Olympia:Zwei gleich schnelle Eis-Zigarren

Olympia: Sieger nach vier Läufen: Die Deutschen Thorsten Margis und Francesco Friedrich (links) teilen sich Gold mit den Kanadiern Alexander Kopacz und Justin Kripps.

Sieger nach vier Läufen: Die Deutschen Thorsten Margis und Francesco Friedrich (links) teilen sich Gold mit den Kanadiern Alexander Kopacz und Justin Kripps.

(Foto: Getty Images)
  • Francesco Friedrich gewinnt zeitgleich mit dem Kanadier Kripps Gold im Zweierbob. Dritter wird der Lette Oskars Melbardis.
  • Nach der Schmach von Sotschi können der deutsche Verband und die staatlich finanzierten Konstrukteure des Instituts FES aufatmen.
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Von Thomas Hummel

Bobfahren ist eine dieser Sportarten bei Olympischen Winterspielen, bei denen für den Zuschauer erst einmal wenig zu erkennen ist. Zum Beispiel der Zweierbob-Wettbewerb der Männer in Pyeongchang: Fahrzeuge, die wie große Zigarren aussehen, rasen einen Eiskanal hinunter, nach dem Ziel steigen muskelbepackte Typen aus den Boliden. Die Zeiten leuchten grün oder rot, am Ende ist eine der Zigarren die schnellste und im Ziel jubelt ein Knäuel starker Kerle. "Wir fahren auf gefrorenem Wasser einen Berg hinunter und das auch noch um die Wette - klingt erst mal nicht sehr sinnvoll, macht aber tierisch Spaß", beschrieb der deutsche Bobfahrer Nico Walther in der ARD seine Sportart.

Für Walther endete der erste Spaß im Alpensia Sliding Center von Pyeongchang allerdings mit schlechter Laune. Mit seinem Anschieber Christian Poser kam der Fahrer aus Sachsen nach vier Läufen auf Rang vier, dabei hatte er zur Halbzeit noch geführt. Auch Kollege Johannes Lochner war enttäuscht, der Berchtesgadener wurde Fünfter. Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) durfte an diesem Montag dennoch jubeln. Denn durch den Sieg von Francesco Friedrich tilgte der größte Favorit gleich im ersten Wettbewerb die Schmach von Sotschi 2014. Damals hatten die deutschen Bobfahrer zum ersten Mal seit 50 Jahren keine einzige Medaille eingefahren. Friedrich siegte zeitgleich mit dem Kanadier Justin Kripps, Bronze gewann der Lette Oskars Melbardis.

"Wir haben uns zurückgekämpft, das ist unsere Stärke. Das ist fantastisch", sagte Friedrich und ergänzte mit Blick auf Kripps: "Es ist die pure Freude. Jedes Jahr kämpfen wir gegeneinander, jetzt sind wir beide Olympiasieger. Verrückt."

Friedrich hatte schon am Montagmorgen in Südkorea einen Krimi angekündigt, er war zusammen mit Partner Thorsten Margis zwar der schnellste Starter im Feld, doch Fahrfehler in den ersten Kurven hatten ihnen am Sonntag zwei Mal so viel Geschwindigkeit gekostet, dass die beiden nur auf Rang fünf gelegen hatten. "Jetzt heißt es, die Fehler bis morgen auszumerzen", sagte er.

Tatsächlich gelang Friedrich im dritten Durchgang endlich eine saubere Fahrt, weshalb er von Platz fünf auf Rang zwei nach vorne gesprungen war. Dem Führenden Kripps war er bis auf neun Hundertstel nahe gekommen. Der versprochene Krimi setzte sich in Lauf vier fort. Walther fuhr sauber, aber nicht überragend. Lochner verpatzte seinen Lauf und fiel zurück. Melbardis führte, als Friedrich ebenfalls eher wacklig nach unten fuhr, aber ein paar Hundertstel Sekunden Vorsprung rettete. Dann kam Kripps. Dem zitterten ebenfalls die Hände, doch es schien zu reichen. Erst auf den letzten Metern verlor der Kanadier seinen Vorsprung, am Ende leuchtete es weder rot noch grün, sondern weiß: "0.00" - zeitgleich. Friedrich und Margis stürmten auf ihre Konkurrenten zu und jubelten mit ihnen über den gemeinsamen Olympiasieg.

Francesos Sieg ist auch ein Erfolg für das staatliche Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, kurz: FES. Das Institut in Berlin wird mit Millionen vom Staat unterstützt und stellt seit Jahren Geräte für deutsche Sportler her, darunter Fahrräder, Boote, Rodel und eben Bobs. Der Verband BSD erhält die Geräte sogar umsonst - dennoch kaufte er nach Sotschi einige Boliden beim österreichischen Hersteller Hannes Wallner. Für mehr als 300 000 Euro. Wallner hatte in Sotschi für die Russen die Bobs gebaut und damit große Erfolge gefeiert. Die deutschen Fahrer hatten ihre FES-Geräte hingegen "Trabi" genannt.

In Pyeongchang kam es im Zweierbob deshalb erstmals zu der kuriosen Situation, dass innerhalb des deutschen Teams ein Konstrukteurs-Kampf herrschte: Nico Walther fuhr mit FES, Johannes Lochner mit Wallner, Francesco Friedrich sollte eigentlich mit Wallner fahren und war mit dem Hersteller 2017 auch Weltmeister geworden. Weil er mit dem neuen Modell aber nicht zurecht kam, wechselte er während dieser Saison zu FES zurück. Zumindest im Zweierbob, im Vierer fährt er weiterhin Wallner. Da die Eigenheiten der Geräte wie Staatsgeheimnisse gehütet werden, durften die deutschen Piloten in dieser Saison zwar miteinander essen, aber praktisch nicht über ihren Sport sprechen.

Die Südkoreaner sprachen auch nicht viel. Sie hatten sich dafür einen besonderen Plan zurechtgelegt, um mit ihrem Piloten Won Yun-jong die Überraschung zu schaffen. Won war in der Saison nur die ersten drei Rennen mitgefahren und danach durchgehend in Pyeongchang trainiert. Zudem hegte die Konkurrenz den Verdacht, dass ihm der Veranstalter weitere Hilfen zukommen ließ. Angeblich sollen die Gegner während der Trainingsfahrten geblendet worden sein, weil die Sonnensegel abmontiert worden waren. Beim Rennen kühlten die Eismeister anders als beim Training (minus 8 Grad) die Bahn auf minus 13 Grad Celsius herunter. Zudem verkürzten sie die sonst 50 Meter lange Startspur um zwei Meter.

Dennoch war Won schon nach dem ersten Lauf praktisch ohne Chance auf eine Medaille. Das Lospech führte dazu, dass er in Lauf eins erst als 30. an der Reihe war, auf der ramponierten Bahn kam er mit so großem Rückstand ins Ziel, dass auch drei tolle weitere Fahrten nichts mehr brachten: Platz sechs.

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