Olympia:Medaille verpasst, Dopingtest-Formular zerrissen

Pyeongchang 2018 - Eisschnelllauf

Claudia Pechstein sackt nach ihrem Lauf völlig erschöpft auf der Bande zusammen.

(Foto: dpa)

Als Claudia Pechstein entkräftet das Eis verließ und plötzlich die Doping-Kontrolleure vor ihr standen, verlor Deutschlands Rekord-Winter-Olympionikin die Beherrschung. Wütend zerriss die Eisschnellläuferin das Formular für den Dopingtest. "Das kann doch nicht wahr sein. In diesem Moment mit dem Formular zu winken", echauffierte sich Pechstein. Kurz zuvor hatte sie am Freitag ihre erhoffte zehnte Olympia-Medaille auf ihrer Paradestrecke über 5000 Meter bei den Winterspielen in Pyeongchang klar verpasst und mit großem Rückstand nur den achten Platz belegt.

Nachdem die Berlinerin wegen auffälliger Blutwerte bereits für zwei Jahre gesperrt worden war und einen langen Kampf gegen dieses Urteil geführt hatte, ist sie in Sachen Dopingkontrollen ohnehin besonders sensibel. Mit etwas Verspätung hatte sich ihr Groll gelegt und sie absolvierte den Test wie vorgeschrieben.

Es war nicht der Tag der fünfmaligen Olympiasiegerin, die Geschichte schreiben wollte. Doch im Alter von 45 Jahren und 359 Tagen misslang der Berlinerin das Vorhaben, als älteste Frau der Olympia-Geschichte eine Medaille in einer Einzel-Disziplin zu holen. Die Niedergeschlagenheit wich aber schnell neuer Angriffslust. "Ob nun Vierte oder Achte - das ist doch egal. Ich wollte eine Medaille." Und trotzig kündigte Pechstein an, diese nun mit fast 50 Jahren 2022 in Peking holen zu wollen. "Ich laufe vier Jahre weiter, dann muss es nächstes Mal halt Gold werden", sagte Pechstein.

Dreimal nacheinander (1994 bis 2002) hatte die Eisschnellläuferin olympisches Gold auf ihrer Paradestrecke über 5000 Meter geholt, doch in Pyeongchang blieb die Sensation im Generationenduell aus. In 7:05,43 Minuten wurde die hoch gehandelte Pechstein letztlich abgeschlagen Achte - der 45-Jährigen waren im Laufe des Rennens schlicht die Kräfte ausgegangen. "Ich habe versucht, gleichmäßig zu laufen. Das ging nicht lange gut. Siegen oder sterben - bei mir ging es in Richtung sterben", sagte Pechstein über ihre Vorstellung im Gangneung Oval: "Ich bin nicht Letzte geworden, da kann ich fast schon wieder happy sein. Ob Vierte, Fünfte oder Sechste ist scheißegal, Medaille oder gar nichts."

Gold ging an die 23 Jahre jüngere Esmee Visser aus den Niederlanden, die mit 6:50,23 Minuten Bahnrekord lief. "Es ist unglaublich, Olympiasiegerin zu sein", sagte Visser dem TV-Sender NOS. Zweite wurde die dreimalige Olympiasiegerin Martina Sablikova (Tschechien/6:51,85) vor der Olympischen Athletin aus Russland Natalja Woronina (6:53,98).

Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, sprach Pechstein unmittelbar nach dem Rennende Mut zu. "Natürlich ist es schade für sie. Wir hätten es ihr alle von Herzen gegönnt. Ich bin mir sicher, sie hat wie immer im Leben alles gegeben", sagte er.

Pechstein baut stark ab

Zunächst sah es gut aus für Pechstein. Im fünften von sechs Paaren trat die routinierte Berlinerin neben der kanadischen Läuferin Ivanie Blondin an die Startlinie. Sie richtete ihren Blick auf das Eis, ehe mit dem Startschuss die zwölfeinhalb Runden lange Kraftprobe losging. Pechstein lief gegen ihre 18 Jahre jüngere Kontrahentin zu Beginn ein starkes Rennen, während sie von der Tribüne aus von ihrem umstrittenen Lebensgefährten und Betreuer Matthias Große wild gestikulierend angefeuert wurde. "Jawoll! Jawoll!", rief er auf das Eis, reckte immer wieder die Faust in die Höhe.

Anfangs schien die Geste berechtigt zu sein: Pechstein startete mit außerordentlich schnellen Runden, mittlere 32er Zeiten waren die Regel. Ihre stabilen Rundenzeiten hielt sie nur bis etwa zur Hälfte des Rennens durch. Nach rund 3000 Metern verlor Pechstein erst Blondin, dann auch die Medaillenränge aus den Augen. Pechstein, sonst bekannt dafür, konstante Rennen laufen zu können, brach ein. 34,94, 35,31, 35,72, 35,57 - mit diesen Zeiten läuft man bei Olympischen Spielen nicht auf die Medaillenränge.

Im Ziel verzichtete Pechstein auf ihre inzwischen berüchtigte Geste. Sie hielt sich nicht wie so oft in der Vergangenheit mahnend den rechten Zeigefinger vor den Mund, um eine klare Botschaft an ihre Kritiker, allen voran den Weltverband ISU zu senden. Wenige Augenblicke später wählte sie mit dem Zerreißen des Formulars für den Dopingtest aber eine noch drastischere Geste.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: