Olympische Spiele:Von wegen unpolitisch

"Das IOC hat kein politisches Mandat", sagt der stellvertretende IOC-Chef Thomas Bach - und macht es sich damit ziemlich einfach. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Olympischen Spiele nie unpolitisch waren. Eine Bildergalerie

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Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1920

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Antwerpen 1920/Paris 1924

Spätestens der Erste Weltkrieg machte die Olympischen Spiele politisch: Eigentlich war die Veranstaltung für 1916 an Berlin vergeben worden, doch das große Blutvergießen zwischen 1914 und 1918 machte die Pläne zunichte.

Die nächsten Spiele wurden 1920 im belgischen Antwerpen veranstaltet, von denen die Verliererstaaten des Ersten Weltkrieges - Deutschland, Österreich, Bulgarien, die Türkei und Ungarn - ausgeschlossen waren. Auch vier Jahre später in Paris durften deutsche Sportler nicht antreten.

Diese Aufnahme zeigt Läufer bei den Pariser Spielen von 1924.

Texte: Johannes Aumüller und Oliver Das Gupta Foto: dpa

Berlin 1936

Die Entscheidung, die Olympischen Spiele in Berlin (Sommer) und Garmisch-Partenkirchen (Winter) stattfinden zu lassen, fiel noch vor der Machtergreifung Adolf Hitlers und seiner Schergen. Die Vergabe bedeutete eine große internationale Aufwertung Deutschlands. Der Verlierer des Ersten Weltkrieges war, so die Botschaft, wieder in den Kreis der Völkergemeinschaft aufgenommen worden.

Mit Beginn des Nazi-Regimes setzte eine kraftvolle Bewegung gegen die Spiele in Deutschland ein: Eine Gegenolympiade wurde in Barcelona geplant, das US-amerikanische Nationale Olympische Komitee erwog einen Boykott, außerdem wurde auch im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eine Verlegung der Spiele auf die Tagesordnung gesetzt.

Doch es kam anders: Die Gegenspiele wurden wegen Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges abgesagt, die amerikanischen Olympiafunktionäre stimmten knapp (58:56) für eine Teilnahme in Berlin - und das IOC glaubte den Nazis.

Denn Diktator Hitler gab sich lammfromm. Seine Regierung verpflichtete sich, die olympischen Regeln konsequent zu erfüllen und versprach freien Zugang für alle Rassen und Konfessionen in die Olympiamannschaften. In der Tat wurden während der Spiele Maßnahmen gegen Juden ausgesetzt, ein bekennender Kommunist war im deutschen Team, auch durfte beispielsweise das ekelhafte Hetzblatt Der Stürmer in Berlin nicht offen verkauft werden.

Die Spiele wurden ein Propaganda-Coup für Nazideutschland, Leni Riefenstahls verklärender Streifen "Fest der Völker" setzte dem Ganzen ein filmisches Monument. Star der Olympischen Sommerspiele war zum Ärgernis der Nazis jedoch ein schwarzer Amerikaner: Jesse Owens gewann vier Goldmedaillien.

Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1948

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London 1948

Wie bereits nach 1918 warf der Krieg seinen mächtigen Schatten auf die Spiele: Zu Olympia 1948 in der britischen Haupstadt waren Deutschland und Japan nicht eingeladen.

Acht Jahre später kam es zum Boykott der ersten Spiele in "Down Under": Wegen des blutig niedergeschlagenen Ungarn-Aufstandes durch die Staaten des Warschauer Paktes traten Spanien, die Niederlade und die Schweiz in Melbourne nicht an.

Die Aufnahme zeigt die Eröffnungsfeier der Londoner Spiele von 1948 im Wembley-Stadion.

Foto: AP

Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1956

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Cortina und Melbourne 1956/Squaw Valley und Rom 1960/Innsbruck und Tokio 1964

Wer sich durch die Medaillenspiegel aller Olympischen Spiele sucht, stößt unter Umständen auf eine etwas merkwürdige Abkürzung. "Deutschland EUA" steht dort geschrieben. EUA bedeutet Équipe unifiée d'Allemagne, also die Gesamtdeutsche Mannschaft, und meint den Umstand, dass 1956, 1960 und 1964 die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Reublik gemeinsam antraten.

Bei den Spielen in Melbourne 1956 (siehe Bild) benutzte man noch die normale schwarz-rot-goldene Flagge. Ab 1960 starteten die Sportler aus West und Ost dabei unter einer gemeinsam Flagge (Schwarz-Rot-Gold mit den olympischen Ringen in der Mitte) sowie mit einer gemeinsamen Hymne (Beethovens neunte Symphonie, die "Ode an die Freude").

Diese Konstruktion war den engen Beziehungen zwischen den Spitzen der westdeutschen Sportpolitik und dem damaligen IOC-Chef Avery Brundage zu verdanken. Die BRD wollte mit aller Macht eine eigenständige DDR-Mannschaft bei Olympia verhindern, was ihr auch bis inklusive der Olympischen Spiele 1964 gelang.

Erst von 1968 an wurde den politischen Realitäten Rechnung getragen. In Grenoble und Mexiko 1968 traten BRD und DDR als zwei getrennte Mannschaften an, hatten aber noch die schwarz-rot-goldene Flagge mit den Olympischen Ringen und Beethovens Ode an die Freude als Hymne. Erst ab 1972 waren die beiden Teams komplett voneinander getrennt.

