Olympia:Welche Strafe droht Russland?

Sotschi 2014

Russland könnte von den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden.

(Foto: dpa)

Heute entscheidet das IOC, ob Russland und seine Athleten nach den Doping-Vorfällen an den Winterspielen in Südkorea teilnehmen dürfen - oder das Land wegen Staatsdoping gesperrt wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten sowie eine Chronik des Skandals.

Welche Entscheidung steht an? Das Internationale Olympische Komitee (IOC) entscheidet am Dienstag in Lausanne über Sanktionen gegen Russland im Dopingskandal während der Winterspiele 2014 in Sotschi. Im Raum stehen der Komplett-Ausschluss von den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang/Südkorea im Februar 2018, ein Start des russischen Teams unter neutraler Flagge sowie weitere Einschränkungen wie der Ausschluss der russischen Athleten von der Eröffnungsfeier, ein Verbot der russischen Hymne oder eine Geldstrafe von 100 Millionen Dollar.

Was könnte passieren? Viel hängt von den Ergebnissen der IOC-Kommission unter Leitung des früheren Schweizer Bundesrates Samuel Schmid ab. Die Kommission ermittelte in den vergangenen Monaten in der Frage, inwieweit Behörden, Geheimdienste und Polizei - also der Staatsapparat - am Dopingsystem in Russland beteiligt waren und stellt ihre Ergebnisse am Dienstag der Exekutive des IOC vor.

Wie wurde der Skandal bekannt? Die Dokumentation "Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht" der ARD-Dopingredaktion brachte schon Ende 2014 den Skandal ins Rollen. Zwei Berichte des Welt-Anti-Doping-Agentur-Ermittlers Richard McLaren sowie die Aussagen des Kronzeugen Grigorij Rodtschenkow (der ehemalige Laborleiter in Moskau, der nun unter Zeugenschutz in den USA lebt) erhärteten die Vorwürfe. Laut McLaren sollen in der Zeit von 2011 bis 2015 etwa 1000 russische Sportler von dem System profitiert haben.

Wurden bereits Strafen verhängt? Ja. Das IOC ließ mittels einer weiteren Kommission, die unter der Leitung des Schweizer IOC-Mitglieds Denis Oswald steht, die Proben der russischen Sotschi-Starter überprüfen. Oswald griff erstaunlich hart durch und sperrte bislang 25 russische Athleten, darunter drei Olympiasieger, lebenslang für alle Funktionen bei Olympischen Spielen. Rodtschenkow, früherer Leiter des Moskauer Dopinglabors, sagte nach seiner Flucht in die USA aus, dass in Sotschi positive Proben mithilfe des Geheimdienstes ausgetauscht und manipuliert worden sind. Insgesamt sollen mehr als ein Dutzend russische Medaillengewinner von Sotschi gedopt gewesen sein.

Welche Haltung nimmt Russland ein? Bislang hat Russland eine staatliche Beteiligung am Dopingsystem stets ausgeschlossen und sich gegen Sanktionen gewehrt. Selbst ein Start unter neutraler Flagge kommt für Russland nicht in Frage. Staatschef Wladimir Putin bezeichnete eine solche Anordnung bereits als "Erniedrigung des Landes". In den vergangenen Tagen ruderte die russische Regierung aber zurück. Ein Boykott werde nicht geprüft, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow am Montagmittag laut der russischen Nachrichtenagentur Tass.

Welche Bedeutung hätte ein Ausschluss Russlands? In der mehr als 120-jährigen Geschichte der olympischen Neuzeit wäre das ein Novum. Noch nie wurde ein Land wegen eines Dopingvergehens für Olympia gesperrt. Zwar gab es schon Ausschlüsse, die waren aber alle politisch motiviert. Russland wäre endgültig gebrandmarkt, sein bislang gutes Verhältnis zum IOC wäre wohl für lange Zeit zerstört.

Die Chronik des russischen Doping-Skandals

Die Chronik des russischen Doping-Skandals

3. Dezember 2014: Die Dokumentation "Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht" der ARD-Dopingredaktion bringt den Skandal ins Rollen. Dank Whistleblowern und versteckter Kameras offenbarte sich erstmals das Bild eines staatlich gestützten Dopingsystems. Ins Visier geriet auch Lamine Diack. Der scheidende Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF soll gegen Bezahlung die Vertuschung von positiven Dopingtests veranlasst haben.

9. November 2015: Die erste Sonderkommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) unter der Leitung von IOC-Mitglied Richard Pound legt einen Doping-Sumpf in der russischen Leichtathletik offen und empfiehlt einen Ausschluss Russlands aus der IAAF.

10. November 2015: Die Wada entzieht dem Moskauer Doping-Kontrolllabor die Zulassung. Das IOC erkennt Diack die Ehrenmitgliedschaft ab.

13. November 2015: Die IAAF suspendiert den russischen Leichtathletik-Verband ARAF (später RUSAF).

18. November 2015: Die Wada suspendiert die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA.

12. Mai 2016: Die New York Times veröffentlicht ein Interview mit dem russischen Whistleblower Grigorij Rodtschenkow. Er sagt aus, dass er während der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der RUSADA und mithilfe des Geheimdienstes ausgetauscht oder manipuliert habe - auf Anordnung der Politik. 14 russische Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. IOC und Wada starten Ermittlungen.

17. Juni 2016: Die IAAF erhält bis auf eine Ausnahme die Suspendierung aller russischen Leichtathleten für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro aufrecht und setzt damit auch das IOC unter Druck, eine entsprechende Verbannung gegen alle russischen Sportler zu verhängen.

