Philip Heintz bei der Schwimm-EM:Lachen, schwimmen, lachen

Philip Heintz bei der Schwimm-EM: Zweiter? Nein! Doch! Ohhhh! Schwimmer Philip Heintz nach dem 200-Meter-Lagen-Finale.

Zweiter? Nein! Doch! Ohhhh! Schwimmer Philip Heintz nach dem 200-Meter-Lagen-Finale.

(Foto: AP)

Wenn er könnte, würde er auch im Wasser grinsen: Philip Heintz gehört zu einer seltenen Spezies im Schwimmsport, Leistungsdruck und Versagensängste liegen seinem Auftreten fern. Lohn der guten Laune ist eine Silbermedaille.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Philip Heintz wirkt entspannt, beinahe zu entspannt. Der Hallensprecher ruft seinen Namen auf, Heintz spaziert hinter der Trennwand hervor, ein breites Lächeln im Gesicht, das im Jubel der heimischen Fans noch ein bisschen größer wird. Gleich wird er hier bei der Schwimm-Europameisterschaft in Berlin zu seinem ersten EM-Silber überhaupt schwimmen, auftauchen und wieder grinsen, pausenlos. Wenn es mit seinem Sport irgendwie vereinbar wäre, würde Heintz wohl auch im Becken lächeln.

Das 200-Meter-Lagen-Finale in Berlin bot mehrere bemerkenswerte Aspekte, die Lockerheit des 23-Jährigen war einer davon. Heintz gehört damit zu einer seltenen Spezies im Schwimmsport, nicht nur im Vergleich zu seinen deutschen Kollegen. Anspannung und Versagensängste sind seinem Auftreten fern, ihm scheint das Schwimmen mehr Freude als Sorgen zu bereiten. "Ich wollte hier im Finale einfach ein gutes Rennen absolvieren", sagte er später, "von mir aus hätten wir hier alle acht gleichzeitig ankommen können."

Es kam ein wenig anders. Heintz schlug als Zweiter an der Beckenwand an, und das war ebenfalls bemerkenswert. Nur sieben Hundertstel Rückstand hatte er auf Goldgewinner László Cseh, den mehrfachen Olympiasieger und Europameister aus Ungarn. "Es hat unheimlich viel Spaß gemacht", sagte Heintz. Im Finale benötigte er 1:58,17 Minuten, das war exakt die gleiche Zeit wie im Halbfinale, als er persönliche Bestzeit geschwommen war. Eigentlich hatten der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) Markus Deibler als Medaillenkandidaten für die Lagenstrecke eingeplant. Doch dann kam Heintz.

Nach der dritten Bahn im Finale hatte Deibler noch in Führung gelegen, Heintz schlug auf Rang vier an, allein das war schon überraschend. "Die ersten 150 Meter waren deutlich schneller als im Halbfinale", erklärte Heintz, "da habe ich mir schon gedacht: Na ja, vielleicht ist das ein bisschen zu schnell für mich". Doch Heintz hielt mit, ein Grüppchen von vier Schwimmern kämpfte nun um den Sieg.

"Ich hab mir gedacht: Komm, dafür trainierst du täglich, dich in solchen Situationen nach vorne zu bringen", erinnerte sich Heintz, "da habe ich mich in den letzten zehn Metern nur noch auf den Anschlag konzentriert." Und so holte der junge Deutsche noch zwei Ränge auf, während Deibler auf Rang vier zurückfiel.

Missmutig stieg Deibler aus dem Becken. Interviews gab der Hamburger keine, spät am Abend war auf seiner Facebook-Seite zu lesen: "Selten so enttäuscht gewesen." Deibler war hochgehandelt nach Berlin gereist, so schnell wie er war in diesem Jahr kein anderer Europäer über diese Distanz geschwommen. In Berlin war er kaum langsamer, sieben Hundertstel trennten ihn im Finale vom Drittplatzierten Roberto Pavoni aus Großbritannien.

Biedermann ärgert sich über Silber

So lagen die Befindlichkeiten der Deutschen Beckenschwimmer am Mittwochabend weit auseinander. Paul Biedermann befand sich auf der Launenskala zunächst näher beim missmutigen Deibler als bei Heintz. Das mit Spannung erwartete Freistil-Finale über 200 Meter hatte der Weltrekordhalter auf Rang zwei beendet, mit bravouröser Zeit nach seiner Auszeit im Vorjahr. Doch es hätte eben auch Gold sein können - Biedermann trennten lediglich zwei Hundertstel vom Titel des Europameisters. Den schnappte sich der Serbe Velimir Stjepanović.

Je mehr Abstand er vom Rennen bekomme, desto mehr würde er sich über Silber freuen, kündigte Biedermann an. Der Mann aus Halle an der Saale hat viele Titel gesammelt in seiner Karriere, seine Auftritte sind stets von hohen Erwartungen begleitet.

Philip Heintz ist von großen Hoffnungen bisher weitgehend verschont geblieben, das dürfte seine unbeschwerte Art erklären. In London 2012 war Heintz zwar auch dabei, doch er sollte vorrangig Wettkampferfahrung sammeln, nicht Medaillen gewinnen. Im vergangenen Dezember sicherte sich der Mann aus Heidelberg dann seinen ersten internationalen Erfolg: Er wurde überraschend Kurzbahn-Europameister, nun die nicht weniger überraschende Silbermedaille in Berlin.

Natürlich war es Heintz nicht verborgen gelieben, dass er um Haaresbreite Europameister auf der Langbahn geworden wäre. Das Wort "ärgerlich" sprach er aus, doch es stand nur kurz im Raum, am Ende legte sich die Freude über jegliches Hadern. "Im Endeffekt ist es wohl besser für mich, dass ich nicht Gold geholt habe", erklärte Heintz, "sonst nimmt man sich vielleicht ein bisschen zurück und hat nicht mehr den Ansporn wie mit einer Silbermedaille". Im kommenden Jahr findet ja noch eine Weltmeisterschaft statt.

Die erste Siegerehrung absolvierte Heintz wie ein Routinier. Auf dem Weg zum Siegerfoto schaut er dann aber doch etwas ungläubig auf die silberne Plakette, die da um seinen Hals baumelt. Er werde am Abend tot ins Bett fallen, kündigte Heintz noch an, das Rennen habe ihn ausgelaugt. "Morgen werde ich das dann richtig genießen", sagte er. Dann kehrte das Lächeln zurück, es verließ sein Gesicht an diesem Tag nicht mehr.

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