Olympia:Wenn der Tod in eine Feier der Lebensfreude hineinplatzt

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Die deutschen Fahnen wehten am Dienstag an allen olympischen Sportstätten auf Halbmast. (Foto: dpa)

Die tragischen Ereignisse um den verstorbenen Kanu-Trainer Stefan Henze offenbaren ein Dilemma des IOC: Trauer lässt sich nicht in eine Schablone pressen.

Kommentar von René Hofmann, Rio de Janeiro

Der deutsche Sport hat Thomas Bach gar nicht erst in Verlegenheit gebracht. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verzichtete darauf, beim vom Bach geführten Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu beantragen, nach dem Tod des Kanu-Trainers Stefan Henze mit Trauerflor auflaufen zu dürfen. Vorauseilend hielt sich der DOSB an die vom IOC aufgestellten Regularien: keine Trauerbezeugungen auf den Sportplätzen! Lediglich an den Sportplätzen wurden Zeichen gesetzt: Die deutschen Fahnen an allen olympischen Stätten wehten am Dienstag in Rio auf halbmast. Die deutsche Olympiamannschaft versammelte sich am Gedenkort im olympischen Dorf, um sich gemeinsam an Henze zu erinnern und seiner zu gedenken.

Der Umgang mit dem Verlust eines Nahestehenden ist immer ein sensibles Thema. Und es wird dort noch einmal besonders sensibel, wo der Tod mitten hineinplatzt in eine Feier der Lebensfreude, wie es die Olympischen Spiele sind. Der Tod und die Spiele: Nicht immer wurde dem Thema von höchster Stelle angemessen begegnet. 1972 in München, nach dem palästinensischen Terroranschlag, der den Tod von elf Mitgliedern der israelischen Olympia-Delegation zur Folge hatte, sagte der damalige IOC-Präsident Avery Brundage die trotzig klingenden Worte: The games must go on! Aber müssen die Spiele wirklich immer weitergehen, egal, was passiert?

Viele Angehörige der Opfer von 1972 hätten es gerne gesehen, wenn es vor vier Jahren, bei der Eröffnungsfeier der Spiele in London, eine Schweigeminute für diejenigen gegeben hätte, die 40 Jahre zuvor bei dem Sportfest ums Leben gekommen waren. Das IOC lehnte das ab. Der 6. August, der erste echte Wettkampftag dieser Spiele in Rio, war der Jahrestag des Atombomben-Abwurfs auf Hiroshima. Die Organisatoren hatten beim IOC sondiert, ob sie eine Referenz an das Ereignis in der Eröffnungsfeier unterbringen könnten. Das IOC lehnte es ab.

Trauer lässt sich nicht einhegen

Bei Erinnerungen, die politisch heikle Fragen tangieren könnten, lässt es äußerste Vorsicht walten, was ein Stück weit nachvollziehbar ist: Die Trauer soll nicht als Vehikel benutzt werden, um Botschaften zu transportieren, die spalten können. Dass es aber auch bei rein persönlicher Betroffenheit rigide jedes Zeichen von Trauer in den Arenen zu unterbinden versucht, ist nicht nachzuvollziehen.

Zu den Fehlern von Thomas Bach, die in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommen wurden, zählt die Rüge, die seine Organisation vor zwei Jahren bei den Winterspielen in Sotschi den norwegischen Langläuferinnen zukommen ließ, weil die nach dem Tod des Bruders einer Teamkollegin, den alle gut gekannt hatten, mit schwarzen Armbinden gelaufen waren. Dass es im olympischen Dorf seit einiger Zeit einen Gedenkort gibt, ist löblich. Aber vorgeben zu wollen, dass alle Trauer dort stattzufinden hat - das ist unsinnig. Trauer lässt sich nicht einhegen.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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