Personalie:Ein Wechsel aus Gold

Carsten Jancker geht, Marco Bode kommt.

Ludger Schulze

(SZ vom 12.6.02) - Schon nach wenigen Minuten beging Carsten Jancker seinen ersten Fehler, ein Fehlpass, wie er unter Spielern dieser Klasse nur selten vorkommt. Danach reihte sich Fehler an Fehler, und mit jeder Minute wurde unverständlicher, weshalb Teamchef Rudi Völler nibelungentreu an dem riesigen Stürmer festgehalten hatte, der nach seiner annehmbaren Leistung beim 8:0 gegen Saudi-Arabien eine feste Größe in des Teamchefs Überlegungen war. Gegen die Kameruner war der 1,93-Meter-Mann (93kg) fehl am Platze, gewann praktisch keinen Zweikampf, und als er einmal an seinem Gegenspieler vorbei war, stoppte er sich selbst, indem er auf den Ball trat. Danach spielte der blonde Riese so wie in der vergangenen Saison für den FC Bayern: so unzulänglich, dass ihn sein Vereinstrainer Ottmar Hitzfeld zuletzt gar nicht mehr auf dem Rasen sehen mochte.

Personalie: Kam für Jancker und ging als Held: Torschütze Marco Bode.

Kam für Jancker und ging als Held: Torschütze Marco Bode.

Bodes Prophezeiung

Doch Rudi Völler reagierte immer noch nicht, selbst als die deutsche Mannschaft nach Ramelows Platzverweis dezimiert war und in der Abwehr einen Mann weniger hatte. Auch ein heftiger verbaler Auftritt von Torhüter Kahn nahe der Trainerbank zeitigte keine Reaktion. Erst zur Pause erlöste der Teamchef die Fans auf den Tribünen des Stadions von Shizuoka - und beließ Jancker in der Kabine. Für ihn lief Marco Bode, 32, auf, und dies wurde einer dieser Fälle, bei denen dem Coach später ein so genanntes goldenes Händchen attestiert wird.

Und damit hatte sich für den Bremer, der sich nach dieser Saison vermutlich vom Fußball zurückziehen wird, eine Prophezeiung erfüllt, die er nach dem ersten Spiel gegen die Saudis gewagt hatte: "Ich bin sicher, dass meine Stunde bei dieser WM noch kommt." Sie ließ im zweiten Spiel gegen Irland noch auf sich warten, denn Bodes Einsatz gegen Ende der Partie war kaum der Rede wert. "Ich glaub', ich habe den Ball gar nicht berührt", erzählte er dem Kollegen Bierhoff danach.

Mit der Erfahrung hunderter Situationen

Auch gegen die Kameruner hatte er noch keinen nennenswerten Kontakt mit dem Spielgerät aufgenommen, als ihm die vermutlich wichtigste Aktion seiner langen Karriere gelang: Miroslav Klose hatte sich 30 Meter vor dem gegnerischen Tor gegen vier Kameruner behauptet und einen genialischen Pass in die Gasse gespielt - er erreichte den mit langen Schritten ankommenden Bode, der sich plötzlich alleine vor Torhüter Alioum befand.

Kühl und mit der Erfahrung aus Hunderten ähnlicher Situationen schob der Bremer die Kugel flach mit dem linken Fuß in die entfernte rechte Ecke. 1:0. Spätestens als auch Klose mit seinem fünften WM-Treffer das 2:0 köpfelte, war das Soll erfüllt. Und unwillkürlich musste man daran denken, was Carsten Jancker wohl mit diesen beiden Chancen angefangen hätte.

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