Olympiasieger Ole Einar Björndalen:Eine Legende, endgültig

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Ein Sieg zum Genießen: Biathlet Ole Einar Björndalen

(Foto: AFP)

40 ist Ole Einar Björndalen im Januar geworden. Trotzdem läuft er in Sotschi seinen weitaus jüngeren Gegnern davon und gewinnt Biathlon-Gold im Sprint. Die Konkurrenz reagiert ungläubig - doch der Norweger ist von sich selbst wenig überrascht.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Martin Fourcade schnaufte kräftig durch. Der Franzose zögerte, blickte auf seine Schuhe, schnaufte nochmal durch. Wie er sich die Leistung des neuen Olympiasiegers erklären könne, wurde er gefragt. Als Fourcade seine Worte wiederfand, gestand er auf Englisch: "He's a legend."

Eine Legende also.

Der erste Biathlon-Olympiasieger von Sotschi heißt tatsächlich Ole Einar Björndalen. Das überrascht allein mit Blick auf das Geburtsdatum des Norwegers: 27. Januar1974 steht da geschrieben, kurz nachgerechnet: Björndalen ist wirklich schon 40. Für einen Sportler ein ziemlich alter Mann. Trotzdem hat er es all den Jüngeren gezeigt.

Vielleicht war Björndalen schon vorher eine Legende. Er dominiert den Sport schließlich seit anderthalb Jahrzehnten, ist der erfolgreichste Biathlet, den die Sportart bisher hergebracht hat. Sein erstes Olympia-Gold gewann er vor 16 Jahren in Nagano, damals ebenfalls im Sprint.

Mit Gold Nummer sieben hat er seinen Zustand nun zementiert. Nur noch ein Titel und er zieht mit dem Langläufer Björn Daehlie gleich, der anderen norwegischen Wintersport-Legende. "Dieses Gold ist mir sehr wichtig", sagte Björndalen, "ich bin in bester Form in diesem Jahr". Das Rennen habe er sich zudem "sehr gut aufgeteilt". Dies sei der Schlüssel gewesen.

Seine Beine funktionieren irrwitzig gut

Das klingt fast zu banal, denn es war eine Demonstration, die Björndalen auf der selektiven Strecke hinlegte. Die Piste in Krasnaja Poljana gilt als schwierig, mit giftigen Anstiegen und kurvigen Abfahrten, ohne Möglichkeit zur Erholung. "Meine Beine haben mir geholfen", sagte Björndalen, schon wieder so eine banale Erklärung. Vor allem auf der letzten Runde, als er sich ganz nach vorne schob, funktionierten seine Beine irrwitzig gut.

Auf Platz zwei landete der Österreicher Dominik Landertinger (1,3 Sekunden zurück), Dritter wurde der Tscheche Jaroslav Soukop (5,7 Sekunden). Beide blieben am Schießstand wohlgemerkt fehlerfrei - Björndalen nicht, er patzte einmal stehend. Doch er konnte die Strafrunde einfach weglaufen. Den beiden Goldfavoriten Fourcade und Emil Hegle Svendsen, die ebenfalls in die Runde mussten, nahm er sogar 12,4 beziehungsweise 29,3 Sekunden ab. Beide hatten keine Chance.

Auch alle anderen Konkurrenten trauten beim Blick auf die Anzeigetafel ihren Augen nicht. Arnd Peiffer, der wie die anderen deutschen Starter enttäuschte, hatte beispielsweise gar nicht mitbekommen, dass Björndalen stehend einen Fehler geschossen hatte. Als er von den Presseleuten aufgeklärt wurde, entfuhr ihm: "Unfassbar! Ich dachte, er hätte wenigstens Null geschossen."

Björndalens Explosion im hohen Alter lässt sich wohl am ehesten in seiner beneidenswerten Gabe zur Fokussierung erklären. Er konnte schon immer härter arbeiten als andere, härter trainieren. Nach einem enttäuschenden Jahr 2013 erlebte er diesmal zudem eine verletzungsfreie Vorbereitung. Es gehe ihm gut, sagte Björndalen schon vor Olympia. Und alt, nein, alt fühle er sich schon gar nicht. Mit Doping wurde Björndalen übrigens Zeit seiner Karriere nie direkt in Verbindung gebracht, zudem pflegt er einen sehr transparenten Umgang bei diesem Thema. Auch wenn Leistungen wie diese schnell unter Generalverdacht stehen, Björndalen galt bislang immer als sauberer Athlet.

Die Konkurrenz ließ Björndalen am Samstagabend unter Flutlicht fassungslos zurück. Und wenn es einer Nation dabei besonders schlecht erging, dann wohl den Deutschen. Sie hatten mit einer Medaille geliebäugelt, unter der Prämisse, dass "alles passt", wie Bundestrainer Uwe Müßiggang sagte. Doch es passte erstaunlich wenig. Müßiggangs Männer haderten wahlweise mit schweren Beinen und Unkonzentriertheiten am Schießstand, die besten Ergebnisse lieferten noch Simon Schempp auf Rang 15 und Erik Lesser auf Platz 21. Peiffer (Rang 34) und Christoph Stephan (Platz 58) verpassten ihre Ziele komplett.

"Ich schäme mich ein bisschen", sagte Stephan und sah fürchterlich dabei aus. Den großen Rückstand auf Björndalen wollte er jedoch nicht persönlich nehmen. "Es geht dem ganzen Feld so, dass hier ein 40-Jähriger gewinnt", sagte Stephan. Für einen kurzen Moment fand er sein Lächeln wieder. Wenn auch nur eines der ungläubigen Art.

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