Olympisches Fußballturnier:Smoothies in Salvador

Robert Bauer und Max Christiansen vom FC Ingolstadt teilen eine WG - am Samstag fliegen sie mit der deutschen U21-Auswahl zum olympischen Fußball-Turnier nach Brasilien.

Von Sebastian Fischer

Der FC Ingolstadt ist um eine positive Darstellung seiner Angestellten in der Öffentlichkeit bemüht, und deshalb flankierte eine Geschichte über zwei seiner Fußballer auf der vereinseigenen Internetseite neulich ein fröhliches Foto. Max Christiansen und Robert Bauer saßen auf der Terrasse ihrer Wohngemeinschaft und hielten zwei Weizenbiergläser, in die ein grüner Frucht-Smoothie gefüllt war. Womöglich transportierte das Bild allerdings eine etwas geschönte Wahrheit. Christiansen hat nämlich Folgendes über die Ernährungsgewohnheiten in der WG verraten: "Wir gehen essen. Oder wir hungern ein bisschen." Und dann hat er über seinen eigenen Witz gelacht.

Bauer sah Olympia als Kind im Fernsehen. Als Fußballer dabei sein? Unmöglich, dachte er

Max Christiansen, 19 Jahre alt, 1,88 Meter groß, steht vor seiner zweiten Bundesligasaison beim FC Ingolstadt, er gilt als talentierter Spieler im Mittelfeld. Und er weiß, dass es ihm ziemlich egal sein kann, ob die Menschen nun denken, er ernähre sich von Smoothies. Er und Bauer, 21, sorgen nämlich gewiss für eine positive Darstellung des FC Ingolstadt. Sie bringen den Bundesligisten ziemlich groß raus: Christiansen und Bauer spielen - als zwei von drei bayerischen Fußballern neben Verteidiger Philipp Max vom FC Augsburg, bei Olympia für Deutschland.

In den vergangenen Wochen und Monaten musste Hansi Flick als Lobbyist für die U21-Nationalmannschaft durch die Republik reisen, jeden Bundesliga-Klub hat der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) besucht, um die Klubmanager dazu zu überreden, doch bitte Spieler für den 18 Mann starken Kader abzustellen, der den DFB unter der Leitung von Trainer Horst Hrubesch in Brasilien vertritt. Das Olympiaturnier beginnt für die DFB-Elf bereits am 4. August, einen Tag vor der Eröffnungsfeier, mit dem Spiel gegen Mexiko in Salvador de Bahia. Dort ist die mit den Routiniers Nils Petersen sowie den Bender-Zwillingen Lars und Sven verstärkte Auswahl zunächst untergebracht, dort absolviert sie auch die zweite Partie gegen Südkorea am Sonntag, dritter Gruppengegner am Mittwoch ist Fidschi.

Fonte Nova Arena Stadion in Salvador da Bahia Brasilien

Auftakt in Salvador de Bahia: In der Arena Fonte Nova starten die deutschen Fußballer gegen Mexiko ins Olympiaturnier.

(Foto: Jefferson Bernardes/AFP)

So ein olympisches Turnier ist etwas Besonderes für junge Fußballer, ein Privileg, sollte man meinen. Doch es waren meist harte Verhandlungen, die Flick führen musste, und sie endeten oftmals in Ablehnung. Für viele Klubs überwog der Nachteil, Spieler während der Saisonvorbereitung abstellen zu müssen. Flicks Ortstermin in Ingolstadt jedoch soll angenehm gewesen sein. Eine Absage, sagt FCI-Präsident Peter Jackwerth, "war nie ein Thema. So eine Chance darfst du ihnen nicht nehmen." Die Zusage sei "eine Selbstverständlichkeit", sagt der neue Ingolstädter Trainer Markus Kauczinski. Sie sind stolz beim FCI auf Christiansen und Bauer. Zumal die Geschichte der zwei Freunde ja fast schon kitschig schön ist.

