Olympischer Sportbund:Ein Fall für den Good-Governance-Beauftragten

New DOSB Headquarter Groundbreaking Ceremony

Seit Dezember 2013 DOSB-Präsident: Alfons Hörmann bei der Grundsteinlegung der neuen Verbandszentrale im April 2015 in Frankfurt.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Der Deutsche Olympische Sportbund feiert zehnjähriges Bestehen - sein Spitzen-Duo ist aber nicht unumstritten.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

In der ehrwürdigen Frankfurter Paulskirche trifft sich an diesem Freitag der deutsche Sport, um sich ausgiebig selbst zu feiern. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt, dazu Thomas Bach, der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), und noch manch anderer prominenter Gast. Aber rund um den Festakt stellen viele die Frage, welchen Anlass zum Feiern der deutsche Sport eigentlich hat.

Seit zehn Jahren gibt es nun den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), zu dem damals der DSB und das NOK fusionierten, und die dieser Tage publizierten Bilanzen fallen oft verheerend aus - unter anderem wegen drei gescheiterter Olympia-Bewerbungen. Die Lage und die Aussichten des DOSB, der sich dank 27 Millionen Mitgliedschaften gerne als größte Bürgerbewegung des Landes feiert, sind eher schwierig. Erschwerend hinzu kommt die Situation des Spitzenpersonals, also von Präsident Alfons Hörmann und Vorstandschef Michael Vesper, dessen Vertrag kürzlich bis Ende 2017 verlängert wurde.

Der frühere nordrhein-westfälische Landesminister Vesper steht aufgrund seines Stils und seines Auftretens schon seit seinem Wechsel zum DOSB 2006 in der Kritik, aber seit Kurzem auch im Zentrum einer verbandsinternen Affäre. Hintergrund sind nach SZ-Informationen Untersuchungen zu etwaigen angeblichen Regelverstößen. Der Good-Governance-Beauftragte Jürgen Thumann kommt gemäß eines internen Schreibens von Ende April 2016, das der SZ vorliegt, zu der Einschätzung, Vespers Verhalten in den ihm zur Kenntnis gegebenen Fällen stelle "keinen Verstoß gegen Gesetze oder den Ethik-Kodex des DOSB dar. Allerdings wird sein Verhalten, so wie es von den Hinweisgeberinnen geschildert worden ist, dem Amt des Vorstandsvorsitzenden teilweise nicht gerecht. Das Präsidium des DOSB sollte ihn an seine hervorgehobene Stellung und an seine Vorbildfunktion erinnern." Konkrete Fragen zu Details des Falles beantworteten der Verband, die DOSB-Vertreter Vesper und Hörmann sowie der Good-Governance-Beauftragte Thumann nicht. Der Verband verweist darauf, dass die Good-Governance-Regeln sowie der Ethik-Code Vertraulichkeit vorschreiben.

Unabhängig von der Bewertung des konkreten Sachverhaltes stellt sich die Frage, wie der DOSB mit dem Vorgang umging. Der DOSB weist jedes Fehlverhalten zurück und sagt, er sei in den Jahren 2014 bis 2016 seinen jeweiligen Richtlinien von Good Governance "konsequent und ausnahmslos gefolgt". Nach SZ-Informationen gab es Ende 2014 einen Hinweis auf einen möglichen Verhaltensverstoß Vespers. Damals waren bereits der Ethik-Code sowie ein Corporate Governance Kodex, der noch nicht ausführlich die Verfahren bei angezeigten Verhaltensverstößen beschrieb, in Kraft. In den im Oktober 2015 präzisierten und beschlossenen Verhaltensrichtlinien heißt es, dass bei Hinweisen auf Fehlverhalten von Vorstandsmitgliedern das Präsidium unter Einbeziehung des Good-Governance-Beauftragten die Entscheidungsinstanz sei. Von dem Hinweis hatte Ende 2014 nach SZ-Informationen zwar Präsident Alfons Hörmann Kenntnis, allerdings nicht das komplette Präsidium.

Einige Monate später schrieb der Good-Governance-Beauftragte Thumann, früher Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), in einem auf den 16. Oktober 2015 datierten Jahresbericht für die DOSB-Mitgliederversammlung Anfang Dezember 2015 den Satz: "Auch Verstöße gegen die Good Governance-Regeln des DOSB sind mir nicht angezeigt oder sonstwie bekannt geworden." Dies war offenbar nicht korrekt. Kurz vor der Versammlung übersandte Thumann eine an mehreren Stellen korrigierte Version des Reports, in der dieser Satz denn auch fehlt. Nach Angaben des DOSB wurde dieser neue Bericht, der auf den 3. Dezember 2015 datiert, bei der Mitgliederversammlung als Tischvorlage verteilt. In der offiziell vor Ort ausgehändigten Tagesordnung steht beim Punkt "Good Governance" jedoch kein Verweis auf die "Tischvorlage", also den korrigierten Report, sondern auf eine "Vorlage" - also Thumanns ursprünglichen Bericht aus dem Oktober. Der DOSB teilt hierzu mit, es handele sich bei der Kennzeichnung "um ein Versehen".

Nach SZ-Informationen soll das gesamte Präsidium Anfang 2016 von dem Vorwurf eines angeblichen Regelverstoßes Vespers erfahren haben. Im Februar richtete der DOSB eine Ombudsstelle ein, wo Hinweise eingegangen sein sollen. Im März wurde der Vertrag mit Vesper bis Dezember 2017 verlängert. Thumann erhielt gemäß seines Schreibens am 19. April den Bericht der Ombudsstelle. Auf den 29. April ist sein eigener Report datiert, in dem es unter anderem heißt, dass nach Ansicht von Thumann aufgrund des Untersuchungsergebnisses eine Abberufung Vespers als Chef de Mission für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro nicht angezeigt sei.

Auch Vespers Chef Hörmann ist nicht unumstritten. Bereits vergangenes Jahr geriet er wegen eines Vorganges, der in seine Zeit als Vorstandsvorsitzender des Dachziegel-Herstellers Creaton zurückreicht, in die Kritik. Das Bundeskartellamt hatte wegen illegaler Preisabsprachen mehrere Firmen aus der Branche zu hohen Strafen verurteilt. Der 2013 zum DOSB-Chef gewählte Hörmann versicherte stets, er sei an keinen illegalen Preisabsprachen beteiligt gewesen. Vor knapp einem Jahr zog er kurz vor Beginn des Kartellrechtsprozesses seinen Einspruch gegen einen 2008 verhängten Bußgeldbescheid zurück und zahlte eine Strafe in Höhe von 150 000 Euro plus Zinsen. "Ich habe mich wohl im Grenzbereich bewegt und muss einen Fehler eingestehen. In die Sportsprache übersetzt, würde ich sagen, dass ich gegrätscht habe und dann die gelbe Karte bekam", sagte er. Für Creaton gab es am Ende des Prozesses ein Bußgeld von 39,9 Millionen Euro. Schon damals störten sich viele Beobachter daran, dass der oberste deutsche Sportlenker damit just gegen einen zentralen Gedanken des Sports, nämlich den Wettbewerbs-Charakter, verstieß.

Aktuell führt Hörmann eine Auseinandersetzung mit der - nur zufällig namensgleichen - Firma Hörmann aus dem bayerischen Kirchseeon, für die er in den vergangenen Jahren als Geschäftsführer arbeitete. Anfang Februar kündigte sie ihm fristlos. Es geht unter anderem um den Vorwurf, dass sich Hörmann zu sehr um seinen Sport- und zu wenig um seinen Geschäftsführer-Job gekümmert habe. "Es enttäuscht uns zutiefst, feststellen zu müssen, dass mein Lebenswerk für Sie nur eine unter mehreren Aufgaben ist", hieß es in einem von der Wirtschaftswoche zitierten Schreiben des Firmenchefs Hans Hörmann an den DOSB-Präsidenten: "Eine operative Geschäftstätigkeit lässt sich mit Ihrem zusätzlich übernommenen Amt nicht vereinbaren." Hörmann klagt gegen die Kündigung. Für den 23. Juni ist ein Gerichtstermin in München vorgesehen.

Für manche DOSB-Mitglieder wiegt schwer, dass Hörmann im Zuge der Auseinandersetzung gegenüber der Firma Anfang Februar anbot, sein Präsidentenamt aufzugeben. Eine entsprechende Passage aus einem Brief seiner Anwälte an die Firma zitierte die Wirtschaftswoche. Das mag nur taktische und juristische Erwägungen gehabt haben. Aber die deutsche Sportfamilie soll zu ihrer Zehn-Jahres-Feier jemandem applaudieren, der kürzlich offenbar das höchste Amt des deutschen Sports anbot.

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