Olympia: Slalom der Frauen:Gold-Slalom im Nebel

Wie vor ihr Rosi Mittermaier und Katja Seizinger gewinnt Maria Riesch zwei Goldmedaillen bei Olympischen Winterspielen. Schwester Susanne weint dagegen bittere Tränen.

Die Siegerin kam aus der Nebelwand. Und es war die Siegerin, die erwartet worden war, die aber eine ungemeine Nervenstärke beweisen musste, um ihrer Favoritenrolle gerecht zu werden: Schon nach dem ersten Lauf hatte Maria Riesch geführt, sie hatte einige Stunden nachdenken dürfen über diese Führung und dann doch Form und Fassung bewahrt, um ihren Vorsprung im dichten Schneetreiben ins Ziel zu bringen. Vor der Österreicherin Marlies Schild, die eine scharfe Attacke gefahren war in diesem zweiten Durchgang, vor der Tschechin Sarka Zahrobska, die von Platz zwei auf drei zurückgefallen war.

25 Jahre ist Maria Riesch jetzt und sie besitzt bereits einen Ehrenplatz unter den deutschen Alpinen: Nach Rosi Mittermaier (1976 in Innsbruck) und nach Katja Seizinger (1998 in Nagano) ist sie die Dritte aus dem Deutschen Skiverband, die bei Olympia zwei Mal Gold gewinnen konnte. Bei Sonne hatte sie zuvor die Super-Kombination gewonnen, bei Nebel und Schneetreiben lag sie am Freitag im Slalom vorne.

Exzellenter erster Lauf

Die Voraussetzungen für ihre zweite Olympia-Medaille hatte Maria Riesch im ersten Lauf geschaffen. Früh, mit Startnummer 5, hatte sie sich hinaus aus dem Starthäuschen katapultiert und trotz diffuser Sicht im Schneetreiben eine klare Linie gefunden. Sie präsentierte einen konstanten Lauf, ohne Hektik, ohne Fehler. Rotes Tor, blaues Tor, rotes Tor, blaues Tor - Zieldurchfahrt, 50,75 Sekunden, Bestzeit. Deutlich schneller auch als Susanne Riesch, ihre Schwester, die in dieser Saison zu einer Konkurrentin um die Podiumsplätze mit der schönsten Aussicht geworden war.

Aber Susanne Riesch zeigte kleine Unsicherheiten, die sich summierten (im zweiten Lauf fädelte sie ein, schied aus und weinte danach bitterlich an der Schulter ihrer Schwester); Maria stieg souverän wie in einem Training in dieses Rennen ein. Als Mathias Berthold, der Frauen-Cheftrainer, kurz vor dem Slalom gefragt wurde, wie viel er zur ersten Goldmedaille von Maria Riesch, jener in der Super-Kombination, beigetragen habe, gab er selbstlos zur Antwort: "Bei Maria ist das egal, da kannst du auch einen Hausmeister hinstellen, die fährt trotzdem gut Ski. Wobei ich Hausmeister jetzt nicht abwerten will."

Nichts also gegen Hausmeister, und auch nichts gegen Schneemänner (und Schneefrauen). Immer mehr Schneemänner (und Schneefrauen) standen am Streckenrand, während die Attacken der Konkurrenz vom Flockenwirbel ausgebremst wurden. Aus dem Zielraum heraus sah Maria Riesch, wie die Angriffe auf ihre Bestzeit scheiterten - auch jener ihrer Freundin und Rivalin Lindsey Vonn.

Deren olympischer Auftritt ging mit einem Einfädler zu Ende. Es sollten ihre Spiele werden, so war es geplant, und ihre Geschichten haben die Tage in Kanada geprägt: mit einer Schuhrandprellung war die US-Amerikanerin angereist, trotzdem dominierte sie die Abfahrt, stürzte im Slalom der Kombination, musste sich mit Super-G-Bronze bescheiden, ehe sie im Riesenslalom in den Fangnetzen landete. Diagnose: Bruch des Fingers der linken Hand. Und jetzt, am Freitag, warf Maria Riesch die Hand vor den Mund, als sie von unten sah, wie Lindsey Vonn im Fähnchen-Parcours erneut die Orientierung verlor.

Mit Köpfchen

Aus, vorbei, Winterspiele ade. Maria Riesch aber hatte noch diesen einen, diesen letzten Lauf, in den zwiespältige Überlegungen sie begleiteten. Zum einen betrafen sie die Wahl der Strategie: "Ich will attackieren, aber ich muss jetzt auch mit Köpfchen fahren und die Spur richtig treffen."

Zum anderen die Kurssetzung: "Ein Österreicher setzt den zweiten Lauf. Jeden weiteren Kommentar dazu erspare ich mir." Die Erklärung lieferte die Ergebnisliste: auf Rang drei, hinter Sarka Zahrobska (51,15), lauerte Marlies Schild (51,40). Woher? Aus Österreich natürlich.

Grübeln aber durfte Maria Riesch über diese Vorgaben nicht zu intensiv. Schon manche Führende hat nicht auf der Piste, sondern in der Pause ihr Rennen verloren. In der Aufwärmstube, beim Handschuhwechsel, beim Strategiegespräch mit den Kolleginnen.

Und es waren ja einige da vom Deutschen Ski-Verband: Maria auf 1, Susanne auf 4, Christina Geiger auf 10 und Fanny Chmelar auf 13 - ein Resultat, das ein Spiegelbild der bisherigen Weltcup-Saison war. Ein Umstand, über den sie in Garmisch-Partenkirchen, unabhängig vom Ausgang des Rennens, besonders glücklich sind. Dort ist die Heimat der Riesch-Schwestern, dort ist die Heimat von Felix Neureuther, und dort findet in einem Jahr die alpine Weltmeisterschaft statt.

Und eine bessere Werbung kann sich ein Veranstalter doch gar nicht wünschen: dass die Botschafter der WM nicht teuer von Ferne eingekauft und eingeflogen werden müssen, dass sie nicht nur fremd von den Plakaten lächeln. Sondern dass die Riesch-Schwestern täglich durch den Ortskern wandern, vorbei am Rathaus, am Stadtbrunnen, an der Loisach, Bürger von Garmisch-Partenkirchen wie andere auch, nur um einige Medaillen, Triumphe und Enttäuschungen, reicher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: