Olympia 2024:Wie die Hauptstadt erneut floppte

Berlin wird nicht olympisch

Das Berliner Olympiastadion darf sich weiter Olympiastadion nennen - aber olympische Spiele werden dort in absehbarer Zeit nicht stattfinden.

(Foto: dpa)
  • Berlin reagiert auf die verpasste Olympia-Empfehlung größtenteils mit Desinteresse.
  • Bei den Befürwortern herrscht Unverständnis, dass man einfach so an der Hauptstadt vorbeigehen kann.
  • Die Stadt tröstet sich mit anderen Events.

Von Javier Cáceres und Jens Schneider, Berlin

Die Luft aus der Berliner Olympiabewerbung war am Montagnachmittag so dermaßen raus, dass ihre Gegner sich dem gleichen Kontrahenten gegenübersahen wie die Befürworter: dem spürbaren Desinteresse der Stadt. Nach Kreuzberg hatte die Nolympia-Bewegung gerufen, zu einem letzten Gefecht.

Es waren zwei Dutzend Aufrechte, die Plakate klebten, einen Infostand errichteten, Flugblätter verteilten, Passanten in Gespräche verwickelten. Ein paar Schutzleute der Berliner Polizei wachten über den ordnungsgemäßen Ablauf des Protests, der sich, untermalt vom Klang zweier afrikanischer Trommeln, zäh dahinzog. Die Olympia-Befürworter verzichteten auf weitere Aktionen.

So passte dieser Berliner Abend zur Entscheidung von Frankfurt. Tränen wird es in der Hauptstadt kaum geben, eher ein Unverständnis bei den Olympia-Befürwortern, dass man so an der Hauptstadt vorbeigehen kann. Zu erwarten ist erst mal schnoddrige Gelassenheit mit dem Grundtenor: Na, dann nicht. Öffentlich beobachten konnte man das am Montagabend freilich nicht, anders als in Hamburg verzichtete man in Berlin auf ein Public Viewing - was einiges über die Leidenschaft aussagt.

Gegen Rom oder Boston hätte Berlin bessere Chancen gehabt

Dennoch könnte die Entscheidung am Selbstbewusstsein der Stadt kratzen, in der sich ja zunehmend das Gefühl breit macht, international längst in einer anderen Liga zu spielen als alle anderen deutschen Städte - ob nun Hamburg oder München. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte es vorher offen: Wenn es auf der internationalen Ebene gegen Rom oder Boston gehe, habe Berlin sicher bessere Chancen als Hamburg.

Dieses Gefühl lässt sich verstehen. Berlin zieht viel mehr Besucher an als Hamburg. Es wächst dynamisch, zuletzt um mehr als 40 000 Einwohner jährlich. Redet man weltweit von Deutschland, ist - so das Gefühl - erst mal Berlin gemeint. Jetzt soll also Hamburg gemeint sein, die Berliner werden das verkraften müssen. Die Niederlage gegen Hamburg dürfte ab jetzt die Aufzählung der Berliner Flops ergänzen, die das Image der Stadt mitprägen; von der letzten gescheiterten Olympia-Bewerbung bis hin zum ewig unfertigen Flughafen.

Große Euphorie für diese Olympia-Bewerbung hat es in Berlin freilich nie gegeben. Sie kam wie beiläufig über die Stadt. Irgendwann im letzten Herbst fiel das Wort "Olympia" das erste Mal, so richtig ernst haben die Berliner die Bewerbung lange nicht genommen. Die Kampagne des Senats kam spät, manche Aktionen wurden absolviert wie eine lästige Pflicht.

Die Befürworter führten einen aussichtslosen Kampf

Olympische Wochen hatten Müller und sein Sportsenator Frank Henkel ausgerufen. Und es fühlte sich an, als kämpften die Olympia-Befürworter einen aussichtslosen Wettkampf. Wo immer sie an den Start gingen, waren ihre Gegner schon da. Sie warnten, dass die verschuldete Stadt, die allerdings seit Jahren ohne neue Schulden auskommt, sich Olympia nicht leisten könne. Olympia in Berlin würde unkalkulierbar teuer, warnte das Bündnis Nolympia.

Auch die Gegner in der Landespolitik kritisierten, Berlin könne sich die Spiele nicht leisten. Die geplanten Mittel würden dringend gebraucht, damit bezahlbare Wohnungen entstehen und die an vielen Stellen marode Infrastruktur saniert werden könne. Schon überfordere das dynamische Wachstum die Infrastruktur Berlins. Die Mieten waren in Berlin lange besonders niedrig, inzwischen ist das Wohnungsangebot knapp geworden, die Stadt weist besonders hohe Preissteigerungen auf.

Protest und Spott begleiteten viele Aktionen und bestimmten auch die Schlagzeilen. Da mochten die Aktionen noch so harmlos sein. Fasching und Olympia in Berlin, das bedeutete, dass Justizsenator Thomas Heilmann in der Marheineke Markthalle in Kreuzberg Krapfen verschenken wollte, in ihre Zuckerhaube waren die olympischen Ringe gesetzt. Wegen der Proteste von linken Aktivisten brauchte er dafür Polizeischutz.

Im Berliner Rathaus hatten sich 55 Prozent für Olympia ausgesprochen

Im Roten Rathaus konnte Bürgermeister Müller schon erleichtert sein, als aus Berlin in der letzten Woche mehr Lust als Unlust in Sachen Olympia vermeldet wurde. 55 Prozent hatten sich dafür ausgesprochen, immerhin, im letzten Herbst war eine knappe Mehrheit dagegen. Das sollte doch ein klares Zeichen sein: Müller und sein Sportsenator Frank Henkel von der CDU deklarierten das als tolles Zeichen. Den beachtlichen Abstand zu Hamburg redeten sie klein, offiziell zumindest. Mehr an Zustimmung sei in so einer großen, vielschichtigen Stadt eben nicht zu erwarten.

Müller erinnerte gern daran, dass die anfangs skeptische Stimmung in Berlin sehr schnell in große Begeisterung umschlagen kann, bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 oder bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft drei Jahre später, oder auf der Fan-Meile im vergangenen Jahr. Erledigt. Anfang Juni wird im Olympia-Stadion das Champions-League-Finale gespielt, da dürfte die Olympia-Bewerbung fast vergessen sein.

Nicht alle sind traurig darüber. "Ich bin glücklich über diese Entscheidung, ich hätte nicht gedacht, dass Sportfunktionäre so vernünftig sind", sagte am Montag nach der Entscheidung Gabriele Heller, Nolympia-Aktivistin und Mitglied der Links-Fraktion im Berliner Landtag.

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