Olympia:Röhler schleudert fast bis zur Treppe

Athletics - Men's Javelin Throw Final

Ein weiter Wurf und seine erfreulichen Konsequenzen: Thomas Röhler ist Olympiasieger.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Das gab es seit 44 Jahren nicht mehr: Mit Thomas Röhler hat Deutschland endlich wieder einen Olympiasieger im Speerwurf - seinen Erfolg erreicht er mit einem Wurf für die Geschichtsbücher.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Den glücklichsten Wurf seines Lebens zeigte Thomas Röhler, als schon alles entschieden war. Im Olympiastadion von Rio de Janeiro schnappte er sich seinen Speer, schüttelte sich mit der Hand noch einmal durch die Haare. Die Stadionregie spielte "Life is life" von Opus ein und da stand er nun, in der rechten Hand sein Wurfgerät, der Kopf nickte zur Musik. Thomas Röhler lächelte, er brachte diesen sechsten Versuch noch zu Ende, Weite egal. Röhler war Olympiasieger.

"Nach 44 Jahren hat Deutschland wieder einen Speerwurf-Olympiasieger", freute er sich später, die Zahlen hatte er da schon ganz genau im Kopf. Zuletzt war Klaus Wolfermann bei den Spielen in München 1972 der Triumph geglückt, nun jubelte da ein 24-Jähriger mit der Siegerweite von 90,30 Metern. Mit ihm zusammen standen der Silbergewinner Julius Yego aus Kenia (88, 24) auf dem Treppchen sowie Keshorn Walcott aus Trinidad und Tobago (85,38), der Olympiasieger von London. "Das ist etwas ganz Besonderes, das werde ich mein Leben lang nicht vergessen", sagte Röhler nach der Siegerehrung. Und konnte die Hände kaum von seiner Medaille lassen.

Für die deutschen Leichtathleten ist es die dritte Medaille in Rio und von diesem Speerwurffinale hatte man sich nicht nur beim Deutschen Leichtathletikverband (DLV) einiges erhofft. Da standen ja mit Röhler, Johannes Vetter und Julian Weber gleich drei Deutsche im Finale. "Ich habe gestern Fernsehen geguckt, da klang es fast, als ob drei Medaillen gefordert werden von uns drei Jungs", sagte Röhler nun. Vetter, der erst spät mit dem Speerwerfen angefangen hatte, landete auf einem starken vierten Platz (85,32 Meter), Julian Weber belegte Rang neun (81,36 Meter).

Druck sei wie ein Rucksack, der ihn auch anschieben kann, hat Röhler mal gesagt. Und so wurde er sich nun auch im Finale bewusst: "Ich muss bei mir bleiben heute." Er sei schon mit dem richtigen Gefühl aufgewacht, erzählte Röhler, und so startete er gut in den Wettbewerb: Gleich im ersten Versuch schickte er den Speer auf 87,40 Meter. Nur Yego warf weiter, "er hat mich ganz schön gefordert".

Sein Gegner weint, weil er aufhören muss

Nach dem vierten Versuch musste der Kenianer dann verletzt aufgeben, im Rollstuhl wurde er in den Bauch der Arena gefahren, die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Dann kam Röhlers Zeit, er hatte jetzt einen Gegner weniger, der ihm hätte kontern können: Er wuchtete den Speer auf 90,30 Meter. Es ist der zweitweiteste Wurf, der bei Olympischen Spielen je gezeigt wurde seit dem Wechsel auf den neuen Speer im Jahr 1986.

Geholfen hat Röhler auch ein Bild, das er vor dem Wettkampf in der Arena geschossen hat. "Wenn ich hier weit werfen will, suche ich mir ein Ziel im großen Stadion und visiere das an", erklärte er. Irgendeine Treppe sei das in diesem Fall gewesen und die anzuvisieren, dafür habe man dann eben ein Gefühl und im Idealfall komme dann eine hohe Weite dabei heraus. "Das sind Spielereien, die man mit dem Trainer macht", sagte Röhler, "aber das müssen Olympiasieger vielleicht auch machen. Etwas, was andere nicht machen".

Dass er überhaupt eine Medaillenchance haben würde in Rio, von dem Gedanken hatte sich Röhler vor der Anreise schon fast verabschiedet. Natürlich, er führte die Weltjahresbestenliste mit 91,28 Metern an, aber die EM in Amsterdam hatte ihn fertig gemacht: Da wurde er Fünfter, eine Zerrung eines Rückenmuskels bremste ihn aus. "Eine Woche vor Rio hat es sich im Training noch einmal gemeldet, obwohl es eigentlich schon weg war", sagte Röhler nun. Doch nach der Qualifikation habe er wieder das Gefühl gehabt, für 90 Meter bereit zu sein. "So, wie du dich fühlen musst, um weit zu werfen."

Die Brasilianer hätten nun jede Menge über Speerwerfen gelernt, meinte Röhler noch. In der Quali wäre ja schon bei 70 Metern der Jubel ausgebrochen, nun freuten sie sich über 90 Meter. Und auch in eigener Sache hatte er etwas Neues kennengelernt an diesem Abend. "Man ist ewig auf der Suche nach dem perfekten Wurf. Mit Speerwerfen ist man nie fertig", hatte er einmal gesagt. Nach diesem Olympiasieg sah er ziemlich fertig aus. Und sagte schließlich: "Wenn man diese Medaille in den Händen hält, darf man auch als Speerwerfer mal das Wort perfekt in den Mund nehmen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: