Paralympics in Sotschi:Ernst und Spiele

Sotschi 2014 - Eröffnungsfeier

Ein Land inszeniert sich: Szene von der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Sotschi

(Foto: Tatyana Zenkovich/dpa)

Zur Eröffnungsfeier der Paralympics wird ein gütiges Russland erstrahlen, Putin wird von der Tribüne lächeln. Auch wenn die Weltgemeinschaft tobt wegen Russlands Aggression in der Ukraine: Der Sport wird zum Instrument nationaler Selbstinszenierung. Guten Gewissens kann dabei niemand mehr mitmachen.

Ein Kommentar von Thomas Hahn

Offenbar sind Putins Spiele nicht aufzuhalten, auch wenn die Weltgemeinschaft tobt wegen Russlands Aggression in der Ukraine. Die Paralympics stehen bevor, die Weltspiele des Behindertensports, und man darf wohl annehmen, dass ihre Eröffnungszeremonie an diesem Freitag im Olympiastadion von Sotschi wieder großartig wird: mit Tanz, Gesang und einem lächelnden Putin auf der Tribüne.

Sir Philip Craven, der britische Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, wird irgendwas Friedensbewegtes sagen müssen, das dem Gastgeber gefällt - obwohl Politiker aus seinem Heimatland wegen der Krim-Krise den Spielen fernbleiben. Die Bilder werden ein gütiges Russland erstrahlen lassen, dem es um Menschen und sportliche Harmonie geht.

Es ist nicht schwer zu erkennen, wie der Sport hier zum Instrument einer nationalen Selbstinszenierung wird. Guten Gewissens kann dabei keiner mehr mitmachen. Deshalb muss man Respekt haben vor dem Paralympischen Komitee der Ukraine, das sein Team zurückziehen will, falls Putin seine Truppen nicht von der Krim abzieht. Und auch die Forderung des Grünen-Politikers Daniel Cohn-Bendit ist bedenkenswert, die Fußball-WM 2018 in Russland zu boykottieren, "falls Putin nicht aufhört".

Wenn ein Gastgeber von Olympia oder einer Weltmeisterschaft militärische Aktionen vorantreibt, darf ihm der Sport nicht mehr für seine Selbstdarstellung dienen. Wenn sich diese Haltung durchsetzen würde, könnte auch der Sport etwas anderes sein als ein willfähriger Spielpartner für Großmacht-Phantasten. Paralympics ohne Paralympier? Fußball-WM ohne Fußballer? Da könnte auch Putins Kunstlicht-Maschine nichts mehr schönleuchten.

Die Frage ist natürlich, ob es wirklich dazu kommt. Denn der Sport führt längst ein Eigenleben, wenn es um sein Verhältnis zur Wirklichkeit geht. Gerade die Spiele von Sotschi haben gezeigt, wie erfolgreich ein moderner Autokrat den Sport missbrauchen kann, wenn er nur genügend Geld hat.

Und vielleicht glaubt ja auch mancher, dass die demokratische Welt heilsame Debatten in Diktaturen und Nicht-Demokratien bringt, wenn sie Fußball-WM, Olympia oder Paralympics dorthin verkauft, Ereignisse, die vielen so sehr am Herzen liegen.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Organisationen wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder der Weltfußball-Verband Fifa sind Sport-PR-Agenturen, die sich vor allem marktstrategischen Erwägungen verpflichtet sehen. Wenn Länder wie China, Russland oder Katar ihren Reichtum für die ganz große Sportshow bereitstellen, sind dem IOC oder der Fifa größere politische Zusammenhänge ziemlich egal. In Sotschi hat sich sogar gezeigt, dass Sportlobbyisten im Dienste ihres Geschäfts Kernthemen - zum Beispiel die Nachhaltigkeit von Sportstätten - herunterreden, solange die nur in der kurzen Zeit des Ereignisses eine tolle Bühne abgeben. IOC-Präsident Thomas Bach hat Russland ausdrücklich dafür gelobt, dass es in sieben Jahren aufgebaut habe, "wofür man in anderen Teilen der Welt Jahrzehnte gebraucht hat".

Die Sotschi-Spiele sind bisher ein perfekter Beitrag zur Putin-PR gewesen. Die Kritik westlicher Medien an ihrem 50-Milliarden-Dollar-Gigantismus konnte Putin locker ins Leere laufen lassen, denn am Ende redeten Athleten, Funktionäre und Sportjournalisten ja doch ständig davon, wie reibungslos es zuging in Putins Olympia-Oase.

Jetzt ist die Krim-Krise da, das sportliche Bildergewitter soll weiterlaufen, und die meisten Teilnehmer wollen immer noch in Ruhe ihre Spiele spielen. Aber allmählich wird es selbst für den Sport Zeit zu verstehen, dass es neben den Spielen auch noch Ernsteres gibt.

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