Foto: AP

Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1968

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Mexiko 1968

Wer weiß, wie die Geschichte der Black-Power-Bewegung verlaufen wäre, wenn es nicht die Olympischen Spiele 1968 in Mexiko gegeben hätte. Ein einziger Wettbewerb reichte der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung aus, um international bekannt zu werden - das 200-Meter-Finale der Herren in der Leichtathletik.

Während der Siegerehrung reckten die afroamerikanischen Medaillengewinner Tommie Smith (Gold) und John Carlos (Bronze) ihre Fäuste mit schwarzem Handschuh in die Höhe, dem damaligen Symbol der Black-Power-Bewegung - eine Demonstration vor Millionen Fernsehzuschauern.

Das IOC setzte die amerikanischen Verantwortlichen daraufhin unter Druck: Entweder sollten sie die beiden Medaillengewinner entlassen oder das ganze Leichtathletik-Team zurückziehen. Man entschied sich für Ersteres. Smith und Carlos mussten noch am selben Tag das olympische Dorf verlassen.

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Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1972

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München 1972

Die Olympischen Sommerspiele in München begannen farbenfroh, friedlich, apolitisch. "Flower Power" prägte die Veranstaltung allerdings nur die ersten Tage.

Ein Kommando der palästinensischen Terrororganisation "Schwarzer September" tötete im olympischen Dorf zwei Mitglieder der Olympiamannschaft Israels und nahm elf andere als Geiseln - um gefangene Gesinnungsgenossen, darunter auch RAF-Terroristen, freizupressen.

Der Befreiungsversuch der Geiseln auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck endete in einem Fiasko: Alle israelischen Sportler starben bei der dilettantisch durchgeführten Aktion, ebenso die fünf Terroristen und ein deutscher Polizist.

Die Aufnahme zeigt einen der vermummten Geiselnehmer im olympischen Dorf.

Foto: AP

Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1980

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Moskau 1980

Der bekannteste Olympia-Boykott geschah bei den Sommerspielen von Moskau 1980 (hier ein Bild von der Eröffnungsfeier). Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan setzte die amerikanische Politik zunächst den amerikanischen Sport unter Druck: Wenn US-Sportler an den Spielen teilgenommen hätten, hätte das finanzielle Konsequenzen gehabt - die Spiele fanden ohne sie statt.

Doch der wahlkämpfende amerikanische Präsident Jimmy Carter ging noch einen Schritt weiter und forderte auch von den Bündnispartnern einen Boykott. Diese Forderung führte in den anderen Ländern der westlichen Welt zu heftigen Diskussionen: Manche Staaten wie Italien, Australien oder die Schweiz ließen ihre Sportler nicht unter Nationalflaggen, sondern unter der olympischen Flagge antreten. Das westdeutsche NOK stimmte nach heftigen Auseinandersetzungen mit 59:40 Stimmen für einen Boykott.

Die Sportler waren enttäuscht von der Entscheidung ihres NOK, weil sie so keine Chancen auf Medaillen hatten. "Das ist das Schlimmste, was einem Athleten passieren kann", sagt der damalige Weltklasse-Handballer und aktuelle Bundestrainer Heiner Brand noch heute.

Foto: dpa

Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1984

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Los Angeles 1984

Die Retourkutsche für das Verhalten der westlichen Welt bei den Spielen 1980 erfolgte nur vier Jahre später in Los Angeles (im Bild der siegreiche Leichtathlet Edwin Moses). Mit Ausnahme Rumäniens blieben alle Staaten des Ostblocks den Spielen fern. Die offizielle Begründung war das Bedenken der Verantwortlichen um die Sicherheit ihrer Sportler.

Die Boykotts von Moskau und Los Angeles sind zwar die bekanntesten, doch längst nicht die einzigen. Seit 1928 gab es bei fast allen Olympischen Spielen Sportler oder Nationen, die dem Großereignis fernblieben. 1928 verzichteten britische Leichtathletinnen auf den Start, weil statt der versprochenen zehn Disziplinen für Frauen nur fünf im Programm standen. Die Spiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen fanden wegen Streitigkeiten über den Amateur-Status ohne österreichische und schweizerische Ski-Athleten statt.

Wegen der sowjetischen Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstandes sowie der Suez-Krise waren bei den Olympischen Spiele 1956 die Niederlande, die Schweiz, Spanien, Ägypten, Irak, Kambodscha und Libanon nicht dabei. In den sechziger Jahren forderten afrikanische Staaten mit Erfolg den Ausschluss Südafrikas. Die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona waren seit 1972 die ersten, die von keinem Staat boykottiert wurden.

Foto: dpa

Sport Sportpolitik Olympische Spiele 1988

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Seoul 1988

Die Spiele von 1988 fielen in die letzte Phase des Ost-West-Konfliktes, der früh und furchtbar auch in Korea aufgeflammt war und zu seiner Teilung geführt hatte. Nun sollten die Sommerspiele in Seoul, der Hauptstadt des Südkoreas, stattfinden.

Seit der Vergabe gab es Gespräche über die Schaffung einer gemeinsamen Delegation, die allerdings ohne Ergebnis blieben.

Das stalinistische Nordkorea boykottierte die Spiele. Begründung: Das Land sei nicht als Ko-Gastgeber berücksichtigt worden. Aus Solidarität blieben neben Äthiopien auch die sozialistischen Staaten Kuba und Nicaragua fern.

Diese Aufnahme zeigt den inzwischen legendären 100-Meter-Lauf der Spiele in Seoul. Ben Johnson (re.) sprintete in Weltrekordzeit - und wurde kurz danach des Dopings überführt.

Foto: AP

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