Olympia:Weltrekord! Buh! Weltrekord!! Buh! Weltrekord!!!

Olympia: Einer von drei Weltrekorden in der Nacht zum Montag: Der Brite Adam Peaty über 100 Meter Brust.

Einer von drei Weltrekorden in der Nacht zum Montag: Der Brite Adam Peaty über 100 Meter Brust.

(Foto: Christophe Simon/AFP)

Im Pool von Rio purzeln in der Nacht drei Weltrekorde und Michael Phelps holt seine 19. Goldmedaille. Das Publikum wechselt zwischen Rekorde-Feiern und Dopingsünder-Auspfeifen.

Von René Hofmann, Rio de Janeiro

Weltrekord! Weltrekord!! Weltrekord!!! Die Bestzeiten-Jagd bei den Schwimm-Wettbewerben bei den Olympischen Spielen geht munter weiter. Die Schwedin Sarah Sjöström, der Brite Adam Peaty und die Amerikanerin Katie Ledecky schwammen in der Nacht zum Montag über 100 m Schmetterling, 100 m Brust und 400 m Freistil so schnell, wie noch nie zuvor geschwommen worden war.

Vor allem als Ledecky im Becken war, wurde es laut. Ihr Triumph bescherte den USA, die in Rio die größte Mannschaft stellen, die erste Gold-Medaille im Pool. Die 4x100-Meter-Freistil-Staffel der Männer, in der auch Michael Phelps mitwirkte, ließ später eine weitere folgen. Phelps wurde bei damit bei Olympischen Spielen bereits zum 19. Mal mit Gold dekoriert. An diesem Abend aber spielte er nicht die Hauptrolle. An diesem Abend spielte Katie Ledecky die Hauptrolle.

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Ihr Triumph über die 400 m Freistil kam alles andere als überraschend. Was ihm zu seiner Landsfrau einfiele, war Phelps vor Ledeckys Rennen im US-Fernsehen gefragt worden. Ihm fiel erst einmal nichts ein. Ledeckys Gegnerinnen später auch nicht. Vom Start weg übernahm die 19-Jährige selbstbewusst die Führung. Nach 50 Metern lag sie 0,12 Sekunden unter der Weltrekord-Durchgangszeit, nach 100 Metern waren es schon 0,82 Sekunden. Ihr Sieg stand nie in Zweifel. Dass sie eine neue Bestmarke setzen würde, ebenso wenig. Nach 3:56.46 Minuten blieb die Uhr für sie stehen. Die Britin Jazz Carlin (4:01.23) und die Amerikanerin Leah Smith (4:01.92) hielten scheinbar respektvoll einen großen Abstand.

Mit dem Auftritt verbesserte Ledecky einen Weltrekord, den sie selbst gesetzt hatte. Von 3:58.37 auf 3:56.46 - das ist ein Sprung um 1,91 Sekunden. Derlei hat es über die Strecke seit 1976 nicht mehr gegeben, als die DDR-Schwimmerin Petra Thümer ihrer Landsfrau Barbara Krause den Weltrekord abjagte. Thümer räumte später ein, im Zuge des DDR-Staatsdopingsystems leistungssteigernde Mittel bekommen zu haben.

Ähnlich dominant wie Ledeckys Rekord-Leistung war auch die des Briten Adam Peaty. Der 21-Jährige hatte über 100 m Brust bereits die beste Reaktionszeit (0,57). Der Südafrikaner Cameron van der Burgh, der am Ende mit 58.69 Sekunden Silber holen sollte, kam dem noch am nächsten (0,64). Peaty trennten also schon beim Sprung vom Block Welten vom Rest der Welt.

"Ich habe erst gar nicht begriffen, dass das Weltrekord war"

Nach der Hälfte der Distanz lag er 0,08 Sekunden unter der Weltrekordzeit. Im Fernsehen sah es anschließend so aus, als hätte er sich gemütlich an die mitlaufende Weltrekordlinie gehängt, so mühelos wirkten seine Züge auf dem Weg zum noch nie Dagewesenen. Nach 57,13 Sekunden war schon wieder Schluss. Im Vorlauf hatte Peaty die Bestmarke bereits auf 57,55 Sekunden gedrückt. Dafür, dass Ehrung und Bestmarke nicht unerwartet kamen, freute er sich dann doch sehr. "Ich versuche stets, dass scheinbar Unerreichbare zu erreichen", tat Peaty selbstbewusst kund.

Die 100 m Schmetterling waren die große Show von Sarah Sjöström. Die 22-Jährige hat sich die olympischen Ringe recht deutlich auf den rechten Unterarm tätowieren lassen. Und die schwedische Flagge. Was wenig verwunderte. Schließlich peilte sie an, die erste Schwedin zu werden, die bei den Spielen über die Distanz triumphiert. Das Vorhaben glückte. Schon zur Hälfte der Strecke war sie deutlich voraus und lag klar auf Rekordkurs. Als sie am Ende die Hand gegen die weiße Wand schlug, zeigte die Stoppuhr 55,48 Sekunden. Am nächsten kam ihr noch die Kanadierin Penny Oleksiak (56,46). Bronze ging an die Amerikanerin Dana Vollmer (56,63), was eine besondere Erwähnung verdient, weil die Olympiasiegerin von London 2012 über diese Strecke vor 17 Monaten erst einen Sohn zur Welt brachte.

Das Misstrauen badet mit

Sjöström schaute erst schüchtern, dann schlug sich fast verlegen die Hand vor den Mund. Um 0,16 Sekunden hatte sie die alte Weltrekord-Marke verbessert, die sie selbst im vergangenen Jahr in Kasan aufgestellt hatte. Als aus dem Staunen Gewissheit wurde, reckte sie die Arme zur Kraftstrotz-Pose in die Luft, die schwedischen Fans auf den - erneut nicht vollständig gefüllten Tribünen - jubelten. Es war beeindruckend, gewiss. Aber wirklich überwältigend war das Weltrekord-Erlebnis offenbar nur für die Hauptdarstellerin. "Das fühlt sich völlig verrückt an", sagte Sjöström, "ich habe erst gar nicht begriffen, dass das Weltrekord war."

Bestmarken verbessern, das geschieht in Rio fast beiläufig, das ist business as usual. Ungefähr so wie Russen auspfeifen (wegen des Staatsdopings in dem Land). Und den Chinesen Sun Yang ausbuhen (wegen der lächerlich kurzen Sperre von drei Monaten, die ihm der Schwimmverband der Volksrepublik nach einem Positiv-Test gewährte). Rekord! Pfiffe. Rekord!! Buh. Rekord!!! In diesem Rhythmus geht es dahin im Aquatics Centre. Das Misstrauen badet stetig mit.

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