Olympia-Vorbereitung:Nützliche Misere

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft fühlt sich nach zwei deutlichen Siegen gegen Russland für Olympia gerüstet

Ulrich Hartmann

Am Samstagabend war Captain's Dinner. Heiner Brand hatte Geburtstag. Er ist 56 Jahre alt geworden. Als der Bundestrainer und die Handballer im Hotel neben dem Gerry-Weber-Stadion gerade zu Abend aßen, trug die Belegschaft plötzlich eine Funken sprühende Torte herein. Es war ein bisschen wie auf dem Traumschiff, aber ob die bevorstehende Reise von Captain Brand und seiner Crew ins ferne Peking eine Traumreise wird, ist ja gerade die Frage.

Olympia-Vorbereitung: "Wir sind nicht ganz auf dem falschen Weg" - Heiner Brand, Meister der Untertreibung.

"Wir sind nicht ganz auf dem falschen Weg" - Heiner Brand, Meister der Untertreibung.

(Foto: Foto: Getty)

Vielleicht hätte sich Brand gewünscht, dass der Rückraumregisseur Markus Baur aus der Geburtstagstorte gehüpft wäre, dass er "Tataa!" gerufen und seine Absage zum Scherz erklärt hätte. Aber Baur ist nicht aus der Torte gesprungen, und Brand kann den Namen langsam auch nicht mehr hören. "Zum allerletzten Mal", sagte er am Samstag drohend: "Der Name Markus Baur soll jetzt niemandem mehr im Kopf herumschwirren. Das Thema ist erledigt."

Brand will vor allem, dass sich seine Baur-Ersatzleute Michael Kraus und Oliver Köhrmann nicht verunsichern lassen von den Spekulation, was in Peking möglich wäre, wenn Baur sich nicht auf seinen Trainerjob in Lemgo berufen hätte. Am Samstag vor 17.500 Zuschauern in Köln und am Sonntag vor 9500 im westfälischen Halle hatten Kraus und Köhrmann letztmals die Gelegenheit, vor dem Abflug nach Asien ihre Verfassung zu demonstrieren. Sie machten ihre Sache gut, vor allem Kraus. Der Lemgoer, der sowohl in der Mitte als Drahtzieher wie auch auf Halblinks als Torschütze zu überzeugen wusste, war in beiden Spielen gegen allerdings mediokre Russen bester deutscher Torschütze.

"Kein Grund zur Panik"

Je neun Treffer erzielte der 24-Jährige beim 32:25 in Köln als auch beim 32:27 in Halle. "Die Spiele haben gezeigt, dass wir nicht ganz auf dem falschen Weg sind", sagte Brand mit kokettierendem Understatement, aber er wusste nach diesen Siegen, dass die Russen, die am 16. August auch Gruppengegner der Deutschen in Peking sind, zumindest diesmal kein verlässlicher Gradmesser waren. "Wir sind mit unserem Zustand zufrieden", sagte Brand und relativierte: "Im Angriff hatten wir einige gute Ansätze und in der Abwehr ein paar Probleme."

Die letzten beiden Spiele vor Beginn des olympischen Turniers am 10. August erwiesen sich als gelungene Bewährungsprobe vor allem für Kraus und Köhrmann, auf die in Peking die schwierigste Aufgabe zukommen wird, nämlich jenen Markus Baur zu ersetzen, dessen Namen Brand nicht mehr hören mag. Kraus wird wohl eher im zentralen Rückraum die Bälle verteilen, obwohl er auf der halblinken Position, wo er auch in Lemgo spielt, fast noch wertvoller ist. Allerdings ist im Nationalteam auf Halblinks Pascal Hens gesetzt, und mit Lars Kaufmann, der am Wochenende zehn Tore erzielte, hat Brand hier noch eine Alternative. Für Kraus bleibt da fast nur die Mitte, und für Oliver Köhrmann, den 32-jährigen Neu-Großwallstädter, vielleicht nur die Ergänzungsrolle. Beide können Baur nicht vollwertig ersetzen, aber Brand traf den richtigen Ton, als er am Sonntagabend sagte: "Kein Grund zur Panik."

Der Bundestrainer zieht sogar aus den voraussichtlich vorübergehenden Verletzungen der wichtigen Spieler Pascal Hens (Bauchmuskelzerrung) und Torsten Jansen (Wadenverhärtung) positive Schlüsse. Weil auch vor der WM 2007 ein Teil der Mannschaft angeschlagen und die Verfassung des Teams nicht gerade bestens gewesen sei, hätten Akteure aus der zweiten Reihe einspringen und aufholen müssen. "Die Verletzungsmisere vor der WM hat geholfen, einige Spieler besser reinzubringen, und genau das könnte diesmal auch passieren."

Christian Schwarzer als Fahnenträger?

Lars Kaufmann ist ein gutes Beispiel dafür. Der Lemgoer war lange verletzt, "und ich hatte einige Bedenken, ob er es rechtzeitig wieder schafft", gesteht Brand, aber Kaufmann meldete sich am Wochenende überzeugend zurück. Holger Glandorf, Florian Kehrmann und Christian Schwarzer müssen noch zulegen. Die Torhüter Johannes Bitter und Henning Fritz sind schon in überragender Form. "Die Deutschen sind vielleicht bei 90 Prozent", vermutete Russlands Trainer Wladimir Maximow. Brand sagt: "Wir müssen uns noch deutlich steigern."

Bis Donnerstag haben die Spieler frei. Dann fliegen sie ins einwöchige Trainingslager ins chinesische Zhuhai. Am 7.August geht die Reise weiter nach Peking. Am 8. August steht die Eröffnungsfeier an, aber dort werden die Handballer nicht dabei sein. Bereits zwei Tage später treten sie in ihrem ersten Spiel gegen Südkorea an. Eine Ausnahmegenehmigung könnte es höchstens für Christian Schwarzer geben. Der 38-jährige Kreisläufer ist als Fahnenträger im Gespräch.

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