zu feiern hatten", sagte Lahm und lachte. Er war "gerührt", wie viele Spieler nach dem Schlusspfiff in Wolfsburg auf ihn zukamen, ihn beglückwünschten, zur Meisterschaft, aber auch zur Karriere insgesamt. So ziemlich jeder würde es begrüßen, wenn Lahm noch eine Saison dranhängen würde.

Insbesondere Carlo Ancelotti. Drunten in den Katakomben der Wolfsburger Arena begegnete Lahm noch seinem Trainer. Der hatte in den vergangenen Wochen mehrfach versucht, Lahm vom Karriereende abzubringen, war aber immer wieder abgeblitzt. "Don't stop, don't stop", rief ihm der Italiener nun noch einmal nach. Ein letzter, verzweifelter Versuch. Philipp Lahm lächelte nur.

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