Olympische Spiele in Peking:Lustiges Leben im Dorf

Mehr als 10.000 Sportler leben im olympischen Dorf zusammen. Man bekommt sie alle zu Gesicht - auch die ungefähr sechzehnjährigen Olympiasiegerinnen im Turnen.

Thomas Becker, Peking

Paul Gasol kann sich nicht entscheiden. Es ist ja auch schwierig. Mit seinem Bruder Marc steht er in der Kitsch- und Nippes-Abteilung. Paul und Marc fallen auf. Sie sind beide 2,16 Meter groß und NBA-Stars, der eine bei den Los Angeles Lakers, der andere bei den Memphis Grizzlies. Mit ihrer spanischen Basketball-Mannschaft spazierten sie bisher problemlos durchs Turnier, aber hier in der Souvenirecke tun sie sich echt schwer. Irgendwas muss man ja mitbringen von Olympia in Peking.

Olympische Spiele in Peking: Das Olympische Dorf in Peking.

Das Olympische Dorf in Peking.

(Foto: Foto: AFP)

Sie entscheiden sich schließlich für einen unglaublich hässlichen Wandteller in Gold: Olympia-Maskottchen mit Fackel in der Hand vor dem Birds Nest. Kostenpunkt: 398 Yuan, ungefähr 39,80 Euro. Sie nehmen gleich zwei Teller mit - was man hat, hat man. Willkommen im Souvenirladen des olympischen Dorfes!

Mehr als 10.000 Sportler leben während der zwei Wochen Olympia in einem Dorf zusammen. Es ist ein großes Dorf: 66 Hektar. Und es liegt ziemlich weit weg vom Zentrum Pekings. Etwa eine Dreiviertelstunde fährt man mit dem Taxi - wenn man überhaupt eins bekommt und dem Fahrer klarmachen kann, wo man hin will. Deswegen haben die Organisatoren das olympische Dorf so perfekt konzeptioniert, dass die Sportler eigentlich gar nicht raus müssen.

Sitzen und quatschen

Zur so genannten internationalen Zone, die Teil des Dorfes ist, haben nicht nur Sportler Zutritt, sondern auch Journalisten und andere Gäste. Es ist eine kleine Container-Stadt mit Internet-Center, Blumenladen, Reinigung, Friseur, Bank, Post, Supermarkt - alles, was Athlet so braucht. Wer seine Wettkämpfe hinter sich hat und mal was anderes als Sport sehen will, kann sich im Touristen-Büro informieren. Wer in eins der Stadien will, hat ein Problem. Am Ticket-Office hängt die schnöde Meldung "Alle Veranstaltungen an allen Tagen ausverkauft".

Spricht man mit Sportlern über ihre Olympia-Erfahrungen, kommen viele bald auf die Atmosphäre im olympischen Dorf zu sprechen. Dirk Nowitzki erzählt von dem wunderbaren Gefühl, mit zigtausend anderen Sportlern in der Mensa zu sitzen und zu quatschen. Die meisten Athleten bleiben die komplette Zeit über im Dorf; Frühheimkehrer wie Britta Steffen sind eher die Ausnahme. Und fast alle sind voll des Lobes über die Infrastruktur des Dorfes, wie eine Umfrage ergab. Nur die australische Bronzemedaillegewinnerin Emma Moffatt hatte etwas zu Meckern: "Es müsste mehr von diesen Golf-Buggies geben. Ich will nicht immer so weit gehen." Die Frau ist Triathletin.

Bis zur Einkaufsmeile schaffen es aber doch sehr viele. Im Souvenirladen herrscht Gedränge, nicht nur in der Kitsch-Ecke bei den Gasol-Brüdern. Im weiteren Angebot: Tassen, Schlipse, Stofftiere, Baseballkappen, Sonnenbrillen und anderer Kram. Martin Heuberger, Co-Trainer der deutschen Handballer, stöbert in der T-Shirt-Abteilung rum, eine lange russische Volleyballerin kämpft mit unbekannten Kleidergrößen. Ein paar Meter weiter werden chinesische Kunstwerke angeboten, die Nachfrage hält sich jedoch in Grenzen. Sogar die Sprache kann man im Dorf lernen: Im "Chinese Learning Center" werden Kurse zu Themen wie "Tägliche Konversation", "Schönheit des chinesischen Charakters" oder "Olympisches Chinesisch" angeboten.

Was sonst noch los ist im Dorf, können die Sportler in einer eigenen Zeitung nachlesen: "Village Life", ein buntes DIN A3-Heftchen, erzählt Geschichten aus dem Dorf und informiert über Kommendes: den Zeitplan für den Spiele-Raum (Samstag: Air Hockey, Sonntag: Tischfußball) oder die Filmauswahl für die DVD-Lounge mit den 20 Bildschirmen (Tipp des Tages: "Shaolin Si" von Regisseur Wong Fei Hung, 1982). Jeden Tag wird ein chinesisches Schriftzeichen erklärt, und auch die 32 Geburtstagskinder werden aufgelistet und beglückwünscht, Weltrekordler Usain Bolt genauso wie Mohd Khalmizam Wan Ab Aziz aus Malaysia oder Gilbert Lenin Castillo aus der Dominikanischen Republik.

Gedränge im "Pin Trading Center"

Die hübschen Bedienungen im chinesischen Teehaus geben derweil in ihren eleganten Seidenkleidern zwar ein wunderschönes Bild ab, sind jedoch arbeitslos: nix los am Nachmittag. Dafür ist das Café nebenan gut besucht. In riesigen Sofas kann man hier zu Jazz- oder Beatles-Untermalung einen recht ordentlichen Cappuccino genießen und sich am Zeitungskiosk mit Lektüre eindecken - die drei verfügbaren deutschen Tageszeitungen sind allerdings zwei Tage alt.

Eine der Hauptattraktionen neben dem imposanten Tempel des Dorf-Bürgermeisters und den stets autogrammwilligen Sportlern ist das "Pin Trading Center". Das Handeln und Tauschen von Olympia-Ansteckern ist der Renner unter Athleten, Funktionären und Touristen. Die Bänder, die die Akkreditierungen am Hals halten, sind voll mit den Pins der verschiedenen Nationen. Als Deutscher tut man sich schwer: Im internationalen Vergleich ist der Anstecker des Deutschen Olympischen Sportbundes eher unsexy. Da geht es bei anderen Verbänden schon farbenfroher zu.

Egal, die Pin-Tauscherei ist in, sogar die chinesischen Wunderturnerinnen machen mit. Das "Pin Trading Center" ist plötzlich voller Neugieriger, als zwei der ungefähr sechzehnjährigen Olympiasiegerinnen zu Besuch kommen, Sonnenbrille auf der Nase, Baseballkappe auf dem Köpfchen. "Sie sind so klein", sagt ein Tourist. Das sind sie. Jeder will ein Foto mit den Gold-Kindern, jeder bekommt eins. Es dauert, bis sie sich endlich die Pins anschauen können. Sie können sich nicht entscheiden. Es ist ja auch schwierig. Shopping-Stress bei Olympia.

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