Pep Guardiola:Rede über sich selbst

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Nach dem neuerlichen Halbfinal-Aus wirbt Pep Guardiola dafür, seine Zeit beim FC Bayern zu würdigen.

Von Benedikt Warmbrunn, München

In den wirklich großen Momenten seiner drei Jahre in München, in denen ja fast nur die wirklich großen Momente gezählt wurden, hat Pep Guardiola seine komplexe Gefühlswelt stets in einer einfachen Geste zusammengefasst. Als Robert Lewandowski gegen Wolfsburg fünf Tore in neun Minuten erzielte, patschte Guardiola sich mit den Händen auf den Kopf, dazu machte er kugelrunde Mickymaus-Augen. Als er eine kaputte Mannschaft im Pokal in Leverkusen ins Elfmeterschießen gecoacht hatte, setzte er sich auf einen Klappstuhl. So ging das immer weiter, die drei Jahre des Pep Guardiola als Trainer des FC Bayern waren durchgehend auch eine aufwendige, effektvolle Inszenierung.

Am Dienstagabend nun, nach dem größten seiner großen Momente, dreht sich Pep Guardiola zum Publikum um, er führt seine Fingerspitzen zum Mund, zwei Kusshände, noch einmal die Fingerspitzen zum Mund, zwei weitere Kusshände.

Nach dem größten seiner großen Momente will Pep Guardiola allen zeigen: Ich bin glücklich.

Das 2:1 des FC Bayern am Dienstag gegen Atlético Madrid war der bitterste Sieg in Guardiolas drei Jahren in München, weil der Mannschaft ja nur ein Tor fehlte, um ins Finale der Champions League einzuziehen. Es war zugleich aber auch der vielleicht größte Sieg in Guardiolas drei Jahren in München, weil diese Partie ein Beleg dafür war, wie sehr er diese Mannschaft, die er als Sieger der Champions League und als vermeintlich beste Mannschaft des Kontinents übernahm, in den drei Jahren entwickelt hat. Das ist es auch, was Guardiola in der Nacht auf den Mittwoch wichtig ist. Dass er nicht als derjenige geht, der dreimal im Halbfinale an einer spanischen Mannschaft scheiterte. Sondern dass er als derjenige geht, der einer Mannschaft eine neue fußballerische Identität gegeben hat, die von der Spitze Europas nicht mehr wegzudenken ist, auch wenn sie mit ihm nicht den ganz großen Titel gewonnen hat.

Als es langsam auf Mitternacht zugeht, kommt Guardiola in den Presseraum, die Stufen zu seiner Tribüne nimmt er schnell wie immer, nichts soll darauf hindeuten, dass sich nun einer setzen wird, der geknickt sein könnte. Guardiola berichtet von seiner wieder einmal komplexen Gefühlswelt, er weiß, dass er das Kunststück geschafft hat, dass er weder als Vollendeter noch als Unvollendeter geht. Er sagt: "Ich wollte das Finale erreichen, und ich habe es nicht geschafft. Vielleicht war die Chance dieses Jahr größer als in den Vorjahren." Er sagt aber auch: "Wir haben gezeigt, wer wir sind."

"Ich habe mein Leben für diese Spieler und diesen Verein gegeben, von der ersten bis zur letzten Minute": Pep Guardiola. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Der FC Bayern, den Guardiola geformt hat, hat zumindest im Rückspiel gegen Atlético jene beiden Extreme vereint, die bei diesem dreijährigen Projekt aufeinander getroffen sind: Die Mannschaft beherrscht auch gegen eine kluge, zähe Abwehr wie die von Atlético das Pass- und Positionsspiel traumwandlerisch, sie ist sichtbar geprägt worden von diesem Trainer. Gleichzeitig hat Guardiola die Elf gerade am Dienstag das bewahren lassen, was sie beim Triple 2013 ausgezeichnet hatte: diesen energischen Fußball, angetrieben aus dem Schmerz zuvoriger Niederlagen.

In der Sorge, dass dieses stilistische Feingefühl in den Interpretationen nach dem Halbfinal-Aus zu kurz kommen könnte, wehrt sich Guardiola in der späten Dienstagnacht in vorauseilendem Groll bereits gegen all die Stimmen, die ihn als einen Gescheiterten bezeichnen könnten. Auch dabei vertraut er weiter ganz seinem Gespür für dramatische Inszenierungen. "Ich weiß, was passieren wird", sagt der Trainer, der so oft schon daran verzweifelt ist, dass er für ausbleibenden Erfolg verantwortlich gemacht wurde. "Es ist alles schon aufgeschrieben. Ich muss das akzeptieren."

Er will es aber nicht akzeptieren.

Nach dem größten seiner großen Momente hält Guardiola eine leidenschaftliche Rede über sich selbst, er will sich seine Trainer-Ehre bewahren, bevor diese in Frage gestellt werden könnte. Zum Abschied aus dem prestigeträchtigsten Wettbewerb will er klarmachen, wie viel ihm dieses Projekt in München bedeutet hat, wie viel er gegeben hat. Also sagt er: "Titel sind Nummern, Nummern sind Nummern, Statistiken sind Statistiken." Er sagt: "Ich habe gekämpft." Er sagt: "Du kannst das Beste geben und trotzdem verlieren." Er sagt: "Ich will es den Leuten sagen, denn die Spieler wissen das: Ich habe mein Bestes getan. Ich habe mein Leben für diese Spieler und diesen Verein gegeben, von der ersten bis zur letzten Minute." Sein Leben zu geben - weniger Pathos geht bei Guardiola nicht.

Mit Peps Automatismen kann Nachfolger Ancelotti arbeiten

Der Trainer weiß genau, dass er nicht ein unvollendetes Werk hinterlassen wird, er braucht dazu keinen Titel. Er weiß, dass er den Spielern Automatismen und Denkmuster und Selbstvertrauen gegeben hat, dass er einen Stil geschaffen hat, mit dem sein Nachfolger Carlo Ancelotti jetzt arbeiten kann. "Es war mir wirklich eine Ehre, mit diesen Spielern zu arbeiten", sagt Guardiola, "diese Spieler sind: Wow."

Vielleicht ist es ja dieses kleine Wort, das alles sagt über Guardiolas drei Jahre in München, die zumindest in der Champions League mit einem großen Moment enden: Wow.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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