Olympische Spiele in Peking:Wie die Bienen

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Die deutschen Hockey-Frauen unterliegen in einem ungewöhnlichen Spiel dem laufstarken Gastgeber China im Halbfinale mit 2:3.

Thomas Becker und Jürgen Schmieder

Nach 58 Spielminuten blieben die chinesischen Hockey-Frauen stehen - zum ersten Mal in diesem Spiel und auch nur, weil die Schiedsrichterin es so anordnete. Es gab eine Nachbetrachtung auf Video, um zu versichern, dass beim Führungstreffer zum 3:2 für die chinesische Mannschaft alles mit rechten Dingen zuging. Die deutschen Frauen hatten gefährliches Spiel moniert - was die Unparteiischen nach der Ansicht des Videos nicht bestätigten.

Janine Beermann (r.) kann die Tränen nicht zurückhalten, ihre Kolleginnen versuchen, sie zu trösten. (Foto: Foto: Reuters)

Es war der Siegtreffer für die chinesische Mannschaft in diesem Halbfinale, das nur von den äußeren Umständen und den Organisatoren an Kuriosem überboten wurde. Während der Halbzeitpause wurden die Flutlichter hell erleuchtet, obwohl irgendwo die Sonne scheinen sollte, das Nationalstadion am Horizont sah aus wie ein Kohlekraftwerk - und aus den Lautsprechern dröhnte der Neue-Deutsche-Welle-Hit "Flieger, grüß mir die Sonne".

Nach diesen ersten 35 Minuten hatte es noch 1:1 zwischen Deutschland und China gestanden, das verfrühte Einschalten des Flutlichtes und das Abspielen des "Extrabreit"-Songs passten zu diesem Spiel. Nach vier Minuten Spielzeit war die deutsche Mannschaft in Führung gegangen, Rekordnationalspielerin Natascha Keller drosch den Ball im Fallen ins Tor.

Danach allerdings konnte man den Eindruck gewinnen, dass Bundestrainer Michael Behrmann seinen Akteuren verboten hatte, die gegnerische Spielhälfte zu betreten. "Wir dürfen das Gerenne der Chinesinnen nicht mitmachen, wir müssen kontrolliert spielen und sie überraschen", hatte er vor dem Spiel gesagt. Seine Spielerinnen taten das Gegenteil: Sie liefen den Gegnerinnen hinterher, schlugen die Bälle unkontrolliert nach vorne und für die einzige Überraschung sorgte Torfrau Christina Reynolds, die gefährliche Schüsse der Chinesinnen mit unfasslichen Reflexen parieren konnte. Erst durch eine Strafecke kurz vor der Halbzeit fiel der Ausgleich.

"Wir hätten ihnen früher den Spaß am Spiel nehmen müssen", sagte Marion Rodewald nach dem Spiel. Mandy Haase ergänzte: "Wir haben schon gezeigt, dass wir gewinnen wollen, deshalb sind wir jetzt sehr enttäuscht. Aber es geht ja noch um Bronze und das ist ja auch etwas."

Nach der ungewöhnlichen Pausen-Show verfolgten die Zuschauer zunächst eine Kopie der ersten Halbzeit. Wieder erzielten die deutschen Frauen ein frühes Tor, wieder mussten sie danach den laufstarken Chinesinnen beim Kombinieren zusehen. Die wenigen Entlastungsangriffe wurden unterbunden, weil eine deutsche Spielerin jeweils von drei Gegnerinnen attackiert wurde. Man war als Zuschauer versucht, einmal nachzusehen, ob da wirklich nur elf Chinesinnen auf dem Feld standen. Tatsächlich, alles in Ordnung. Irgendwie fühlte man sich erinnert an das Fußballspiel zwischen Russland und Holland bei der Fußball-EM, als die russischen Spieler liefen, als hätte man ihnen vorher einen Zaubertrank eingeflößt.

Der einzige Unterschied zur ersten Halbzeit: Der Ausgleich fiel bereits nach zehn Minuten - wieder nach einer Strafecke. So wenig das Zusammenspiel bei den deutschen Akteuren funktionierte, so sehr arbeiteten die beiden deutschen Fanblöcke im Stadion zusammen. Auf der einen Seite saßen Olympiateilnehmer anderer Sportarten - Basketballer Nowitzki und Handballer Schwarzer etwa -, auf der anderen die deutschen Fans. Sie brüllten sich Anfeuerungsrufe entgegen - was die wie Bienen ausschwärmenden Chinesinnen wenig beeindruckte. Wie schon in der ersten Halbzeit musste Reynolds zahlreiche Schüsse abwehren.

Nach 58 Minuten gab es dann diese Szene, in der die Chinesinnen zum ersten Mal nicht über das Spielfeld wuselten - und die dieses Spiel entschied. In den verbliebenen zwölf Minuten fehlte der deutschen Mannschaft schlicht und einfach die Kraft, um gegen die außergewöhnlich fitten Chinesinnen noch den Ausgleich erzielen zu können. "Irgendwann wird man natürlich müde", sagte Torfrau Christina Reynolds nach dem Spiel.

Und während die deutschen Spielerinnen nach der Schlussirene erschöpft auf den Kunstrasen fielen, tollten die Chinesinnen auf dem Spielfeld herum, als könnten sie gleich noch ein Partie mit dieser Intensität absolvieren.

Deutschland - China 2:3 (1:1)

Deutschland: Reynolds (Harvestehuder THC) - Müller (MHC Laren), Haase (Mannheimer HC) - Bachmann (Eintracht Braunschweig) - Kühn (Eintracht Braunschweig), Rinne (HDM Den Haag), Müller-Wieland (Uhlenhorster HC), Rodewald (Rot-Weiß Köln) - Keller (Berliner HC), Stöckel (Rot-Weiß Köln), Beermann (Nijmegen MHC). Eingewechselt: Schütze (Rot-Weiß Köln), Hoffmann (Rot-Weiß Köln), Scholz (Münchner SC), Eidmann (Rot-Weiß Köln), Heinlein (Club an der Alster)

China: Zhang - Zhou, Ma, Li Shuang - Cheng, Li Hongxia, Song, Chen Zhaoxia - Gao, Fu, Tang. Eingewechselt: Chen Qiuqi, Huang, Ren, Zhao

Schiedsrichterinnen: De la Fuente/Ashton-Lucy (Argentinien/Australien)

Tore: 1:0 Keller (4.), 1:1 Gao (31.), 2:1 Beermann (36.), 2:2 Ma (39./Strafecke), 2:3 Zhao (58.)

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