Personalpolitik beim FC Bayern:Guardiolas kühle Pädagogik

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Pep Guardiola: vorübergehende Degradierung als funktionierende Pädagogik

(Foto: AFP)

Kroos enttäuscht draußen, Mandzukic überzeugend drin: FC-Bayern-Trainer Pep Guardiola kann es sich leisten, seine Spieler durch vorübergehende Degradierung zu reizen.

Von Christof Kneer

Es gab schon vor dem Spiel erste Hinweise, jemand wollte ihn im Innenraum gesehen haben. Es folgten erste Indizien, sein Name tauchte tatsächlich auf dem Spielberichtsbogen auf, aber bis zum endgültigen Beweis dauerte es noch über anderthalb Stunden. Dann lief er wortlos durch die Interviewzone und huschte zum Ausgang, und es gab keinen Zweifel mehr: Er war es. Toni Kroos war wirklich da.

Etwa zur selben Zeit saß Pep Guardiola ein paar Räume weiter in der Pressekonferenz, er erträgt diese Pflichtveranstaltungen tapfer, obwohl er ja immer Fragen von Menschen beantworten muss, die viel zu schnell Deutsch sprechen. Aber ein paar Fragen hätte Guardiola nach dem 2:0 (1:0) in Nürnberg wahrscheinlich sogar gerne beantwortet: jene nach der Mentalität seiner Spieler etwa, die es trotz geschäftsschädigenden Vorsprungs in der Tabelle nicht übers Herz bringen, es mal ein bisschen lässiger angehen zu lassen.

Auch gefreut hätte ihn bestimmt die Frage nach der Anpassungsfähigkeit seiner Elf, die mal schnell einen zweiten Spielstil aus dem Werkzeugkasten holt, wenn sie mit dem ersten nicht durchkommt - wie in Nürnberg, wo furchtlose Gastgeber die feinen Bayernfüße ebenso nervten wie der beeindruckend ramponierte Rasen. Das hätte man mal fragen können: wie schwer es ist, plötzlich auf einfachen, direkten Fußball umzuschalten, der umgehend das 1:0 hervorbringt (Pass Götze, Flanke Alaba, Tor Mandzukic).

Weitere mögliche Themen: Philipp Lahm (erstes Ligator seit Dezember 2010); oder: Manuel Neuer (mehrere gewaltige Paraden, die Bayern erst im Spiel hielten).

Stattdessen fragte ein Reporter: Herr Guardiola, warum saß Toni Kroos das zweite Mal hintereinander draußen? Guardiolas Antwort, etwas brummig: Er spreche nur über Spieler, die gespielt hätten.

Vielleicht ist das ein Trost für die Trainer der anderen 17 Erstligisten: Es ist nicht immer schön, Trainer des FC Bayern zu sein. Als Bayern-Trainer muss man sich daran gewöhnen, dass man selten nach der Suppe gefragt wird, aber immer nach dem Haar. Dabei hätte Guardiola die Kroos-Frage gar nicht unangenehm sein müssen, auch an ihr lässt sich ja erklären, warum seine Bayern so unverdrossen weiter siegen: Weil ihr Trainer sie unter Hochspannung hält.

Er kann es sich angesichts des bombastischen Kaders erlauben, im laufenden Spielbetrieb sein Moderations- und Disziplinierungsprogramm durchzuziehen. Er kann es sich erlauben, Weltklassespieler durch vorübergehende Degradierung zu reizen - das einzige Opfer, das er als Trainer bringen muss, besteht darin, dass er dafür halt einen anderen Weltklassespieler aufs Feld schicken muss.

Matthias Sammer durfte ein Matthias-Sammer-Gesicht aufsetzen

"Schon wieder vier Siege in vier Rückrundenspielen, bei uns ist halt die Spannung da, die wir brauchen", sagte Thomas Müller, den Guardiola nach einem Spiel auf der Bank wieder in die erste Elf hochstufte. Die Dosierung macht den Unterschied: Für Müller war das Spiel voriges Wochenende eine Verschnaufpause; für Kroos, der draußen war und jetzt draußen blieb, ist es ein Denkzettel. Guardiola hat den Spieler, der ihm kürzlich die Handschuhe vor die Füße feuerte, auf seine Verzichtbarkeit hingewiesen - mitten in den Debatten um einen möglichen (oder eben nicht möglichen) neuen Vertrag.

Das Spiel in Nürnberg war ein perfekter Anlass, um Peps Pädagogik zu studieren. Denn was Kroos noch vor sich hat, hat Mario Mandzukic ja bereits hinter sich. Auch ihn hat Guardiola produktiv gereizt, beim Rückrunden-Start in Gladbach hatte ihn der Trainer sogar aus dem Kader entfernt, und als flankierende Maßnahme durfte Matthias Sammer ein paar mahnende Matthias-Sammer-Sätze sagen und dazu ein Matthias-Sammer-Gesicht aufsetzen.

"Wenn man Schwierigkeiten hat, muss man eine Reaktion zeigen", durfte Sammer nun also nach dem Nürnberg-Spiel sagen, "und das hat Mario sehr gut gemacht."

Der leidenschaftliche Guardiola betreibt eine demonstrativ kühle Personalpolitik, er benutzt die Talente seiner Spielfiguren, um sie, je nach Bedarf, quer durch den Kader zu schieben. Mandzukic hat sich vom Trainer bereits zur Entfaltung all seiner Talente provozieren lassen, er war Bayerns Bester beim Club.

Nicht nur, dass er artistisch das 1:0 schoss (18.); nicht nur, dass er Lahm das 2:0 (49.) auflegte - er zeigte auch, dass er Bayerns Spiel eine Farbe beimischen kann, die dem Spiel gut tut. Die kleinen Füße hinter ihm können den Gegner besonders gut auseinanderspielen, wenn er vorne den Gegner beackert und beschäftigt - mit breiten Schultern und großen Füßen, die mit den kleinen Füßen aber auch gut kombinieren können.

Die spannende Frage ist nun, ob sich auch das unterkühlte, norddeutsche Temperament von Toni Kroos so schön kitzeln lässt. Am Mittwoch ist Pokal, die Bayern reisen in den hohen Norden nach Hamburg, und Franck Ribérys Platz in der Startelf wird weiter frei sein. Den Franzosen erwartet nach seiner Gesäß-OP am Montag die entscheidende Untersuchung, anschließend wird feststehen, ob er zum Arsenal-Spiel (19.2.) zurückkehrt oder länger ausfällt. Toni Kroos wird das genau verfolgen.

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