Paris-Siegerin Simona Halep:"Ich dachte, das Match ist weg"

Paris-Siegerin Simona Halep: Inniges Verhältnis zum Siegerpokal der French Open: Simona Halep.

Inniges Verhältnis zum Siegerpokal der French Open: Simona Halep.

(Foto: AP)
  • Simona Halep gewinnt bei den French Open in Paris ihren ersten Grand-Slam-Titel.
  • Im Match gegen die US-Open-Siegerin Sloane Stephens muss sie zunächst sehr leiden, um später den größten Sieg ihrer Karriere feiern zu können.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der French Open.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Es sah schlecht aus, für Simona Halep. Nicht nur vom Ergebnis her. Auch in ihr drinnen. Das gab sie später natürlich zu, sie musste es zugeben. Es hatte ja jeder gesehen im Court Philippe-Chatrier, in dem dieses Frauenfinale der French Open ausgetragen wurde. 3:6, 0:2 lag Halep zurück.

Würde jetzt ihre Gegnerin, die bis dahin so stark und kontrolliert agierende Sloane Stephens, die US-Open-Siegerin, die Nerven behalten, Halep, die Weltranglisten-Erste, würde gezwungenermaßen ihrem Trauma ein weiteres Kapitel hinzufügen müssen. Dreimal hatte sie schon in Grand-Slam-Endspielen verloren. Noch nie hatte sie eines der vier wichtigsten Turniere gewonnen. Vor einem Jahr, in Roland Garros, hatte sie mit einem Satz (6:4) und 3:0 geführt, gegen die Lettin Jelena Ostapenko. Ähnlich hoch wie Stephens nun.

Eine Stunde später stand Halep an der Grundlinie, ließ den Schläger fallen und starrte in den Himmel, starrte in ihre Box. Nein, diesmal hatte sie sich nicht das Schicksal der im letzten Moment Gescheiterten aufzwingen lassen. Mit 3:6, 6:4, 6:1 besiegte sie die Amerikanerin, kassiert dafür 2,2 Millionen Euro, baut ihren Vorsprung im Ranking aus. Aber es ging ja um viel mehr, um die Vollendung. "Letztes Jahr war es hart zu reden", gestand Halep bei der Siegerehrung, "ich warte auf diesen Moment, seit ich angefangen habe, Tennis zu spielen."

Das war wahrlich ein Happy End für eine Tennisspielerin, die schon ganz oben steht, der aber der der erlösende Erfolg gefehlt hatte. Bis zu diesem Samstag.

Das Niveau war hochklassig, aber nicht immer variantenreich

Noch ehe die beiden den ersten Ball beim Einschlagen gespielt hatte, ertönte schon ein Chor im Court Philippe-Chatrier: "Si-Mo-Na! Si-Mon-Na!", riefen viele der gut 15 000 Zuschauer. Für Halep sollte es ein Heimspiel werden, wie im Fußball. Auf den besseren Plätzen saß natürlich auch Prominenz, die früheren rumänische Kicker Gheorghe Hagi und Gheorghe Popescu schauten ein paar Reihen oberhalb von Ion Tiriac zu. Der frühere Manager von Boris Becker, dem möglicherweise heute halb Rumänien gehört, so geschäftlich umtriebig und vermögend ist er, war wiederum nur einige Sitze von früheren Siegerinnen entfernt, die sich die Ehre gaben: Arantxa Sánchez Vicario, Lesley Bowrey, Françoise Dürr, Virginia Ruzici, die Landsfrau Haleps, die 1978 in Paris triumphiert hatte. Das Publikum hat nicht vergessen, wie sehr Halep zweimal, 2014 und 2017, um den Titel gekämpft und ihn doch jeweils im Endspiel verpasst hatte. Eine Last spüre sie deshalb nicht, behauptete Halep, "ich will auf dem Platz lächeln", hatte sie betont. "Ich muss geduldig sein", mit diesem Ansatz ging Stephens in die Partie.

So spielte die Amerikanerin dann auch, und es zeigte sich früh, dass Halep mit diesem einfachen Plan ihrer Gegnerin Probleme hatte, die die Bälle stoisch übers Netz bugsierte. Stephens spielt mit dieser Technik, die leicht aus ihren Händen kommt, weil sie sehr viel natürliches Talent besitzt. Sie konnte, so sah es aus, fast mühelos die Scheucherei ertragen, die Halep stets bewirkt bei ihren Kontrahentinnen. Mit einem Break zum 3:1 zog sie als Erste davon. 4:1. 4:2. Es war ein Geduldsspiel. Stephens ließ Halep auflaufen. Wie eine Türsteherin vor einem Club, die sagt: "Sorry, kein Einlass für dich heute!" Sie deckte den Court gut ab, die Ecken, die Winkel. Die Sympathien blieben auf Haleps Seite, jemand rief auf Englisch: "Simona, ich will dich heiraten!" Stephens blieb ungerührt und fast fehlerlos. Das Niveau war hochklassig, aber nicht immer variantenreich. Mondbälle Haleps und ein Gegenstopp durchbrachen die Schlagmuster. 5:2, 5:3, 6:3.

Im zweiten Satz nahm Stephens nach einem furiosen Stopp zum Breakball gleich wieder Halep das Aufschlagspiel ab. Wieder lief Halep hinterher. Sie machte kaum Winner, Stephens kaum Fehler. 2:0. "Ich dachte, jetzt ist das Match weg", gab Halep zu. Doch just in diesem Moment entwickelte sie neue Kraft. Halep schaffte ihr erstes Break zum 2:2. Nun unterliefen Stephens Fehler. Halep breakte nochmal, kassierte das Rebreak, die Vorteile wogen hin und her. 4:2 Halep, 4:3, 4:4. Stephens war jetzt wieder die Türsteherin. Halep kam nicht vorbei, rannte aber stur an und wurde doch belohnt: Mit dem 5:4. Und dem Break zum 6:4. Dritter Satz.

Mit einer Räuberleiter klettert sie nach dem Sieg zu ihrem Trainer

Unter dem Jubel im Stadion gelang der Rumänin ein guter Start, Tiriac rief ihr etwas zu, sie führte 1:0. Break, 2:0, Hagi auf der Tribüne klatschte zehn Leute ab. Gefühlt ewige Ballwechsel. 3:0. Die Spannung stieg, immer mehr Zwischenrufe, Ermahnungen des Schiedsrichters. Dann ein Ballwechsel für die Geschichtsbücher. Hin und her, Angriff Stephens, Halep erkämpft sich mit letzter Kraft den Punkt mit einem Rückhandüberkopf, 10 000 der 15 000 springen auf. 4:0. 5:1. Kann sie diese Führung noch vergeben?

"Si-Mo-Na!" Wieder Gesänge. Halep hielt ihre Nerven beisammen, und um 17.13 Uhr war es so weit: Sie hatte den ersten Matchball. Nach 2:03 Stunden. Für ihren ersten Grand-Slam-Titel. Nach drei verlorenen Finals. Wie würde sie jubeln? Sie ließ den Schläger fallen, starrte in den Himmel. Starrte in die Box. Ihr Trainer Darren Cahill schlug die Arme über dem Kopf zusammen. Mit einer Räuberleiter stieg Halep hoch zu ihm. Sie umarmte ihn, Jubel ringsherum, ein Meer von weißen Strohhüten und ihr türkises Shirt mittendrin.

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