Pep Guardiola beim FC Bayern:Sohn der Tradition und der Moderne

-

Pep Guardiola bei einer Pressekonferenz 2009

(Foto: AFP)

Er war Lehrling, Spieler, Kapitän und Trainer in Barcelona. Warum ist Pep Guardiola von dort ausgerechnet zum FC Bayern München gegangen - und nicht zu Chelsea? Wer's wissen will, schaue sich nur seine Karriere an.

Ein Gastbeitrag von Santiago Segurola

Pep Guardiola ist das doppelte Produkt des tiefen Kataloniens und des kosmopolitischen Barcelona. Er wurde in einem Bauerndorf geboren und in einem der mächtigsten Klubs der Erde ausgebildet. Er ist also ein Sohn der Tradition und der Moderne. Und so ist auch der Fußball, den er predigt, eine Kombination althergebrachter Ideen, die Guardiola in neue, die bisherige Kultur widerlegende Gedanken verwandelt hat.

In seiner Essenz handelt es sich aber um einen Mann, der die alten Kodizes des Fußballs respektiert. Die Gestalt eines Klubs etwa ist für ihn von fundamentaler Bedeutung. Das ist der Grund, weshalb er sich für den FC Bayern entschieden hat.

Einige Monate lang war Guardiola der meistbegehrte Trainer der Welt. Roman Abramowitsch, der Besitzer des FC Chelsea, bot ihm ein Vermögen. Guardiola lehnte ab. In seinem mentalen Universum ist ein Klub ein kultureller Ausdruck, der dem Willen der Allgemeinheit verhaftet ist, nicht den Launen eines Inhabers.

Es ist offensichtlich, dass er eine Ausbildung durchlaufen hat, die von Traditionen geprägt ist, und nicht von der Gegenwart. Er kam als Teenager bei Barça an und blieb dort mehr als 25 Jahre, in denen er alle Etappen und Verantwortungen durchlief: Er war Lehrling, Spieler, Kapitän und Trainer eines Vereins, der nach seinem Selbstverständnis "mehr als ein Klub" ist. Das ist nicht die Art von Erfahrung, die dazu einlädt, einen FC Chelsea anzuleiten.

In einer Welt voll russischer Oligarchen, US-Unternehmer und arabischer Scheichs fand Guardiola im FC Bayern gleich mehrere Aspekte, die er für grundlegend hält: eine starke Verankerung im Volk, Vereinsführer, die eng mit dem Fußball verbunden sind, starke Spieler und einen starken Zusammenhalt. Der FC Bayern hat eine universale Ausrichtung, aber ist zutiefst in Deutschland verwurzelt. Faktisch stellt er das Rückgrat der deutschen Nationalmannschaft. Die gleiche Bedeutung hatte Guardiolas Barça für die berühmte spanische Selección.

Nach seiner beeindruckenden Karriere als Barça-Trainer - abgesehen vom glänzendsten Fußball, den man je gesehen hat, eroberte er drei Ligatitel, gewann zweimal die Champions League, zwei spanische Pokale und zwei Weltpokale - blieb Guardiola nur noch wenig Spielraum. Er verließ Barça erschöpft. Es waren vier Jahre mit maximaler Hingabe. Seine Mutter verbarg nicht ihre Besorgnis. Sie sah ihn immer dünner, von Anspannung verzehrt. "Ernährst du dich gut?", fragte sie ihn nach dem Pokalfinale von 2009. In jener Nacht walzte Barcelona Athletic Bilbao nieder und holte einen von sechs Titeln einer magischen Saison - der ersten von Pep Guardiola als Trainer.

Golf zur Ablenkung

Guardiola ist immer noch dürr. Wenn er Zeit hat, spielt er Golf, das Einzige, was er sich an Ablenkung gönnt. Aber er ist ein Mann, der außergewöhnlich viel Energie verbraucht. Er ist von Natur aus emotionsgeladen, von überbordender Neugier getrieben, bei der Verteidigung seines Fußballs unermüdlich - und stets wachsam. Er ging für ein Jahr nach New York, um sich von Barcelona zu entfernen und seiner Familie zu nähern.

