Pfiffe gegen Timo Werner:Unpassend und ziemlicher Blödsinn

Timo Werner

Ausgepiffen bei seiner Einwechslung: der Leipziger Timo Werner.

(Foto: dpa)

Die Beziehung zwischen den Deutschen und ihrer Nationalmannschaft hat gelitten - dazu passen die Pfiffe gegen Timo Werner.

Kommentar von Sebastian Fischer

Es begab sich einst, in einem Schland vor unserer Zeit, dass sich die Menschen schwarz-rot-goldene Fähnchen ans Auto hängten und auf Wangen malten. Sie konnten es gar nicht abwarten, jedes Spiel ihrer Lieblingsnationalmannschaft anzusehen, sie jubelten über damals noch vergleichsweise rumpeligen Fußball, sie nannten es das Sommermärchen 2006. Das war einmal.

Die vergangene Woche hat gezeigt, dass die Beziehung zwischen den Deutschen und ihrer Fußball-Nationalmannschaft längst nicht mehr ganz so rosig ist. Kaum jemand wollte das erwartbare Wie-viel-auch-immer-zu-Null gegen San Marino sehen, es blieben auf der Haupttribüne in Nürnberg so viele Plätze leer, dass der gesponserte Fanklub seine Mühe hatte, vor dem Anpfiff eine große Deutschlandfahne auszubreiten: Es war kaum jemand da, der sie hochhalten konnte.

Die gut 30 000 hatten dann trotzdem ihren Spaß, sie sangen sogar einmal "Oh, wie ist das schön", sie schwenkten ihre Fähnchen, sie tranken ihr Bier. Doch als man sich gerade vorstellen wollte, dass selbst ein Auftritt von Helene Fischer die Stimmungsmixtur aus Fernsehgarten und Eckkneipe nicht stören würde, begannen ein paar Besucher zu pfeifen. Soeben war Timo Werner eingewechselt worden.

Was ist Werners tatsächliches Vergehen?

Der Stürmer von RB Leipzig hat sich in der Hinrunde der vergangenen Bundesligasaison einmal fallen lassen, auf diese Weise einen Elfmeter geschunden und seine Sünde zu spät zugegeben. Den großen Andy Möller hat eine ähnliche Aktion auch seine ganze Karriere begleitet, das war ähnlich gemein, wie es nun im Fall Werner ist, der, seinen Anlagen nach zu urteilen, auch mal ein Großer werden kann.

Doch es geht bei den Pfiffen nicht um diese Schwalbe, dafür haben sich zu viele Fußballer schon mal unsportlich verhalten und sind trotzdem Lieblinge geblieben. Werner wird, wie er selbst erkannt hat, vor allem deshalb ausgepfiffen, weil er für RB Leipzig spielt - und RB Leipzig für viele Fans die Entfremdung des Fußballs symbolisiert.

"Frech" finde er die Ablehnung vereinzelter Fans ihm gegenüber, hat Timo Werner gesagt. Doch die Pfiffe sind das nicht, sie sind unpassend und Blödsinn. Wenn jene Unzufriedenen nicht bereit sind, den Langzeit-Gestraften doch zu begnadigen, dann sollten sie vielleicht überlegen, beim nächsten Mal aus Protest tatsächlich zu Hause zu bleiben.

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