Rugbyspieler aus Fidschi:Wie Jarryd Haynes' Olympia-Traum zerplatzte

Former San Francisco 49ers player Jarryd Hayne during the HSBC World Rugby Sevens Series match betwe

Das größte Hindernis war die Zeit: Von zwei US-Akteuren ließ sich Jarryd Hayne bei seinem Einsatz für die Fidschis jedenfalls nicht aufhalten.

(Foto: imago/BPI)

Rugbyspieler Jarryd Hayne hat für sein Olympia-Vorhaben auf Millionen verzichtet. Dass selbst er scheiterte, zeigt, wie anspruchsvoll das neue Siebener-Rugby ist.

Von Joachim Mölter

Ruhm und Geld sind zwei der wichtigsten Antriebsfedern für Sportler, aber wenn es Jarryd Hayne nur darum gegangen wäre, hätte er gar nichts mehr tun müssen. In seiner Heimat Australien war der 28-Jährige einer der bekanntesten Rugby-Spieler, von der National Rugby League (NRL) zweimal zum Spieler des Jahres gekürt, 2009 und 2014; von den Fans wegen seiner Schnelligkeit mit dem Spitznamen "The Hayne Plane" ausgestattet - "Hayne, das Flugzeug". Zuletzt bot ihm sein Klub, die Parramatta Eels, einen Fünfjahresvertrag an, dotiert mit insgesamt 6,75 Millionen US-Dollar - ein Fünftel des ganzen Spieleretats, für ihn allein.

Hayne schlug das Angebot aus, um in der US-amerikanischen Profiliga NFL American Football zu spielen. Obwohl er das noch nie gemacht hatte, bekam er vor einem Jahr von den ruhmreichen San Francisco 49ers gleich einen Dreijahresvertrag, der rund 1,6 Millionen Dollar wert war - außergewöhnlich viel für einen völlig ungeübten Neuling. Aber er hatte mit seinem Talent selbst die Routiniers im Trainingslager beeindruckt. "Ein phänomenaler Athlet", schwärmte der damalige 49ers-Spielmacher Colin Kaepernick: "Es sieht nicht so aus, als müsste er viel lernen." Der Running Back Reggie Bush bestätigte: "Er könnte gleich morgen mit uns spielen."

"Was hat er da bloß vor?", fragte eine Zeitung verwundert

Jarryd Hayne, 1,88 Meter groß und 100 Kilo schwer, hat tatsächlich eine Saison bei den 49ers mitgespielt und es wegen seines ungewöhnlichen Werdegangs auch in den USA zu einiger Prominenz gebracht. Aber im Mai erklärte er sein Football-Abenteuer für beendet. Er habe eine neue Herausforderung entdeckt, erklärte er: Er wolle bei den Olympischen Spielen in Rio dabei sein. Im Siebener-Rugby, einer neu ins Programm aufgenommenen Disziplin. Für Fidschi, einen nur 850 000 Einwohner zählenden Inselstaat im Südpazifik. Für einen Lohn, "der geringer ist als der eines Teenagers bei einem McDonald's in Sydney", wie The Fiji Times bemerkte.

"Was hat er da bloß vor?", fragte die englische Zeitung Guardian verwundert.

"Mein Vater kommt von den Fidschis", erklärte Hayne allen Menschen außerhalb Australiens, die das nicht wussten, "wir haben früher viele Partien von Waisale Serevi und William Ryder zusammen geschaut", zwei der besten Siebener-Spieler der Rugby-Historie: "Ich habe immer geträumt, einmal Siebener-Rugby für die Fidschis zu spielen", versicherte Hayne.

Man kann sein Vorhaben als Annäherung an seinen Vater sehen, an Manoa Thompson, einen früheren Rugby-Profi, der Hayne, seine australische Mutter und zwei Geschwister irgendwann verlassen hat. Als Versuch, zu seinen Wurzeln zu finden, die Thompson einst gekappt hat.