Bauer kam im Sommer 2014 ein halbes Jahr vor Christiansen vom Karlsruher SC nach Ingolstadt. Er wohnte zunächst alleine, kam aber nicht so recht an in Oberbayern, fühlte sich nicht wohl in seiner Wohnung, sie war ihm zu klein. Und er kam auf dem Fußballplatz nicht zum Einsatz, in den ersten elf Spielen stand er nicht im Kader. Es mag Zufall sein, doch nachdem Christiansen in der Winterpause nach Ingolstadt wechselte und die beiden zusammenzogen, weil sie sich auf Anhieb gut verstanden, fehlte Bauer in der Aufstellung nur viermal. Im März 2015 debütierte er im U20-Nationalteam. Christiansen brachte es in der zweiten Liga auf vier Kurzeinsätze. Wer das Training beim FCI beobachtet, sieht Christiansen und Bauer stets zusammen. Und das Zusammenleben in der WG läuft wohl ziemlich problemlos. Christiansen sagt: "Wenn einer sagt: ,Es stinkt', dann putzen wir zusammen."

Ja, es sei schon eine ungewöhnliche Freundschaft, jedenfalls für das von Konkurrenzkampf geprägte Fußballgeschäft, sagt er. Es hilft beiden, dass sie dieses Geschäft noch nicht so lange kennen und ihm noch recht unbelastet begegnen. An freien Tagen treffen sie sich oft mit dem Kollegen Pascal Groß auf dem Trainingsgelände des FCI, jonglieren stundenlang mit dem Ball, schießen Standards. "Wir haben einfach Spaß dran", sagt Christiansen. Die Sonderschichten haben sich gelohnt.

Bauer war bereit, als er in der vergangenen Hinrunde in die erste Elf rutschte. Er überzeugte als Linksverteidiger, schoss gleich ein Tor und blieb Stammspieler. "Am Anfang, wenn du als junger Spieler reinkommst, hoffst du nur, keine Fehler zu machen", sagt er. Sein Fortschritt: "Wenn du öfter spielst, wirst du ruhiger."

Christiansen galt beim FC Hansa Rostock, wo der gebürtige Flensburger seit seinem 15. Lebensjahr spielte und aufs Internat ging, vielen als zu schüchtern und zu brav fürs Profigeschäft. Beim FCI spielt er oft; sie trauen ihm zu, immer wieder mal selbst Spielmacher Groß zu ersetzen.

Auch Bauer blieb in Karlsruhe der Sprung in die erste Mannschaft verwehrt, er erzählt davon inzwischen süffisant. Der Trainer beim KSC hieß damals Kauczinski, doch es habe an der Sportlichen Leitung gelegen, sagt Bauer, nicht am Coach, der ihn jetzt in Ingolstadt mehr als Mittelfeldspieler denn als linken Verteidiger einplant. In Brasilien müssen beide wohl zunächst auf ihre Chance warten, doch allein die Nominierung für die erste deutsche Olympia-Mannschaft seit 1988 ist der Lohn einer besonderen Entwicklung. Bauer erzählt, er habe die Spiele früher im Fernsehen gesehen, aber gedacht, die Teilnahme sei als Fußballer so gut wie unmöglich. Jetzt sagt er: "Das ist 'ne super Sache."

Am Samstagabend geht der Flieger nach Brasilien. Es wäre kaum überraschend würden Bauer und Christiansen nebeneinandersitzen und auch in Salvador im gleichen Zimmer wohnen. Sie waren gemeinsam im Urlaub auf Mykonos in Griechenland, als Flick anrief - zuerst bei Bauer, zwei Minuten später bei Christiansen. Sie haben sich gefreut, klar. Aber von einer Feier am Abend will Christiansen nichts verraten. Sie seien Essen gegangen, sagt er, wie immer, was Griechisches am Strand. Er sagt: "Es war schon ganz lecker." Sie mussten ja nicht selbst kochen.

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