Homosexualität im Fußball:Hitzlsperger outet sich als schwul

Homosexualität im Fußball: "Ich äußere mich zu meiner Homosexualität": Thomas Hitzlsperger (Archivbild)

"Ich äußere mich zu meiner Homosexualität": Thomas Hitzlsperger (Archivbild)

(Foto: imago sportfotodienst)

Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger macht in einem "Zeit"-Interview seine Homosexualität öffentlich. Der 31-Jährige ist der erste prominente deutsche Fußballer, der sein Schwulsein thematisiert.

Der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat als erster prominenter deutscher Fußballer öffentlich von seiner Homosexualität berichtet. "Ich äußere mich zu meiner Homosexualität, weil ich die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen möchte", sagte der 31-Jährige im Interview mit der Zeit. Er habe das Gefühl, dass jetzt, nach dem Ende seiner Karriere, ein guter Moment dafür gekommen sei.

Zwischen 2004 und 2010 spielte Hitzlsperger 52 Mal für die Deutsche Nationalmannschaft. In der Bundesliga spielte er für den VfB Stuttgart und den VfL Wolfsburg. Zudem war er lange in England unter Vertrag, zuletzt beim FC Everton. Im September 2013 beendete Hitzlsperger seine Karriere.

Das Bewusstsein, homosexuell zu sein, sei "ein langwieriger und schwieriger Prozess" gewesen, sagte der 31-Jährige. "Erst in den letzten Jahren dämmerte mir, dass ich lieber mit einem Mann zusammenleben möchte", sagte Hitzlsperger. Homosexualität werde im Fußball "schlicht ignoriert", kritisiert er in dem Gespräch. Bis heute kenne er keinen Fußballer persönlich, der das zu seinem Thema gemacht habe. Für seinen Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, bekam Hitzlsperger prompt Respektsbekundungen von Kollegen.

Nationalspieler Lukas Podolski bezeichnete das Coming-out seines ehemaligen DFB-Mitspielers als "wichtiges Zeichen". Dies sei eine "mutige und richtige Entscheidung", teilte Podolski am Mittwoch via Twitter mit. "Respekt, Thomas Hitzlsperger." Podolski und Hitzlsperger hatten zusammen unter anderem bei der WM 2006 in Deutschland in der Nationalmannschaft gespielt.

Hitzlsperger, der seit längerem an einer kulturpolitischen Interview-Serie in der Zeit teilnimmt, sagte weiter: "In England, Deutschland oder Italien ist Homosexualität kein ernsthaftes Thema, nicht in der Kabine jedenfalls." Er habe sich immer wieder über die Widersprüche geärgert, die in der Fußballwelt im Umgang mit Homosexualität aufgebaut würden, sagte der frühere Mittelfeldspieler. Der Profisport sei ein absolut harter Leistungssport, "Kampf, Leidenschaft und Siegeswille sind untrennbar miteinander verknüpft". Das passe nicht zu dem Klischee, das sich viele Leute von einem Homosexuellen machten, nämlich: "Schwule sind Weicheier."

Er habe sich aber "nie dafür geschämt, dass ich nun mal so bin". Trotzdem seien die Sprüche der Kollegen nicht immer einfach zu ertragen gewesen. "Überlegen Sie doch mal: Da sitzen zwanzig junge Männer an den Tischen und trinken. Da lässt man die Mehrheit gewähren, solange die Witze halbwegs witzig sind und das Gequatsche über Homosexuelle nicht massiv beleidigend wird", sagte Hitzlperger, der zuletzt auch Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff darüber unterrichtet hat, mit dem heiklen Thema an die Öffentlichkeit gehen zu wollen.

Abschied mit kritischen Worten

Der DFB veröffentlichte im Sommer 2013 bereits eine Informations-Broschüre mit dem Titel "Fußball und Homosexualität". Sie solle dazu anregen, "sich mit dem Thema sexuelle Identität unaufgeregt und entschleunigt auseinanderzusetzen", heißt es darin. "Sollte sich ein Spieler, egal ob in der Bundesliga oder der Kreisliga, outen wollen und dabei die Unterstützung des DFB benötigen, so wird unser Verband jegliche Hilfe anbieten", schrieb DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in seinem Vorwort.

Hitzlsperger hatte sich Anfang September bereits mit sehr kritischen Worten aus dem Fußball-Geschäft verabschiedet. "Wirtschaftlich überdreht ist die Branche schon seit langem, und diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen", hatte er in der Süddeutschen Zeitung erklärt. Er beobachte diese Entwicklungen aufmerksam und stelle sich die Frage, "ob irgendwann mal die Ernüchterung eintritt und ans Tageslicht kommt, was sich hinter diesem Boom alles abgespielt hat".

Hitzlsperger hatte zuletzt im August 2010 gegen Dänemark (2:2) im DFB-Team gespielt und dabei sogar die Kapitänsbinde getragen. 2006 war er mit dem Nationalteam WM-Dritter, 2008 Vize-Europameister geworden. Bis zum Juli stand "The Hammer", wie er wegen seines harten Schusses auf der Insel genannt wurde, beim englischen Premier-League-Klub FC Everton unter Vertrag. Sein größter Erfolg auf Klubebene bleibt die deutsche Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart 2007. In der Jugend war er für Bayern München aktiv.

Vor gut einem Monat hatte der britische Turmspringer Tom Daley im Internet seine Liebe zu einem Mann enthüllt. Im internationalen Fußball äußerte sich zuletzt der ehemalige US-Nationalspieler Robbie Rogers zu seiner Homosexualität. In England war Justin Fashanu der prominenteste Fall. 1998 erhängte er sich in einer Garage, nachdem ihm vorgeworfen worden war, einen 17 Jahre alten Jungen vergewaltigt zu haben. Frauen im Profisport haben dagegen mit privater Offenheit offenbar weniger Probleme. Torhüterin Nadine Angerer hat sich ebenso geoutet wie die ehemalige Teamkollegin Steffi Jones, jetzt DFB-Direktorin für den Frauenfußball.

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