Patriots gewinnen die Super Bowl:Spannend bis zum Ende

New England Patriots quarterback Brady is embraced by wide receiver Edelman after their team defeated the Seattle Seahawks in the NFL Super Bowl XLIX football game in Glendale

So sehen Super-Bowl-Gewinner aus: Quarterback Tom Brady (rechts) und Wide Receiver Julian Edelman (links) von den New England Patriots.

(Foto: REUTERS)
  • Die New England Patriots gewinnen das NFL-Finale gegen die Seattle Seahawks, weil Malcolm Butler 20 Sekunden vor Schluss einen Pass abfängt.
  • Nach der mäßig spannenden Super Bowl im vergangenen Jahr ist auch für die Werbetreibenden die Welt wieder in Ordnung.
  • Patriots-Quarterback Tom Brady zementiert seinen Ruf als einer der besten Spielmacher.
  • Mit Sebastian Vollmer gewinnt erstmals ein Deutscher die Super Bowl.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Da stand Malcolm Butler also auf dem Spielfeld und wusste nicht so recht, wohin mit sich selbst. Er lief nach vorne, schlug einen Haken nach links, wieder nach vorne - dann blieb er stehen und blickte mit Tränen in den Augen nach oben. Wer mochte diesem jungen Mann verdenken, dass er gerade ein wenig die Orientierung verloren hatte: Er ist 24 Jahre alt, es ist seine erste Saison in der nordamerikanischen Footballliga NFL, sein erstes Finale - da kann das schon mal vorkommen.

Dieser Malcolm Butler hatte die Partie wenige Sekunden zuvor entschieden. Nicht Tom Brady. Nicht Rob Gronkowski. Nicht Russell Wilson. Nicht Marshawn Lynch. Butler hatte mit einem abgefangenen Pass 20 Sekunden vor dem Ende dafür gesorgt, dass die New England Patriots mit 28:24 gegen die Seattle Seahawks gewannen. "Ich wusste, dass wir so eine Aktion brauchen - und kurz zuvor hatte ich eine Vision, dass sie mir gelingen würde. Ich bin rausgegangen und habe meinen Job erledigt", sagte Butler nach der Partie. Dann kam Patriots-Eigentümer Robert Kraft und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Butler grinste.

Super Bowl - das ist mehr als nur Sport

Es war überaus verwunderlich, dass Butler überhaupt die Gelegenheit bekam, diese Partie zu entscheiden, über die Auswahl des Spielzugs wird wohl bis zum Beginn der nächsten Saison debattiert werden. Die Seahawks hatten drei Versuche übrig, um den Ball aus kurzer Distanz in die gegnerische Endzone zu transportieren. Sie haben für diese Aufgabe einen Spezialisten, der heißt Marshawn Lynch und ist bekannt dafür, gegnerische Verteidiger abzuschütteln oder notfalls einfach mitzuschleppen. Es war also zu erwarten, dass Lynch den Ball bekommen würde.

Seattles Trainer Pete Carroll entschied sich jedoch zunächst für einen Passspielzug, um die Patriots zu verblüffen und in der scheinbaren Gewissheit, bei Misserfolg immer noch zwei Versuche übrig zu haben. "Das war vielleicht kein großartiger Gedanke", sagte Carroll nach der Partie: "Aber wir treffen diese Entscheidungen bei jeder Partie. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Ich übernehme die Verantwortung dafür, das ist eine harte Lektion." Wilson versuchte also einen Pass, doch Butler sprintete dazwischen und sicherte sich den Ball - die überaus spannende Partie war entschieden.

Super Bowl XLIX Seattle Seahawks against the New England Patriots

Die Entscheidung: Malcolm Butler fängt den Ball ab.

(Foto: dpa)

Manchmal, da sind sich Athleten ihrer gesellschaftlichen Verantwortung einfach nicht bewusst. Sie vergessen etwa, dass es bei der Super Bowl mitnichten nur um Sport geht, sondern um Wirtschaft, um Kunst, um Kultur. Um Werbefilmchen, Skandälchen zur Halbzeitpause und Einschaltquoten danach. So gesehen war das Finale im vergangenen Jahr ein Reinfall - es war schon zur Pause entschieden, die zweite Halbzeit war so spannend wie Kaugummikauen, viele Menschen sahen gar nicht mehr zu.