Er sagt, er habe endlich María, Marius und Valentina, seine drei Kinder, genießen können. Es war ein besonderes Sabbatical. Schon bei seiner Ankunft in den USA hatte er den Verdacht, dass er den FC Bayern trainieren würde. Als die Einigung konkret wurde, bewog ihn seine perfektionistische Natur dazu, ins Deutsche einzutauchen. "Es ist eine schwierige Sprache. Je mehr ich mich anstrenge, desto mehr habe ich den Eindruck, weniger Fortschritte zu erzielen", sagte er seinen Freunden.

Kein Verein hat mehr Berührungspunkte mit Barça als Bayern, gemessen an der Vorstellung dessen, was ein Klub in den Augen Guardiolas zu sein hat. Vor einigen Jahren, während seiner ersten Saison als Trainer in Spanien, besuchte er die Vereinsanlage des FC Bayern. Er war beeindruckt von dem, was er sah und von der Atmosphäre, die der Klub verströmte: Man atmete Sinn für Professionalität ein, aber auch Volkstümlichkeit, Nähe. Er hatte nie Zweifel an seiner Wahl.

Es wird darüber spekuliert, was beim FC Bayern wohl der Effekt der Triple-Saison werden wird. Doch Druck schüchtert Guardiola nicht ein. Er hat den Fußball in allen seinen Versionen durchlaufen. Als Spieler triumphierte er bei Barça und in der Nationalmannschaft, doch er wagte sich auch nach Brescia, zu einer kleinen Mannschaft der italienischen Liga, sowie nach Katar oder nach Sinaloa, einen mexikanischen Bundesstaat, in dem die Kugeln öfter durch die Luft peitschen, als Tore fallen.

Die Leute vergessen oft, dass Guardiola seine Trainerkarriere bei der zweiten Mannschaft des FC Barcelona begann. Die Mannschaft spielte in der vierten Liga. Unter Guardiola stieg das Team auf. Nicht auf irgendeine Weise, sondern weil sie die Wesensmerkmale ihres Trainers übernahm. Auch wird vergessen, dass seine erste Entscheidung als Trainer war, auf Ronaldinho, Deco und Eto'o zu verzichten, wenngleich er den Stürmer aus Kamerun noch einmal begnadigte. Ein Jahr danach wurde er zu Inter Mailand transferiert.

Gewissenhafte Vorbereitung

Wer befürchtet, dass Guardiola mit Druck nicht klarkommt, der möge sich auch an die zwei Jahre erinnern, die er in der spanischen Liga mit José Mourinho verlebt hat, dem bisherigen Trainer von Real Madrid. Das war ungefähr das, was dem alltäglichen Nuklearkrieg am nächsten kommt. Dennoch hörte Guardiolas Barça nicht auf, Meisterschaften zu gewinnen. Ihn kümmern auch keine Erwartungshaltungen. Ihn interessiert das Spiel, Fußball in Reinform.

Ein ganzes Jahr lang hat er sich gewissenhaft vorbereitet. Er hat in New York gelebt, aber den FC Bayern präzise studiert. Matthias Sammer, der Bayern-Sportvorstand, weiß das. Er redet oft am Telefon mit Guardiola. Auf Deutsch. "Ein bisschen langsamer", sagt Guardiola ihm, der so viel Zeit in das Erlernen seiner neuen Sprache investierte wie in die eingehende Analyse seiner künftigen Spieler.

Ihm gefällt zwar dieser FC Bayern, aber er wird neue Ideen hinzufügen. Daran hat es ihm nie gefehlt. Es wird interessant sein, die Mannschaft mit einem einzigen defensiven Mittelfeldspieler zu sehen. Man wird den neuen Sinn des Ballbesitzes entdecken müssen - und sehen, zu welchen Gelegenheiten er ohne einen reinen Mittelstürmer spielt, und wann mit Robben als quasi falschem Neuner.

"Wir werden gut spielen", sagt Guardiola zu denen, die ihm nahestehen. Das ist es, was ihn als Trainer definiert: das Spiel, die Fähigkeit, den Menschen den besten und mutigsten Fußball zu bieten. Und er glaubt, dass es gegenwärtig keinen besseren Verein gibt, um dies zu erreichen, als den FC Bayern.

Santiago Segurola, 56, ist Kolumnist und stellvertretender Chefredakteur der spanischen Sportzeitung Marca.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: