Olympische Winterspiele 2010:Vancouver und die Robbenbabys

Kanadische Parlamentarier würden ihre Sportler bei Olympia gerne in Anzügen sehen, in die Robbenhäute eingearbeitet sind - aus Trotz gegen ein EU-Boykott.

J. Kelnberger

Der Strom der öffentlichen Meinung in der westlichen Welt ist ebenso gewaltig wie berechenbar, und nur Dummköpfe oder Menschen mit großer innerer Überzeugung stellen sich ihm entgegen. Welche Sorte davon im kanadischen Parlament zu finden ist, sei dahingestellt. Die Regierung, so ein mit großer Mehrheit beschlossener Antrag, möge prüfen, ob die kanadischen Olympia-Athleten bei den Winterspielen 2010 in Vancouver mit Anzügen antreten können, in die Robbenhäute eingearbeitet sind: als Protest gegen den Boykott des Handels mit Robbenprodukten, den das Europäische Parlament gerade erlassen hat.

Olympische Winterspiele 2010: Malerisch gelegen: Die kanadische Stadt Vancouver, Austragungsort der Winterspiele 2010. Derzeit gibt es Aufregung um die Sportanzüge kanadischer Athleten.

Malerisch gelegen: Die kanadische Stadt Vancouver, Austragungsort der Winterspiele 2010. Derzeit gibt es Aufregung um die Sportanzüge kanadischer Athleten.

(Foto: Foto: AFP)

Natürlich lehnte die kanadische Regierung sofort ab, ebenso das kanadische olympische Komitee. Zwar fürchten viele Kanadier wirtschaftliche Nachteile aus der Ächtung der Robbenjagd - aber bei Olympischen Spielen in Robbenhäuten fürs Robbentöten demonstrieren? Kluge Menschen wissen, welche Schlachten sie auf offener Bühne führen müssen, und welche sie nur in Hinterzimmern gewinnen können.

Politische Anliegen und Olympia

Wollte man die olympische Bewegung als Tier idealisieren, böte sich ein Robbenbaby an. Denn die Olympischen Spiele, obwohl als korrumpiert verschrien, verkörpern immer noch die Sehnsucht nach dem Guten und Unschuldigen. Es liegt also auf der Hand, politische Anliegen mit Olympia zu verknüpfen. Nur muss man wissen, welche kompatibel sind.

Eine kanadische Zeitung reiht die Proteste gegen die Unterdrückung der Tibeter 2008 und die Proteste gegen den EU-Robbenbann als Beispiele unterstützenswerter Anliegen aneinander. Das klingt bizarr und zynisch, ist aber wohl politischer Ahnungslosigkeit geschuldet. Der öffentliche Meinungsstrom gerät indes ins Stocken, wenn zwei politisch korrekte Ziele in Konflikt geraten. Zum Beispiel der Tierschutz mit dem Schutz ethnischer Minderheiten.

Vom Handelsverbot ausgenommen hat die Europäische Union die traditionelle Jagd der Inuit, einer Eskimo-Volksgruppe in Zentral- und Nordostkanada. Man will ihre natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstören. Die Inuit haben angekündigt, am Rande der Spiele gegen ihre unwürdigen Lebensbedingungen zu protestieren, was bestimmt großen Widerhall finden wird. Sie werden dabei aber wohl auch gegen den Robbenjagd-Bann demonstrieren. Sie glauben nämlich nicht, dass die EU politisch korrekte und nicht korrekte Robbenleichen wird unterscheiden können.

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