Das war schrecklich für Bruno Mars, dessen Konzert erst am nächsten Tag für wunderbar befunden wurde. Es war schrecklich für all jene Firmen, die in der zweiten Hälfte einen Spot geordert hatten. Und es war schrecklich für die Serie "Brooklyn Nine-Nine", die weniger Menschen sahen als jedes Nach-Super-Bowl-Programm der vergangenen 40 Jahre. Natürlich war es auch schrecklich für die unterlegenen Denver Broncos, aber wie gesagt: Es geht ja nicht nur um Sport bei der Super Bowl.

In diesem Jahr, da war wieder alles in Ordnung. Sportlich, wirtschaftlich, kulturell, gesellschaftlich. Das Finale war spannend bis zum Schluss, wohl keiner der mehr als 120 Millionen Amerikaner vor dem Fernseher hat sich vorher verabschiedet - allein das letzte Viertel lieferte mehr spannende Momente als das komplette Endspiel im vergangenen Jahr. "Es gab heute so viele Kollegen, die für grandiose Momente gesorgt haben", sagte Patriots-Spielmacher Tom Brady: "Aber es ist großartig, dass Malcolm diese Interception am Ende gelungen ist. Der Mann ist ein Neuling in dieser Liga. Unglaublich."

Erstmalig gehört ein deutscher Spieler zu den Gewinnern

Die Patriots kontrollierten die Partie zunächst mit kurzen Pässen, Brady warf jeweils einen Touchdwon-Pass zu Rob Gronkowski und Brandon LaFell. Dennoch stand es vor dem eher mäßigen Konzert von Katy Perry (sie wurde unterstützt von Lenny Kravitz und Missy Elliot) 14:14 und vor Beginn des letzten Viertels gar 24:14 für die Seahawks, weil Seattles Defensive zwei Pässe von Brady abfangen konnte, weil sich Lynch in die Endzone pflügte, weil Wilson zwei mal in die Endzone passte und weil sich die Seahawks kurz vor der Pause nicht mit einem Field Goal zufrieden gaben, sondern erfolgreich einen riskanten Passspielzug wählten.

Doch es gibt bei den Patriots noch diesen Spielmacher mit dem Namen Tom Brady, dem schon zu College-Zeiten der Spitzname Comeback Kid verliehen worden war. Er führte seine Mannschaft mit zwei Angriffsserien über 68 und 64 Yards zurück in die Partie und sorgte für einen 28:24-Vorsprung, der bis zum Ende halten sollte. Brady stand nun sechs Mal im Finale, er hat es vier Mal gewonnen und wurde dabei drei Mal zum wertvollsten Spieler gewählt. Spätestens seit dieser Leistung (328 Yards Raumgewinn durch Pässe, vier Touchdowns) gehört er zu den besten Spielmachern in der Geschichte dieses Sports. Brady wurde übrigens wunderbar beschützt von Sebastian Vollmer ("Es ist der Wahnsinn!"), der als erster deutscher Akteur die Super Bowl gewinnen konnte.

"Ich bin einfach ein glücklicher Mensch", sagte Brady, der in den entscheidenden Sekunden der Partie auf der Bank sitzen und seiner Defensive vertrauen musste: "Ich habe auch schon zwei Endspiele (2007 und 2011, Anm. d. Red.) erlebt, in denen wir so knapp gescheitert sind. Ich wollte keine Fehler machen, weil ich genau weiß, dass dich dieser Fehler dein ganzes verdammtes Leben lang verfolgen wird. Ich habe heute Fehler gemacht, aber Gott sei Dank haben mich die Jungs da draußen gerettet."

Brady war deshalb nach der Partie nicht verwirrt. Er ist erfahren genug, er war oft genug dabei bei diesem Endspiel, um genau zu wissen, was er mit sich anfangen sollte. Er tröstete erst einmal den gegnerischen Spielmacher Russell Wilson, dann umarmte er seinen Trainer Bill Bilichik - und dann eilte er sogleich zu Malcolm Butler. Er gab ihm keinen Kuss auf die Wange wie Vereinsbesitzer Kraft, er drückte seine Dankbarkeit mit einem Schulterklopfen und einer Umarmung aus.

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