Olympia:Zwei große Vögel in der Hand

Lesezeit: 3 min

IOC-Präsident Thomas Bach macht den Mitgliedern klar, dass kein Weg an der Doppelvergabe der Spiele 2024 und 2028 vorbeiführt.

Von Thomas Kistner, München/Lausanne

Werbung mit Tradition und der Begeisterung in der Bevölkerung: Kanuten auf der Seine beim Olympia-Tag im Juni in Paris. Im Vordergrund paddeln Bürgermeisterin Anne Hidalgo (rechts) and Bewerbungs-Vizepräsident Tony Estanguet. (Foto: Martin Bureau/Reuters)

Das Internationale Olympische Komitee hat ausgiebig getagt am Dienstag bei seiner kurzfristig anberaumten Sondersession, es wurden auch allerlei Bedenken adressiert in Hinblick auf die angestrebte Doppelvergabe der Sommerspiele 2024 und 2028 an die zwei einzigen Bewerber Paris und Los Angeles. Und dann stimmten die Mitglieder so ab, wie zu erwarten war: Einstimmig erfolgte der Beschluss, beide Events gleichzeitig zu vergeben beim nächsten IOC-Konvent am 13. September in Lima. Formal offen ist noch die Reihenfolge, das sollen beide Städte am besten untereinander auskarteln. Sollten diese Verhandlungen scheitern, werden in Perus Kapitale nur die Spiele 2024 vergeben: an Paris oder Los Angeles.

Bach beendet die Debatte mit einem Sinnspruch aus der Heimat

Aber das Szenario ist unwahrscheinlich. IOC-Chef Thomas Bach und seine Vorstandskollegen hatten den Mitgliedern geradezu eingetrichtert, dass kein Weg an der Doppellösung vorbei führe. Bach hatte von einer sich rasant wandelnden Welt erzählt, in der auch das IOC den politischen Veränderungen Rechnung tragen müsse. Für Olympia-Interessenten sei es "schwierig geworden, mit einer zweiten Kandidatur zurückzukommen", wenn die erste gescheitert sei. Da sei es besser, gleich beiden Kandidaten die Spiele bis 2028 zu geben.

So lässt sich die Misere der olympischen Familie auch betrachten. Tatsächlich dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass das IOC viel lieber so weitermachen würde wie bis vor wenigen Jahren, als sich ein knappes Dutzend Interessenten aus aller Welt um die Spiele balgte - das man genüsslich durch Vor- und Endauswahlen bugsieren konnte. Das zeigten in der Session auch die Beiträge mancher Mitglieder, deren Sorge war, dass man den Entscheid für eine Doppelvergabe in Zukunft nicht mehr revidieren könnte - "wenn sich vielleicht wieder mehr attraktive Städte bewerben", so der Tenor im Plenum. Bach beschwichtigte: Natürlich sei diese Doppelvergabe nur der aktuellen Situation geschuldet. Eine andere Vision blieb unberücksichtigt: dass in den nächsten acht Jahren, die ohne Sommerspielküren ablaufen werden, die Begeisterung für das antike Spektakel in der Welt weiter sinken könnte. Bach beendete die Debatte mit einem Sinnspruch aus seiner Heimat: "In Deutschland sagt man: Besser ist der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Aber wir haben doch jetzt zwei große Vögel in der Hand, und die kleinen sitzen auf dem Dach." Man sollte die Chance nutzen, mit den Kalibern Paris und Los Angeles Planungssicherheit zu erhalten.

Trump könnte die Lösung noch gefährden, die sich abzeichnet

Am Dienstagvormittag hatten sich die beiden Bewerber noch einmal der Session präsentiert, und während die Olympier am Nachmittag gewohnt langatmig debattierten, begaben sich Franzosen und Amerikaner schon einmal in eine Art Wettstreit um die Spiele 2024 - dessen letzte Ernsthaftigkeit allerdings anzuzweifeln ist. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der am Vortag von Paris ins nahe Lausanne geflogen war und mit Bach parliert hatte, ließ keinen Zweifel daran, dass für ihn nur der Zuschlag für 2024 zählt. "Wir haben dreimal verloren, wir wollen es nicht ein viertes Mal tun. So einfach ist das", sagte er vor der Presse - in Anspielung auf die zuletzt gescheiterten Pariser Bewerbungen um die Spiele 1992, 2008 und 2012.

Derweil ließ sein US-Kollege Donald Trump via Twitter wissen: Auch er bemühe sich intensiv um 2024; man arbeite hart daran, diese und keine anderen Spiele in die Staaten zu holen. Das wirft die Frage auf, ob der nicht allzu beratungsoffene Trump überhaupt in die Feinheiten des olympischen Milliardenbusiness eingeweiht ist - oder ob er wirklich alle Hebel für LA-Spiele 2024 in Bewegung setzen will. Weil er sich just im Sport gern als Siegertyp sehen würde?

Letzteres könnte die Lösung gefährden, die sich hinter den Kulissen längst abzeichnet: dass Paris 2024 zum Zuge kommt - ganz einfach, weil es all die für die Spiele vorgesehenen Baumaßnahmen, Grundstücks- und Immobilienlösungen nicht weitere vier Jahre aufschieben kann. Den technischen Druck hat Los Angeles nicht. Und daneben halten sich ebenso diskret wie hartnäckig Gerüchte, dass man den US-Werbern im Fall, dass sie sich bis 2028 gedulden sollten, wirtschaftlich etwas entgegenkommen könnte. Offiziell wird die Reihenfolge erst in Lima festgelegt, bis dahin kann noch gedealt werden.

In Lausanne nahmen Paris' Bürgermeisterin Anne Hidalgo und ihr US-Kollege Eric Garcetti den IOC-Boss in ihre Mitte. Passendes Schlussbild zum Einheitsvotum am Ende einer mehrtägigen, höchst aufwendigen Sitzung.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: