Olympia:Turner Toba "hat bewiesen, dass er kein Weichei ist"

2016 Rio Olympics - Artistic Gymnastics - Preliminary - Men's Qualification

Untröstlich: Andreas Toba (links) reißt sich das Kreuzband und weint, sein Kollege Lukas Dauser versucht zu helfen.

(Foto: REUTERS)

Trotz Kreuzbandriss und großer Schmerzen im Knie rettet Andreas Toba die deutsche Turn-Mannschaft mit der besten Leistung am Pauschenpferd. Es folgen viele Tränen.

Andreas Toba landete auf beiden Beinen, im sicheren Stand. Er streckte seine Arme zum kurzen Jubel nach oben, ein flüchtiges Lächeln. Was man halt so macht als Turner, der gerade am Pauschenpferd eine fehlerfreie Übung gezeigt hat. Doch bei Toba war gar nichts normal, überhaupt nichts, seinen Auftritt mit dramatisch zu umschreiben, wäre noch untertrieben.

Der 25-Jährige aus Hannover hatte sich vorher im Mannschaftswettbewerb am Boden bei der Landung nach der ersten Akrobatikbahn das Kreuzband im rechten Knie gerissen. Er lag auf dem Rücken und schlug die Hände vors Gesicht. Die ersten Tränen kullerten. Er konnte nur gestützt von Helfern die Matte verlassen. Sein Kollege Fabian Hambüchen schaute entsetzt zu. "Ich habe geheult wie ein kleines Kind", bekannte Toba hinterher: "Die Schmerzen im Knie sind groß, aber die in mir sind unbeschreiblich und viel größer".

Dennoch turnte er zunächst weiter. Mit einem Kreuzbandriss. Völlig überraschend humpelte er zum Pauschenpferd, weil er die am höchsten bewertete Übung drauf hat im deutschen Team. Nur mit dieser Übung hatte die Mannschaft noch eine Chance auf das Finale der besten Acht, weil schon am Reck viel schiefgegangen war. Toba schwang sich hoch und zeigte mit 14,233 Punkten die höchste Wertung des deutschen Quartetts. Am Ende reichte es für das Team tatsächlich zum Einzug ins Finale am Montag. "Er hat bewiesen, dass er ein Kämpferherz hat und kein Weichei ist", sagte der deutsche Sportdirektor Wolfgang Willam. Ein zweifelhaftes Lob für jemanden, der gerade eine schlimme Verletzung erlitten hat.

Dass Toba am Montag am Pferd mitwirken kann, scheint ausgeschlossen. Er zog sich nach Angaben der behandelnden Ärzte eine "komplexe Knieverletzung mit unter anderem einem Riss des vorderen Kreuzbandes und einer Verletzung des Innenmeniskus" zu. Nach weiteren Untersuchungen am Sonntag soll entschieden werden, ob Toba vorzeitig nach Hause reisen wird.

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

Nach seiner Übung am Pauschenpferd begleitete ihn Hambüchen zur Bank. "Ich zieh den Hut vor Andy", sagte sein Teamkollege: "Das hätte nicht jeder gemacht." Toba hatte keinen Moment gezögert, die Mannschaft zu unterstützen. "Als ich auf der Pritsche lag, ging mir durch den Kopf: Du musst dem Team helfen. Und das habe ich getan, trotz der irren Schmerzen." Doch sein großer Wille kann seine Verletzung nicht heilen. Seine Hoffnung, "im Finale noch einmal zu turnen", wie er zunächst dachte, wird sich nach der Diagnose eher nicht erfüllen können.

Ein Franzose verletzt sich noch schwerer

Hambüchen hatte zuvor am Reck, seinem besten Gerät, eine wahre Flug-Show gezeigt und als bester Turner des Vorkampfes zum vierten Mal bei Olympischen Spielen das Finale an seinem Spezialgerät erreicht. Nach seiner bestechenden Übung, für die er 15,533 Punkte erhielt, darf der 28-Jährige aus Wetzlar nach Bronze in Peking und Silber in London auf seine dritte Olympia-Medaille hoffen. "Ich habe ein sehr gutes Gefühl", sagte Hambüchen. Mehr wollte er aber nicht sagen. Seine Gedanken galten Andreas Toba.

Es war nicht die einzige schwere Verletzung des Tages. Der Franzose Samir Ait Said stürzte am Sprung so fürchterlich, dass sich sein Unterschenkel danach im 90-Grad-Winkel abknickte.

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