Olympische Spiele in Peking:Später Dank an Coubertin

Lena Schöneborn gewinnt Gold im Modernen Fünfkampf, dem liebsten Sport des Gründers der Spiele.

Thomas Becker

Am Ende wurde noch ein Sechskampf daraus, und es sah fast so aus, als sei die letzte Disziplin die anstrengendste des Tages: der Kampf gegen die Tränen. Als die deutsche Hymne erklang und die drei Fahnen in angemessener Geschwindigkeit ans Ende der Fahnenstange gezogen wurden, da hatte Lena Schöneborn eine richtig harte Zeit. Olympiasiegerin im Modernen Fünfkampf war sie gerade geworden, mit 22. Die erste Deutsche seit 1936. Unter die ersten Sechs, hieß das offizielle Ziel, "wenn alles läuft, vielleicht eine Medaille", erzählt Nationaltrainerin Kim Raisner. Und jetzt steht Lena Schöneborn auf dem schönsten Platz des Treppchens und kämpft. Aber auch diesen Kampf wird sie gewinnen.

Olympische Spiele in Peking: Lena Schöneborn beim Fechten.

Lena Schöneborn beim Fechten.

(Foto: Foto: dpa)

Klaus Schormann macht sich keine Sorgen um die junge Berlinerin. Er kennt sie von klein auf, "seit sie zehn ist", sagt er. Schormann ist der Präsident des deutschen und internationalen Verbandes für Modernen Fünfkampf. "Sie ist eine hochintelligente Dame, die sich in Szene zu setzen weiß", sagt er über die Olympiasiegerin, "sie kann eine wunderbare Botschafterin für unseren Sport sein." Schormann trägt trotz drückender Hitze dunklen Anzug und Krawatte. Er sagt: "Warum sollte man das Kind von Coubertin nicht mehr in den Mittelpunkt der Spiele rücken?"

Das Kind von Coubertin, das ist der Moderne Fünfkampf. "Ein besonderer Sport", wirbt Schormann, "ein Sport mit einer Wertigkeit von Rolls Royce oder Rolex." Auch Klaus Schormann ist als Botschafter für seinen Sport unterwegs. Eigentlich ist er das immer. Der Moderne Fünfkampf hat es nämlich nötig. Immer wenn es darum geht, Sportarten aus dem olympischen Programm zu streichen, steht der Fünfkampf zur Diskussion.

In der Pressekonferenz nach der Siegerehrung muss Lena Schöneborn zunächst zugeben, dass sie "nie gedacht hätte, dass ich in so kurzer Zeit mit so viel Interesse überhäuft würde". Da war ihr Olympiasieg gerade mal ein paar Minuten alt. Als Trainingsprogramm für Soldaten galt der antike Fünfkampf einst als Höhepunkt Olympischer Spiele. Laufen, Springen, Speerwurf, Diskuswurf und Ringen lautete im Jahr 708 vor Christus das Programm. Seit 1912 ist der Kombinationswettkampf aus Schießen, Fechten, Schwimmen, Reiten und Laufen olympisch - allerdings erst nach langen Kämpfen Coubertins, der sich schwer tat, seine IOC-Kollegen von der Attraktivität dieses Sports zu überzeugen. Bis 1980 wurde der Wettbewerb wenig zuschauerfreundlich über fünf Tage ausgetragen. Danach fasste man zwei Disziplinen zusammen, um zumindest nach vier Tagen den Sieger küren zu können. Erst 1996 in Atlanta fanden dann alle Wettbewerbe an einem Tag statt. Prompt waren die Stadien fast immer voll. Seit acht Jahren dürfen nun auch die Frauen bei Olympia ihre Beste ermitteln.

Und die heißt nun Lena Schöneborn. Studentin in Business Administration. Kommt vom Schwimmen, von der SpVggLülsdorf-Ranzel in Niederkassel. Startet jetzt für SSF Bonn 1905. Ist erst seit acht Jahren dabei. Holte vor drei Jahren den Junioren-Weltmeistertitel im Einzel und mit der Staffel. Bei den Erwachsenen WM-Zweite 2007 in Berlin. Weltranglisten-Dritte. Olympiasiegerin.

Danach hatte es zunächst nicht ausgesehen. Ihr Wettkampftag in Peking hatte "eher mittelmäßig" begonnen, analysierte Trainerin Kim Raisner. Rang 20 nach Disziplin eins: Schießen, Luftpistole. "Fechten und Schießen ist tagesformabhängig", sagt Schöneborn, "das musste ich schnell abhaken." Dafür ging es brillant weiter: Mit 28 Siegen bei acht Niederlagen stellte sie im Fechten einen olympischen Rekord auf. Raisner erklärte: "Sie ficht schon gut, aber diesmal war es richtig gut." Die Athletin selbst meinte: "Ich hatte gutes Tempo und eine gute Spitze." So reden sie, die Fünfkämpfer.

Auch im 200-Meter-Freistil-Schwimmen schaffte sie persönliche Bestleistung: "Drei Sekunden schneller", jubelt Raisner. Auch mit dem "Risiko Pferd" (Schöneborn) kam sie blendend zurecht: Erst 20 Minuten vor dem Start wird den Sportlern ein Pferd zugeteilt, Xingxing hieß es. "Wenn wir mit einem Abwurf rauskommen, ist es gut", hatte die Trainerin gemutmaßt. Ein Abwurf, geschafft. "Damit war eine Medaille eigentlich sicher", so Raisner. Denn im 3000-Meter-Rennen zählt die schlanke Berlinerin "zu den sechs Besten der Welt" (Raisner).

Zehn Sekunden vor der Britin Heather Fell lief sie ins Ziel, die gefürchtet starke Läuferin Victoria Tereschuk konnte die beiden nicht mehr gefährden. Nur diese Sache mit der Hymne und der Fahne, die war dann für Lena Schöneborn nochmal richtig anstrengend.

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