Olympia:Pechstein nennt ihn "meinen Bodyguard"

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Claudia Pechstein und ihr Lebensgefährte Matthias Große.

(Foto: imago/Matthias Koch)
  • Matthias Große, der Lebensgefährte von Claudia Pechstein, soll eine DOSB-Akkreditierung für Olympia in Südkorea erhalten.
  • Als Person ist Große umstritten, häufiger gab es Beschwerden.
  • Warum wird Pechstein ein persönlicher Mentalcoach gestattet?

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

In knapp einer Woche kommen die Spitzen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zu einem wichtigen Treffen zusammen. Es geht darum, die deutsche Mannschaft für die Winterspiele in Pyeongchang zu nominieren, zuvorderst die Athleten, aber darüber hinaus noch eine andere wichtige Gruppe: die Betreuer. Und das wird nicht zuletzt in dem Moment heikel, wenn sich die verantwortlichen Damen und Herren im DOSB den Wünschen der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) widmen.

Denn der Fachverband hätte gerne, dass auch Matthias Große, der umstrittene Lebensgefährte der Top-Athletin Claudia Pechstein, eine Akkreditierung für Pyeongchang erhält - als "Mentalcoach". Der DOSB will sich derzeit nicht dazu äußern. Aber er plant offenkundig, das Begehr zu erfüllen. Sollte er das tun, wäre erheblicher Unmut im deutschen Sport gewiss.

Auch in Sotschi war die Kritik groß

Pechstein, 45, wird in Pyeongchang im Mittelpunkt sein, so viel ist klar. Es sind ihre siebten Spiele, niemand stand häufiger in einem deutschen Olympia-Team, und weil sie trotz ihres Alters in erstaunlicher Form ist, könnte sie gar eine Medaille gewinnen; es wäre ihre zehnte olympische Plakette. Aber daneben geht es bei Pechstein auch um andere Themen. Schon seit Wochen wird debattiert, ob die Athletin, die von 2009 bis 2011 wegen auffälliger Blutwerte vom Eislauf-Weltverband ISU gesperrt worden war und die innerhalb des deutschen Teams oft eine Reizfigur war, als Fahnenträgerin für die Eröffnungsfeier geeignet sei. Und nun noch die erwartete Akkreditierung für den Lebensgefährten.

Schon vor vier Jahren erhielt Große für die Spiele in Sotschi eine Akkreditierung. "Als Betreuer, als Mentalcoach, wie immer man das nennen mag", sagte der damalige DOSB-Vorstand Michael Vesper; außerdem könne Große Russisch, "wir können das alle nicht, da hilft er sicherlich auch manchmal aus". Schon damals war die Kritik groß. Unter anderem die Sportausschuss-Mitglieder Dagmar Freitag und Martin Gerster (beide SPD) äußerten ihren Unmut, ebenso langjährige Eislauf-Rivalinnen Pechsteins wie Anni Friesinger und viele Sportler, aus Furcht nur hinter vorgehaltener Hand. Nur glaubten damals viele, dass Pechstein ihre Karriere bald beenden werde und sich die Frage nach einer Olympia-Akkreditierung für Große nicht mehr stelle. Nun ist sie wieder da, und an den Argumenten hat sich kaum etwas geändert.

Das eine ist der generelle Unmut darüber, warum ausgerechnet Pechsteins Vertrauter eine Akkreditierung erhalten soll. Es gibt viele Athleten, die bei den Spielen gerne ihren "Mentalcoach" oder andere Bezugspersonen an ihrer Seite hätten. Doch so einfach ist das bei olympischen Wettkämpfen nicht, selbst die Heimtrainer müssen oft zu Hause blieben. Denn die Akkreditierungen sind ein rares Gut. Der Schlüssel zwischen Betreuern und Athleten beträgt zirka 1:1; bei den Winterspielen in Sotschi waren 171 Trainer und Betreuer dabei. Da gibt es bei jeder Nominierungsrunde des DOSB schwere Enttäuschungen.

Robert Bartko, früher Bahnrad-Sportler und seit Ende 2014 Sportdirektor der DESG, kann Nachfragen dazu kaum nachvollziehen. Große sei seit Jahren "Teil unseres Betreuerteams" und bei allen Wettkämpfen dabei; also sollte er es auch bei Olympia sein. Es gehe darum, für die Athleten ein bestmögliches Umfeld zu schaffen, und dazu gehöre im Fall von Pechstein eben auch Große als Mentalcoach, so Bartko zur SZ. Auf ähnliche Argumente verweist auch Pechsteins Management.

Große bestreitet, gedroht zu haben

Daneben geht es aber noch um die konkrete Person. Große ist, gelinde formuliert, umstritten. Mit Eisschnelllauf und Mentalcoaching hatte er früher nicht viel am Hut, er studierte an der Militärakademie in Minsk, später wurde er Unternehmer. Er lernte Pechstein während deren Sperre kennen, die sie als ungerechtfertigt ansah, weil sie beteuert, niemals gedopt zu haben; die auffälligen Werte erklärt sie mit einer vererbten Blutanomalie. Pechstein nennt Große "meinen Bodyguard", so verhielt er sich in den vergangenen Jahren auch oft, worunter mancher im deutschen Sport zu leiden hatte.

So beschwerte sich vor einigen Jahren ein Erfurter Eislauf-Funktionär, dass Großes Anwesenheit im Innenraum andere Sportler störe und sich einige sogar eingeschüchtert fühlten. Der Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel berichtete über Belästigungen. Zwei Vertreter des Sportausschuss des Deutschen Bundestages empfanden Anrufe von Große als so bedrohend, dass sie sich beim Bundesinnenministerium, dem Arbeitgeber der Bundespolizeibeamtin Pechstein, beschwerten und den Sicherheitsdienst des Hauses informierten. Große bestreitet, gedroht zu haben; er habe nur klare Ansagen gemacht.

Aber bei dieser Konstellation stellt sich besonders die Frage, ob eine solche Person Teil der offiziellen deutschen Delegation sein kann, deren Kosten zum Großteil das Bundesinnenministerium aus seinem Etat finanziert. Das BMI teilt mit, es wolle mögliche Entscheidungen des DOSB nicht kommentieren. Und DESG-Sportdirektor Bartko sagt, in seiner Zeit beim Verband habe Große "mir gegenüber immer sein Wort gehalten und sich an die Gepflogenheiten des Verbandes gehalten".

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