Olympia:Hirschers Gold-Projekt endet unerwartet früh

Ski Alpin: Der Österreicher Marcel Hirscher scheidet überraschend im Slalom bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang aus.

"Ein Gefühlsskifahrer bin ich halt nicht": Marcel Hirscher verpasst Gold im Slalom, weil er im ersten Lauf patzt.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)
  • Gold-Favorit Marcel Hirscher scheidet überraschend schon im ersten Lauf des Slaloms aus, auch der Norweger Henrik Kristoffersen beendet den Wettkampf nicht.
  • Den Sieg holt sich der 35-jährige Schwede André Myhrer.
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Von Johannes Knuth, Pyeongchang

Unten, im Ziel, brandete kurz Jubel auf, Marcel Hirscher hat das vielleicht noch gehört, als er sich aus dem Starthaus schob. Die Tribünen waren ja erstaunlich gut gefüllt, was zum einen den schnatternden Schulklassen geschuldet war, die einen Ausflug zum Slalom der Männer in Yongpyong unternommen hatten. Zum anderen am fachkundigen Publikum, darunter ein Fanklub, der sich auf seiner österreichischen Flagge als "Austrians in South Korea" outete. Aber ihr Jubel verebbte ungefähr so schnell, wie er angeschwollen war.

Das war nicht der Marcel Hirscher der vergangenen Tage und Wochen, Inhaber von zehn Weltcup-Siegen in diesem Winter, der am Donnerstag über den Hang in Yongpyong pflügte.

Dieser Hirscher wirkte wie ein Doppelgänger, dem man einen rot-weiß-roten Skianzug übergestülpt hatte. Er presste die Ski nicht kurz ins Eis und löste sie wieder, mit viel Kraft und Selbstbewusstsein. Er rutschte und wackelte, nach der ersten Zwischenzeit trieb es ihn in den Tiefschnee. Ausgeschieden, zum ersten Mal seit zwei Jahren im Slalom. Der Österreicher hatte im Vorfeld immer wieder Gewinnwarnungen ausgesprochen, auch nach zehn Saisonsiegen in diesem formidablen Winter, den er bislang verlebt hatte. "Ihr glaubt's mir ja nie", sagte Hirscher nun: "Aber heute glaubt's ihr mir."

Was solle schon passieren, wenn ihm ein Rennen mal entgleite?

Hirscher hatte die Winterspiele mit zwei Olympiasiegen eröffnet, seinen ersten, in der Kombination und im Riesen-Slalom. Ein dritter hätte ihn auf eine Stufe mit seinem Landsmann Toni Sailer und Jean-Claude Killy gehoben, die einzigen Inhaber von drei olympischen Hauptpreisen. Die dritte Goldmedaille fiel dann überraschend dem 35 Jahre alten Schweden André Myhrer zu, weil auch Henrik Kristoffersen, Klassenbester nach dem ersten Lauf, im zweiten früh ausschied. Na und? Er habe 55 Weltcups gewonnen, sagte Hirscher, sechs WM-Titel, jetzt die zwei Olympiasiege - was solle schon passieren, wenn ihm ein Rennen mal entgleite? Nichts, das hatte er schon vor dem Slalom beteuert.

Seine Feuerprobe sei die WM vor fünf Jahren in Schladming gewesen, sagte Hirscher, da habe er nachweisen müssen, "dass ich ein Großer in dem Sport werden kann". Hirscher gewann dann vor 40 000 kreischenden Landsleuten Gold im Slalom. Mittlerweile wisse er, "dass ich in der Erfolgsleiter einige Ebenen hochgeklettert bin", nach fünf weiteren WM-Titeln und sechs Erfolgen im Gesamtweltcup. Er sei auch "schon mal mehr angefressen" gewesen nach einem Ski-Rennen. Wobei in seinem Tonfall noch eine passable Angefressenheit lag.

Hirschers fast schon manische Materialtüftelei ist bis heute seine große Stärke, vor allem die Gabe, Ski, Schuh und Bindung bei jeder Witterung mit seinem Fahrstil in Einklang zu bringen. Aber auf dem trockenen koreanischen Schnee (der manche Skibeläge verbrannte wie bei Lindsey Vonn in der Abfahrt), hatte Hirscher sich zuletzt in Problemen verheddert. "Im Vorfeld war die Rede, dass der Hang mit Wasser präpariert wird", sagte Hirscher, das hätte ihn härter gemacht. Davon habe er im Rennen nur nicht viel gesehen. Seine kraftvollen, kurzen Schwünge verpufften in dem weicheren Geläuf.

"Heute sind die vorne, die es mehr mit Gefühl machen können", sagte Hirscher; es wäre wohl ein perfekter Lauf für den kreuzbandverletzten Felix Neureuther gewesen. "Ein Gefühlsskifahrer bin ich halt nicht", sagte Hirscher. Wobei: Ein sehr konkretes Gefühl hatte er am Donnerstag während seiner Fahrt ja schon verspürt: "Scheiße."

Es war ein schwacher Trost, dass viele Konkurrenten durch ähnliche Probleme wateten, der Deutsche Linus Straßer zum Beispiel, der nach der dritten Zwischenzeit stürzte und ausschied. Fritz Dopfer, der zweite deutsche Vertreter, wurde am Ende 20. Hirscher war da schon auf dem Rückzug. Er reise "sehr dankbar" von diesen Spielen ab, hatte er noch gesagt, es waren wohl seine letzten. Und jetzt? "Wäsche waschen, schlafen, dann wieder zurück ins Training." Den Teamwettbewerb am Samstag wird er verpassen, es gehe nicht anderes, sagte er: Am übernächsten Wochenende steht in Kranjska Gora der nächste Weltcup an.

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