Olympia: Maria Riesch:Sie kommt immer zurück

Maria Riesch hat eine seltene Gabe: Nach Rückschlägen kehrt sie umso stärker zurück. Diesmal mit dem ersten Olympia-Gold für deutsche Skifrauen seit 1998.

Michael Neudecker, Whistler Mountain

Der alpine Skizirkus ist eine einfache und überschaubare Welt. Es gibt ein paar, die gewinnen können, ein paar, die nicht gewinnen können, und ein paar dazwischen. Und es gibt Lindsey Vonn und Maria Riesch, manchmal hat man den Eindruck, es gäbe nur Lindsey Vonn und Maria Riesch.

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(Foto: Foto: dpa)

Bei den Olympischen Spielen, wo Medien aus aller Welt über die Kernsportart Ski alpin berichten, also auch jene, die sonst nie ein Wort darüber verlieren, ist das ganz besonders so. Und hätte nicht die Amerikanerin Julia Mancuso nun zweimal völlig überraschend Silber gewonnen, die Leute hier in Whistler Creekside würden wohl über gar nichts anderes sprechen als über Lindsey Vonn und Maria Riesch.

Aber natürlich passt das auch so wunderbar: Die beiden Besten sind zugleich gute Freundinnen. Auf der Homepage von Maria Riesch gibt es ein Video von Weihnachten, da sitzen Lindsey Vonn und ihr Mann Thomas bei Bier und Geschenken mit der Familie Riesch zusammen, es ist ein sehr lustiges Video. Bei größeren Rennen ist es deshalb immer so, dass Maria Riesch nach Lindsey Vonn gefragt wird und umgekehrt. Und jetzt sind auch noch die ersten beiden Rennen bei Olympia so verlaufen, dass sie perfekt hineinpassen in dieses Schema.

Lindsey Vonn siegte am Mittwoch in der Abfahrt, Maria Riesch wurde nur Achte. Sie habe sich Sorgen gemacht über Maria, sagte Vonn hinterher, weil sie gehört habe, Maria sei nervös am Start gewesen, wegen der vielen Stürze. Hut ab vor Lindseys Leistung, sagte Riesch.

Am Donnerstag lief es genau andersherum: Lindsey Vonn stürzte im Slalom, und Maria Riesch gewann. Und dann ging es wieder los mit den Fragen. Lindsey, freuen Sie sich für Ihre Freundin Maria? "Ja, ich freue mich sehr für sie", antwortete Lindsey Vonn, "es wäre natürlich perfekt gewesen, wenn wir beide oben gestanden wären, aber sie wird das nicht wirklich gestört haben", Lindsey Vonn lachte.

"Ganz toll, jetzt heißt es, Vonn/Riesch eins zu eins", sagte Maria Riesch. Sie wirkte genervt, zumindest einen kurzen Moment lang.

Schließlich ist dieser Olympiasieg, ist überhaupt die ganze Karriere von Maria Riesch ja in Wahrheit vollkommen losgelöst zu betrachten: Ihre Siege und Niederlagen haben höchstens sekundär mit Lindsey Vonn zu tun. Skirennfahren ist ein Individualsport; wer gewinnt, dem ist es egal, wer Zweiter wird und wer ausscheidet.

Für Maria Riesch, ganz allein, spielt diese Goldmedaille nun eine besondere Rolle. Es ist Olympia-Gold, gewiss, das zuvorderst, das erste für die deutschen Skirennfrauen seit 1998. Es ist eine Bestätigung, dass Maria Riesch besser ist als die meisten anderen, konstant besser. Vor allem aber ist diese Goldmedaille eine Beruhigung. "Ein Felsbrocken" sei ihr vom Herzen gefallen, als sie als Führende im Ziel ankam, sagte sie hinterher. Man konnte den Felsbrocken beinahe hören.

Im Video: Die deutsche Maria Riesch hat bei den Olympischen Winterspielen in Kanada am Donnerstag die heißersehnte Goldmedaille in der Super-Kombination gewonnen.

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"Olympiasieger, allein wie das klingt"

Maria Riesch mag eine bemerkenswerte Eigenschaft haben, nämlich die, "dass sie nach einem Rückschlag am nächsten Tag sofort zurückkommt", wie Trainer Mathias Berthold sagt. Das hatte sie bewiesen, mit einem Sieg nach dem sehr mäßigen achten Platz am Vortag, und auch sonst hat sie schon des Öfteren gezeigt, "dass ich eine Kämpferin bin". Aber sie ist ja auch ein Mensch, ein 25-jähriges Mädchen, das sich Gedanken macht über das was passiert, das, was sie tut.

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Als sie bei der Weltmeisterschaft in Val-d'Isère 2008 in vier Wettbewerben hintereinander ohne Medaille geblieben war, da entstand vor dem Slalom eine Drucksituation, die außergewöhnlich war, wie in einem Dampfkessel kurz vor dem Zerbersten, Maria Riesch hat das schon oft beschrieben. "So schlimm das damals war, so gut war es für Maria, weil sie viel gelernt hat", findet Berthold. Maria Riesch gewann damals Slalom-Gold, und wahrscheinlich war es für sie diesmal auch deshalb einfacher, nach der verpatzten Abfahrt bei Olympia mit der Situation umzugehen.

Was aber, wenn sie auch in der Kombination erfolglos gewesen wäre? "Das wär die zweite verpasste Chance gewesen, dann hätte es düster ausgesehen", sagt Maria Riesch, ungefragt, sie fängt sofort davon an, als sie nach dem Rennen im Zielraum steht. "Dann wäre es schwierig geworden mit dem Kopf", sagt sie, und atmet tief aus.

Doch das ist nun hinfällig, sie hat ja gewonnen, souverän noch dazu. Sie ist Olympiasiegerin jetzt, "Olympiasieger, allein wie das klingt", sagt sie, "der Wahnsinn".

Sie hat dann am Abend gleich mal gemerkt, was das bedeutet, eine Goldmedaille für Deutschland im Ski alpin. Als sie im Deutschen Haus ankam, warteten dort schon unzählige Sponsorenvertreter und Reporter, wie das eben so ist im Deutschen Haus. Pressekonferenz, zwei Fragen Deutsche Welle, zwei Fragen kanadisches Fernsehen, zwei Fragen Bayerischer Rundfunk, Fotos, Kameraaufnahmen, Printreporter, Schalte ins Morgenmagazin, und so weiter: Olympiasieger sein kann auch anstrengend sein.

"Kann schon sein, dass jetzt der Rummel kommt", sagt sie zwischendurch und lächelt, "aber ich genieße so was ja auch." Dann geht sie hinüber, vors Kufenstüberl, die ARD wartet.

Erst einmal aber gehen die Olympischen Spiele weiter, für Maria Riesch am Samstag, dann steht der Super-G auf dem Programm. Am Mittwoch folgt der Riesenslalom, am darauffolgenden Freitag dann der Slalom. "Das ist jetzt alles Zugabe", sagt Maria Riesch. Natürlich will sie die Zugaben auch gewinnen, wenn möglich. Aber ohne Druck, ganz befreit.

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