Es ist aber mehr als das. Es hat auch mit dem Streben eines Leistungssportlers zu tun, der etwas Außergewöhnliches erreichen will. Eine persönliche Bestmarke. Oder etwas noch nie Dagewesenes.

Denn das war es, was Jarryd Hayne im Mai angekündigt hatte - etwas noch nie Dagewesenes: Er wollte innerhalb von nur 82 Tagen, die ihm da noch bis zur olympischen Eröffnungsfeier blieben, auf dem höchstmöglichen Niveau antreten, für die beste Mannschaft der Welt - in einem Sport, den er nie zuvor betrieben hatte.

Siebener-Rugby: "brutal und unbarmherzig"

Rugby ist ja nicht gleich Rugby. Es gibt Rugby League, das ist die Disziplin, in der Jarryd Hayne berühmt und reich geworden ist: Pro Team 13 Mann auf dem Rasen, Spieldauer zweimal 40 Minuten. Dann gibt es Rugby Union, ebenfalls zweimal 40 Minuten, aber mit je 15 Spielern auf einem breiteren Feld und eingeschränkten Regeln, was das Tackling angeht, das Festhalten und Niederringen des Ballträgers.

Und von Rugby Union abgeleitet gibt es Rugby Sevens, das Siebener-Rugby, das nun seine olympische Premiere feiert: auf einem gleich großen Spielfeld, das aber eben nur zu siebt beackert wird, in zweimal sieben Minuten. Als "brutal und absolut unbarmherzig", empfindet der US-Nationaltrainer Mike Friday diese Rugby-Variante. Während Hayne beim American Football, diesem in kurzen Sequenzen unterteilten Sport, über die gesamte Saison gerechnet vielleicht zehn Minuten gesprintet sei, müsse er beim laufintensiven Siebener-Rugby diese zehn Minuten in einem einzigen Spiel rennen. "Es erfordert eine enorme Fitness", sagt Ben Ryan, der Coach der Fidschis. Und es erfordere zudem enorm viel Geschick, körperlich wie taktisch, und eine exzellente Ballbehandlung.

Jarryd Hayne hat sich davon nicht abschrecken lassen, und das Team der Fidschis hat ihm tatsächlich eine Chance gegeben. Beim letzten Turnier der Weltserie in London kam Hayne sogar zum Einsatz. Aber ein paar Wochen später hat Ben Ryan dem Ausnahmeathleten gesagt, dass es doch nicht reicht für die zwölfköpfige Olympia-Auswahl. "Sein größtes Hindernis war der Zeitrahmen", erklärte der Cheftrainer: "Es war zu kurz, um sich das Spielverständnis anzueignen, das er gebraucht hätte, um einen anderen zu verdrängen."

So ist das, nicht nur im Sport: Es gibt keinen Erfolg ohne die Möglichkeit des Scheiterns. "Im Leben geht es manchmal nicht um den Erfolg", sagt Hayne, "sondern um die Erfahrungen, die man macht." Und seine mit dem Siebener-Team der Fidschis seien "unvergesslich".

Aber ist er überhaupt gescheitert? Allenfalls in rein sportlicher Hinsicht. Er hat mit seinem Vorhaben indes viel Aufmerksamkeit aus aller Welt auf die kleinen Fidschi-Inseln gelenkt, auf den Umstand, dass deren Rugby-Auswahl bei den Spielen in Rio die erste Olympiamedaille in der Geschichte des Landes holen kann. Schon zweimal waren die Fidschis Weltmeister im Siebener-Rugby, und auch wenn der aktuelle Titelträger Neuseeland ist (2013), so können sie von sich behaupten, in den vergangenen zwei Jahren die World Rugby Sevens Series gewonnen zu haben, die jährliche Turnierserie der stärksten Nationen.

Jarryd Hayne hat im Übrigen angekündigt, die Mannschaft der Fidschis in Rio anzufeuern. Und danach sucht er sich eine neue Herausforderung. Er ist ja noch jung.

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