Olympische Spiele:Macht und Ohnmacht im Vogelnest

Protest war gestern: Ein Rekordaufgebot an Staatsgästen wird bei der pompösen Eröffnungsfeier am Freitag dem chinesischen Regime die Ehre geben.

Josef Kelnberger

Weil die Hoffnung erst ganz zuletzt stirbt, hat Israels Präsident Schimon Peres für diese Olympischen Spiele zur Feder gegriffen und ein Gedicht verfasst.

Olympische Spiele: China demonstriert Macht - vor und im "Vogelnest".

China demonstriert Macht - vor und im "Vogelnest".

(Foto: Foto: dpa)

"Bunte gefiederte Vögel/singen gemeinsam/Eine Hymne der Hoffnung im Vogelnest."

Mit dem "Vogelnest" ist das neue Nationalstadion gemeint, in dem an diesem Freitag, dem 8. August, um acht Minuten nach acht Uhr abends - ein Tribut an die chinesische Glückszahl acht - die Eröffnungsfeier beginnen wird. Peres schreibt in seinem poetischen Grußwort an die chinesische Führung von schwindenden Grenzen und geöffneten Käfigen. "Geht heim mit einem Olivenzweig im Mund: zusammen in Harmonie."

Der 85-Jährige reist als Staatsgast zur Eröffnungsfeier nach Peking. Er komme nicht wegen der politischen Defizite Chinas, sagte Peres, sondern weil es in dem Land auch Fortschritte gebe. Er wird in guter Gesellschaft sein auf der Tribüne des Nationalstadions. Die Frage ist nur, ob das Massenaufgebot an politischer Prominenz, das der olympischen Bewegung und damit dem chinesischen Regime die Ehre gibt, aus ähnlich moralischen Erwägungen wie Peres kommt - oder ob es sich um einen kalten Sieg der Realpolitik handelt. Allzu viel Anlass zur Hoffnung hat Chinas Führung dem Rest der Welt nicht gegeben, sie werde aus Anlass der Spiele in Fragen der Menschen- und Bürgerrechte einlenken.

Das einwohnerreichste und bald vielleicht auch wirtschaftlich stärkste Land der Welt empfängt zur Eröffnungsfeier mehr als 80 Staats- und Regierungschefs; nie zuvor konnte ein Gastgeber Olympischer Spiele so viele Mächtige aus aller Welt begrüßen. Im Frühjahr war anlässlich des Fackellaufs eine Welle der Empörung über die Niederschlagung des Aufstands in Tibet durch Europa und die USA gegangen, von Boykott war die Rede.

Nun reist US-Präsident George W. Bush als Anführer der westlichen Welt nach Peking. Er kritisierte auf dem Weg zu seinem mehrtägigen Besuch Chinas Menschenrechtsverletzung und gab sich "tief besorgt", aber die Rede war wohl mehr für das heimische Publikum gedacht. Ein Sprecher von Chinas Staatspräsident Hu Jintao wies Bushs Kritik auch eher moderat zurück.

Europas Politik reiht sich ein beim Aufmarsch im Vogelnest. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte seinen Besuch lange offengelassen, nun reist er als Ratspräsident der Europäischen Union an und dementierte zur Freude der Gastgeber, er wolle demnächst den Dalai Lama treffen. Vor seinem Abflug verlieh Sarkozy den Chinesen noch eine rhetorische "Goldmedaille" für die perfekte Organisation der Spiele.

Merkel kommt nicht

Im Namen der deutschen Regierung kommt - allerdings erst nach der Eröffnungsfeier - der für den Sport zuständige Innenminister Wolfgang Schäuble. In den Terminplan von Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Feier angeblich nicht gepasst, es hat sich aber ihr Vorgänger in Peking angesagt. Gerhard Schröder erklärte dazu: "Wir sollten dem Land Respekt zollen."

Mit den Olympischen Spielen feiert die chinesische Führung auch das 30. Jubiläum der wirtschaftlichen Öffnung Richtung Westen, die von Deng Xiaoping nach der Kulturrevolution eingeleitet wurde und das Reich in einen epochalen gesellschaftlichen Wandel stürzte. Die Eröffnungsfeier, von Regisseur Zhang Yimou inszeniert, soll mehrere tausend Jahre chinesische Kultur in dreieinhalb Stunden bündeln und eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne herstellen.

Eine gigantische Selbstdarstellung, mit der die Kommunistische Partei sich vor der Welt in Szene setzen, vor allem aber den Machtanspruch gegenüber dem eigenen Volk legitimieren will. Wie Ironie wirkte die Mahnung von Staatspräsident Hu Jintao an den Westen, diese Spiele nicht zu politisieren. Hu wird seine Amtskollegen aus aller Welt an diesem Freitag vor der Eröffnungsfeier in der Großen Halle des Volkes am Tiananmen-Platz zu einem Diner empfangen.

Macht und Ohnmacht im Vogelnest

Die Proteste gegen diese Spiele werden dabei wohl keine Rolle spielen. Neben Menschenrechtsgruppen und Organisationen der Minderheiten in der Volksrepublik meldeten sich nun auch 40 Olympia-Sportler zu Wort. Sie unterschrieben einen offenen Brief an Hu Jintao, in dem die Einhaltung der Menschenrechte sowie eine friedliche Lösung der Tibet-Frage gefordert wird. Insgesamt unterstützen mehr als 100 Athleten die auch im Internet (www.sportsforpeace.de) veröffentlichte Petition, unter ihnen auch deutsche Olympiasieger wie Kathrin Boron (Rudern), Yvonne Bönisch (Judo) oder Weltmeister Christian Schwarzer (Handball). Im Rahmen der Spiele erlaubt das Internationale Olympische Komitee den Athleten aber keine politischen Äußerungen.

Beim Einmarsch zur Eröffnung werden 205 Nationale Olympische Komitees vertreten sein; Süd- und Nordkorea treten jedoch wieder getrennt auf - ein Rückschritt und weiteres Zeichen dafür, wie begrenzt der politische Einfluss des IOC ist.

Und so hat sich die Hoffnung auf freudige Spiele in Peking vor der Eröffnungsfeier verflüchtigt. Chinas Führung strebt nun "sichere Spiele" an. 80000 staatliche Sicherheitskräfte sind im Einsatz, offenbar unterstützt von hunderttausend Helfern aus dem Volk. Offiziell sollen sie die Gefahr von Terroranschlägen abwehren, aber größer ist wohl die Angst des Regimes, das olympische Feuer im Pekinger Nationalstadion könne die eigenen Bürger zu Protesten ermuntern.

Wer das Feuer entzünden darf, bleibt wie immer bis zuletzt ein Geheimnis. Fest steht aber, dass der Zeremonie an der Seite von Schimon Peres wenigstens Robert Mugabe nicht beiwohnen darf. Chinas Führung hat den Diktator von Simbabwe, einen engen Verbündeten, offenbar in Hongkong abgefangen.

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