Paris:Zauberer ohne Zaubertrank

Bayern Muenchen v Paris Saint-Germain - UEFA Champions League

Nicht an Autogrammen interessiert: James Rodríguez (links), Joshua Kimmich und Sebastian Rudy (rechts) nehmen sich Neymar an.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Paris begleitet das leise Gefühl der Krise ins Achtelfinale - und selbst Neymar wirkt gerade nicht sonderlich furchterregend.

Von Benedikt Warmbrunn

Der teuerste Mann der Welt verabschiedete sich mit zwei Szenen, in denen all das drinsteckte, was seinen Abend so verhängnisvoll machte. Als noch drei Minuten zu spielen waren, spielte Neymar Jr. einen Pass, präzise und mit viel Übersicht. Allerdings spielte er den Ball in die Füße des Münchners Rafinha. Als noch zwei Minuten zu spielen waren, versuchte es Neymar Jr. noch einmal mit einem Dribbling, er machte einen Schritt, zwei, drei, vier, der Ball klebte eng an seinem Fuß. Dann aber prallte Neymar gegen den Münchner Mats Hummels. Abpfiff. Und weil der letzte Pass zum Gegenspieler ging und das letzte Dribbling an Hummels' Brust endete, blieben für die Statistik an rundum gelungenen Aktionen übrig: keine einzige.

Angekündigt worden war Neymar in München als das größte Phänomen des Weltfußballs, mindestens. 222 Millionen Euro teuer. Einer, für den der Eiffelturm angestrahlt wurde. Einer, von dem das Glück einer ganzen Stadt abhängt. Mitglied der schnellsten Offensive der Neuzeit, gemeinsam mit Kylian Mbappé. Die Ankündigungen klangen furchterregend für alle, die es gut meinen mit dem FC Bayern München.

Wenige Minuten nach dem Abpfiff lief Neymar dann zum Ausgang der Münchner Arena, weiße Sneakers, weiße Stöpsel im Ohr. Stehen bleiben wollte er nicht, nein, bitte, keine Fragen, keine Antworten. Erst kurz vor dem Ausgang nahm er sich kurz Zeit. Einer, der es gut mit ihm meinte, bat um ein gemeinsames Foto. Es war die erste Begegnung für den Brasilianer an diesem Abend, die keine negative war. Er lächelte dennoch nicht.

Dann war der Abend für ihn endgültig vorbei, endlich.

Der Dienstag darf nun als der Tag gelten, an dem die Fußballwelt ein bisschen die Furcht vor Neymar verloren hat, zumindest der Teil der Fußballwelt, der es gut meint mit dem FC Bayern. Ein 1:3 für Paris Saint-Germain in München, das wäre für Neymar vielleicht zu verkraften gewesen. So aber stand er für die Harmlosigkeit, die Lustlosigkeit der ganzen Mannschaft. Neymar war gerade in der Nacht verschwunden, da sagte Thomas Müller: "Es wird so getan, als hätten die einen Zaubertrank. Man sollte mal ein bisschen runter vom Gas."

Das Hinspiel hatte noch so gut, so leicht angefangen. Keine 120 Sekunden waren gespielt, da war Neymar an drei Münchnern vorbeigedribbelt, ein Pass zu Dani Alves, die Führung. Im Rückspiel ließ sich Joshua Kimmich nicht mehr so leicht abschütteln, er verfolgte Neymar hartnäckig, auch wenn dieser die Seite wechselte. Und wenn Neymar seinen Bewacher doch einmal abgeschüttelt hatte, wartete da immer sofort der nächste Gegenspieler. Einmal drängte ihn Sebastian Rudy im Strafraum ab. Einmal stellte sich ihm David Alaba in den Weg. Sogar Franck Ribéry klärte einmal gegen den teuersten Mann der Welt. In Ruhe gelassen wurde Neymar nicht einmal, wenn er eine Standardsituation trat. Als er sich den Ball an der Eckfahne zurechtlegte, bewarfen ihn Anhänger des FC Bayern mit gefälschten 500-Euro-Scheinen. Der einzige Nutzen von Neymars Auftritt in München war es, dass sich die Aufmerksamkeit auf ihn richtete - und dadurch Mbappé mehr Platz hatte, unter anderem bei seinem Tor zum zwischenzeitlichen 2:1 (50.). Ansonsten zeigte sich an Neymar nur, wie konsequent der FC Bayern verteidigte. "So eine Mannschaft musst du ein bisschen aggressiver angehen", erklärte Rudy, "das hat heute sehr gut funktioniert."

Paris geht nun als Gruppensieger ins Achtelfinale der Champions League, begleitet wird die Mannschaft jedoch auch von einem leisen Gefühl der Krise. Die Niederlage in München war die zweite in Serie - gewünscht hatten sich die Investoren aus Katar eigentlich eine Saison ohne eine einzige Niederlage. Das Spiel in München, sagte Klubpräsident Nasser Al-Khelaifi, "war eine große Lektion für alle".

Zu dieser Lektion gehört es auch, dass sie in Paris nun wissen, dass es gar nicht so schlecht wäre, das Rezept für den berühmten Zaubertrank aufzutreiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: