Olympia in Deutschland:2024, 2028 oder doch lieber 2032?

Thomas Bach

Olympia als Abschiedsgeschenk? IOC-Präsident Thomas Bach.

(Foto: dpa)

Wenige Monate nach dem Volksentscheid gegen Winterspiele in München flammt das Thema Olympia erneut auf - es geht um Sommerspiele in Berlin oder Hamburg. Dabei hätten beide Städte zunächst gar keine Chance.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Die Olympia-Begeisterung ist ausgebrochen in den politischen Administrationen von Berlin und Hamburg, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ist geradezu euphorisiert von dem Gedanken, bald Sommerspiele an der Spree ausrichten zu können. Sein Kollege Olaf Scholz in Hamburg gibt sich zurückhaltender, wirkt aber auch sehr angetan. Schon entwirft Berlin präzise Skizzen, wohin das Olympische Dorf soll (aufs Gelände des dann stillgelegten Flughafens Tegel) und wohin die Dressurreiter (vor Schloss Sanssouci). Hamburg debattiert, ob Kiel oder Lübeck der geeignetere Partner für die Segel-Wettbewerbe sei. Und überall erklingen von Vertretern aus Politik und Wirtschaft wieder mal die Chöre, welch großartige Chancen Olympische Spiele doch für die Stadt und ihre Entwicklung bergen.

Also alles klar für Olympische Sommerspiele 2024 in Deutschland? Nun ja. Es ist aus diversen Gründen eine schräge Debatte, die in Berlin und Hamburg gerade läuft.

Formal ist es so: Bis Ende August sollen die Städte einen 13 Fragen umfassenden Katalog des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) beantworten. Der beschließt dann bis Dezember, ob er jemanden für 2024 ins Rennen schickt. Bewerbungsende beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist im Herbst 2015, die Wahl des Ausrichters zwei Jahre später.

Es ist ziemlich erstaunlich, wie sich das Olympia-Thema in Deutschland zuletzt wieder entwickelt hat. Erst im November hatten sich die Bürger ja bei Volksentscheiden rund um München mit überwältigender Mehrheit gegen Winterspiele 2022 ausgesprochen; aus Angst vor hohen Kosten und Schäden für die Natur. Im Kern aber dominierte der Widerstand gegen einen Pakt mit dem IOC. Olympia war erst einmal durch, selbst Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mahnte zu Geduld. Doch flott kam es wieder auf, durch die Hamburger Handelskammer und den Berliner Bürgermeister, und natürlich diskret befeuert durch die DOSB-Gewaltigen. Nur Monate nach dem München-Desaster bemerkte Generaldirektor Michael Vesper schon wieder kühn, es gehe nicht mehr um die Frage, ob, sondern nur um den Zeitpunkt und mit welcher Stadt. Und jetzt träumen sie in Berlin und Hamburg schon ihren großen Olympia-Traum.

Dabei ist die Bevölkerung in den Städten viel zurückhaltender als ihre politische Führung. Die Skepsis gegenüber dem IOC ist nicht kleiner geworden. Weshalb es vielleicht kein Zufall ist, dass dort jetzt unter dem neuen Präsidenten Thomas Bach immerzu fromm die Rede von angeblichen Reformen ist. Was Bachs Vorgänger Jacques Rogge, einem Arzt, nie gelang, der im IOC zwölf Jahre lang gegen eine Wand der Altgedienten anrannte, will der wendige Wirtschaftsadvokat Bach schaffen, der im Olymp stets eher als Günstling der Mächtigen und der arabischen Klientel auffiel denn als Modernisierer. Aber es muss ja etwas passieren zur Imagekorrektur; die Vorbehalte gegenüber dem IOC sind in Deutschland so groß wie in anderen westlichen Demokratien.

In einer Ende Juli veröffentlichten Umfrage unter Hamburger Bürgern fanden mehr als 70 Prozent, die Ausrichtung sei zu teuer und die Stadt solle lieber in andere Projekte investieren. In beiden Städten sind ja jüngere Bau- und Finanzdesaster dauerpräsent: in Berlin der Flughafen, in Hamburg die Elbphilharmonie. In beiden lebt auch noch die Erinnerung an grandios gescheiterte Olympia-Kandidaturen: Berlin lieferte bei der Wahl für die Spiele 2000 eine kabarettreife Pannenshow, Hamburg verlor für die Spiele 2012 schon in der nationalen Vorauswahl gegen Leipzig.

Beim bisherigen Vorgehen deutet wenig darauf hin, dass die Verantwortlichen aus der Abfuhr für München gelernt haben - wie sie gern beteuern. Auf der Internetseite hat die Berliner Landesregierung zwar eine schwammige Umfrage geschaltet, um Bürgerbeteiligung zu simulieren. Aber die Kernfrage stellt sie den Bürgern nicht: "Wollen Sie Olympische Spiele, Ja oder Nein?"

Größte Chancen wohl erst 2032

Da erstaunt, dass schon so konkrete Pläne zu Tegel, Sanssouci und Co. kursieren, wenn doch die Bürgerbeteiligung gerade erst im Gange ist. Interessant ist zudem, dass im Berliner Parlament der Fragenkatalog zur Olympiabewerbung erst Mitte September ein Thema sein wird - er da aber schon einige Wochen beantwortet beim DOSB liegt.

Die Sache hat weitere Haken: Eine Bewerbung würde viel Geld kosten (zwischen 40 und 60 Millionen Euro) - hätte aber für 2024 aus sportpolitischen Gründen fast keine Chance. Der Deutsche Fußball-Bund hat die Austragung der EM 2024 fest im Visier, alles deutet darauf hin, dass er sie erhält. Die zwei größten Sportveranstaltungen eines Jahres binnen weniger Wochen in einem Land auszutragen, ist aber nicht vorstellbar.

Überdies wartet auch in der olympischen Welt selbst ein enormes Hindernis: Die Kandidatur einer amerikanischen Stadt gilt als abgemacht, jüngst verkürzten die Gremien die breite Bewerberpalette auf eine Vierer-Liste: Boston, Los Angeles, San Francisco, Washington. Beobachter sind überzeugt, dass das IOC trotz (oder wegen) seiner verstärkten Hinwendung gen Osten eine US-Bewerbung nicht noch einmal ignorieren könnte. Auch aus finanziellen Gründen.

Noch immer sind ja viele maßgebliche Sponsoren des Ringe-Clans US-Firmen, im Mai schloss das IOC mit dem US-Fernsehen einen Rekordvertrag über fast acht Milliarden Dollar ab. Daneben peilt auch das im Weltsport immer einflussreichere Russland baldige Sommerspiele in Wladimir Putins Heimatstadt Sankt Petersburg an. Und mit Putin versteht sich der neue IOC-Chef Bach auffallend gut, wie Teile des politischen Berlins indigniert beobachten.

Bessere Chancen hätte eine deutsche Bewerbung also für 2028 oder - noch eher - für 2032. Dieses Datum würde ja gerade aus der Warte des IOC-Chefs Bach Sinn ergeben, dessen persönliche Motive in der Vergangenheit auffallend deckungsgleich waren mit der jeweiligen sportpolitischen Haltung in Deutschland. Läuft alles glatt, könnte sich der 2013 gewählte Wirtschaftsanwalt gemäß IOC-Statuten 2021 noch einmal für vier Jahre im Thronamt bestätigen lassen - und dann zur Abschieds-Session 2025, sozusagen als letzte Amtshandlung an der IOC-Spitze, den Zettel mit einer besonderen Aufschrift aus dem Umschlag ziehen: 2032 - Berlin. Das könnte der Beginn einer schönen neuen Rolle sein.

Und zuvor, in seiner Amtszeit als IOC-Chef, müsste sich der deutsche Präsident nicht mit Tücken und Untiefen einer deutschen Bewerbung herumschlagen.

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