Olympisches Tennisturnier:"Immer Rambozambo"

Tennisspieler Nicolas Kiefer übersteht im Schnelldurchgang die erste Runde im Einzel. Über sein Drama von Athen 2008 kann er inzwischen lachen.

Thomas Becker, Peking

Auf den ersten Blick hat der Arbeitstag von Nicolas Kiefer nur 32 Minuten gedauert. Das am Abend zuvor wegen Gewitters abgebrochene Erstrunden-Match gegen den Weißrussen Max Mirnyi war um kurz nach eins 6:3, 6:1 gewonnen, das Doppel mit Rainer Schüttler erst für den kommenden Tag angesetzt. Doch begonnen hatte die kurze Schicht im Tennis-Center des Olympic Greens schon um 6.45 Uhr. Da klingelte der Wecker in der Männer-WG mit Schüttler und Bundestrainer Patrick Kühnen. "Man schläft hier schon viel weniger als normal", erzählt Kiefer, "das dauert alles. Eine Stunde fürs Frühstück muss man mit Hinlaufen und Anstehen schon einplanen. Man glaubt es nicht, aber die Mensa ist auch frühmorgens schon voll."

Olympisches Tennisturnier: "Dieses Gewusel im Dorf, die Gespräche mit den anderen Athleten, das macht einfach Spaß." Nicolas Kiefer - begeisterter Olympionike.

"Dieses Gewusel im Dorf, die Gespräche mit den anderen Athleten, das macht einfach Spaß." Nicolas Kiefer - begeisterter Olympionike.

(Foto: Foto: AFP)

Man könnte meinen, dass sensiblen Hochleistungssportlern solche Störungen des gewohnten Tagesablaufs auf die Nerven gehen. Gerade Tennisspieler sind es als Individualsportler ja gewohnt, sich jeden Tag selbst zu planen. Für einen Termin bei Physiotherapeut Klaus Eder muss sich nun auch Nicolas Kiefer anstellen. Ihn stört das überhaupt nicht: "Dieses Gewusel im Dorf, die Gespräche mit den anderen Athleten, das macht einfach Spaß. Gegenüber von uns sind die Beachvolleyballerinnen und die Wasserballer - da ist immer Rambozambo."

Es sind Kiefers dritte olympische Spiele; der Frust über den letzten Matchball des Vorgänger-Turniers in Athen scheint verflogen. Mit Rainer Schüttler hatte er 2004 nach zig Matchbällen gegen die Chilenen Fernando Gonzalez und Nicolas Massu die Goldmedaille verpasst, in der Pressekonferenz geheult wie der berühmte Schlosshund und bei der Siegerehrung mit dem Lorbeerkranz auf dem untröstlichen Haupt ein einprägsames Bild des Jammers abgegeben. "Ich hab damals Leute kennengelernt, die ich jetzt erst wiedersehe, und mit denen mach ich da heute Witze drüber", erzählt Kiefer. Die Auslosung erwies sich dagegen nicht gerade als lustig: In Runde eins wartet die starke österreichische Combo Julian Knowle/Jürgen Melzer, in Runde zwei würde es zum Treffen mit den an eins gesetzten US-Brüdern Mike und Bob Bryan kommen. Kiefer sagt: "Das wird hart."

Mit Schüttler, dem Nominierungsgeplagten, hat er seit Athen nicht oft zusammen gespielt. Im vergangenen September bestritten sie gemeinsam das Olympia-Schnupperturnier in Peking. Davon ist Kiefer vor allem das Klima in Erinnerung geblieben: "Das war noch viel schlimmer als jetzt. Ich bin ja schon seit einer Woche da, und in den ersten Tagen war es kaum denkbar zu spielen." Womöglich erklärt das die gewaltige Aussteiger-Rate bei diesem Turnier: Ana Ivanovic, Tatjana Golowin, Maria Scharapowa, Amelie Mauresmo und Lindsay Davenport sagten ebenso ab wie Michael Kohlschreiber, dem eine Muskelfaser im Oberschenkel riss - was das Doppel Schüttler/Kiefer überhaupt erst ermöglichte.

Doch zunächst geht es für den 21. der Weltrangliste gegen den Südafrikaner Kevin Anderson. Kiefer hofft wieder auf eine kurze Schicht. Der Wetterdienst meldet für Dienstag 31 Grad.

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