18. Juli 2016: Wada-Sonderermittler Richard McLaren veröffentlicht seinen ersten Russland-Bericht, ohne Empfehlungen für eine Bestrafung auszusprechen. Russland habe zwischen 2011 und 2015 ein "staatlich gesponsertes" Doping-System betrieben. Der Bericht bestätigte die Vorwürfe Rodtschenkows bezüglich Sotschi. Im Moskauer Dopinglabor seien unzählige positive Proben verschwunden. Das Sportministerium habe die Manipulationen gelenkt und kontrolliert. Russland dementiert und spricht von einer Kampagne.

24. Juli 2016: Das IOC verhängt - im Gegensatz zum Internationalen Paralympischen Komitee für die Paralympics - keine Komplettsperre gegen Russland und beauftragt wenige Tage vor Beginn der Spiele in Rio die internationalen Sportfachverbände, Einzelfallentscheidungen zu treffen. Das Verfahren endet im Chaos, 278 der 389 qualifizierten russischen Athleten dürfen in Rio unter russischer Flagge teilnehmen. Gesperrt bleibt auf Betreiben des IOC Whistleblowerin Julia Stepanowa. Die Entscheidungen stoßen weltweit auf scharfe Kritik und beeinflussen auch die Stimmung bei den Spielen in Rio negativ.

9. Dezember 2016: Der zweite Teil des McLaren-Reports wird veröffentlicht, er bekräftigt die Vorwürfe. Mehr als 1000 Athleten sollen vom russischen Dopingsystem profitiert haben. McLaren passt auf Betreiben Russlands die Begrifflichkeit an und ändert den Kernvorwurf in "institutionelles systematisches Ausweichen von Doping-Kontrollverfahren" ab. Russland versucht, dies politisch zu nutzen, indem behauptet wird, es habe keine staatliche Beeinflussung stattgefunden.

26. April 2017: McLaren spricht vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages und erklärt, er sei "frustriert", dass IOC und Wada nicht entschlossen handelten: "Ich frage mich manchmal, ob überhaupt Reformwille besteht."

September 2017: Die Wada stellt 95 von 96 Verfahren gegen russische Sportler, die Teil des Betrugsprogramms waren, aus Mangel an Beweisen ein.

1. November 2017: Die Oswald-Kommission des IOC gibt nach monatelangen Ermittlungen, an denen auch forensische Experten beteiligt waren, ihre ersten Strafmaßnahmen bekannt. Die Langläufer Alexander Legkow, Sotschi-Olympiasieger über 50 Kilometer, und Jewgeni Below werden lebenslang in allen Funktionen für Olympia gesperrt, ihre Ergebnisse annulliert. Russland protestiert heftig. In den folgenden Tagen verhängt das IOC weitere lebenslange Sperren.

5. November 2017: Die New York Times schreibt, das IOC erwäge unter anderem ein Verbot der russischen Hymne bei den Winterspielen in Pyeongchang und einen Ausschluss russischer Athleten von der Eröffnungsfeier. Der Bericht entfacht einen Sturm der Entrüstung in Russland. Mehrere Politiker fordern im Falle der Verhängung solcher Maßnahmen durch das IOC einen Pyeongchang-Boykott. Die IOC-Exekutive will im Rahmen einer vom 5. bis 7. Dezember angesetzten Sitzung eine übergreifende Strafe gegen Russland aussprechen.

9. November 2017: Russlands Präsident Putin wirft den USA vor, den Dopingskandal zur Diskreditierung der russischen Regierung zu nutzen: "Als Antwort auf unsere angebliche Störung ihrer Wahlen wollen sie jetzt Probleme bei unseren Präsidentschaftswahlen verursachen."

10. November 2017: Die Wada hat möglicherweise das entscheidende Puzzleteil für den Nachweis eines staatlich gelenkten Dopingsystems in Russland erhalten. Sie teilt mit, dass das hauseigene Ermittlerteam in Besitz des so genannten Laboratory Information Management Systems (LIMS) des Moskauer Dopinglabors gelangt sei. Die Datensammlung enthält nach Wada-Angaben alle Doping-Testdaten zwischen Januar 2012 und August 2015.

16. November 2017: Die Wada entscheidet sich gegen eine Wiederaufnahme der RUSADA. Noch immer verweigert Russland eine öffentliche Anerkennung der Berichte Richard McLarens.

24. November 2017: Das IOC sperrt auch den russischen Volkshelden Alexander Subkow lebenslang für Olympia. Der Bobpilot, der in Sotschi die Fahne bei der Eröffnungsfeier trug und jetzt Präsident des nationalen Verbandes ist, gewann in Sotschi zweimal Gold. Damit sind insgesamt 14 russische Athleten gesperrt, darunter drei Goldmedaillengewinner. Die Gastgeber verlieren Platz eins im Medaillenspiegel.

26. November 2017: Rodtschenkows Anwalt erklärt, sein Mandant habe Beweise für die Verwicklung russischer Fußballer und kritisiert die Fifa wegen ihres mangelnden Reformwillens. Zudem soll Rodtschenkow eine eidesstattliche Erklärung abgegeben haben, dass der ehemalige Sportminister und jetzige Vizepremier Witali Mutko in den Skandal verwickelt ist. Am gleichen Tag hält die IAAF die Suspendierung des russischen Verbandes aufrecht.

01. Dezember 2017: Die Zahl der durch die Oswald-Kommission für Olympia lebenslang gesperrten russischen Athleten erhöht sich auf 25.

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