Olympia:Für Russland könnte der Deal platzen

Doping: Bobfahrerin Nadeschda Sergejewna (rechts) wurde bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang 2018 positiv auf das Stimulanzium Trimetazidin getestet.

Doping-Fall zwei: Nadeschda Sergejewa (rechts neben Anastassija Kotscherschowa) wurde positiv auf das Stimulanzium Trimetazidin getestet.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Die Bob-Pilotin Nadeschda Sergejewna wird mit einem unerlaubten Mittel erwischt, die russischen Verantwortlichen stellen sie als Einzeltäterin dar.
  • Sie wissen: Der Fall könnte größere Auswirkungen haben.
  • Interessant wird sein, wie das IOC und sein Präsident Thomas Bach reagieren.

Von Johannes Aumüller, Pyeongchang

Wer den Freitag im olympischen Park zu Gangneung verbrachte, der konnte tagsüber auf gut gelaunte Vertreter der russischen Delegation treffen. Zunächst gab es im Eiskunstlauf die erste Goldmedaille dieser Spiele für die "Olympischen Athleten aus Russland" (OAR) und noch dazu eine silberne. Ein paar Stunden später qualifizierte sich die Eishockey-Mannschaft fürs Finale gegen Deutschland. Zudem schien hinter den Kulissen alles bereitet zu sein für eine Rückkehr Russlands in die olympische Familie zur Schlussfeier am Sonntag - mitsamt dem Einmarsch unter russischer Flagge. Doch dann platzte in diese gute Stimmung hinein die Nachricht eines neuerlichen Dopingfalls eines Olympia-Teilnehmers aus Russland. Und damit verbunden eine Frage: Was bedeutet das alles für die angedachten Rückkehrpläne?

Am Freitagabend koreanischer Zeit bestätigte der russische Bob-Verband, dass die Pilotin Nadeschda Sergejewa positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin getestet worden sei. Auf ein Mittel, das stimulierende Wirkung haben soll und die Ausdauer verbessern kann. Damit haben die Spiele von Pyeongchang ihren vierten Dopingfall - und die OAR-Mannschaft ihren zweiten nach dem Curler Alexander Kruschelnizkij (Meldonium).

"Ich kann sagen, dass sie uns alle enttäuscht hat"

Sergejewa hatte sportlich keine große Rolle gespielt. Sie war mit ihrer Partnerin Anastassija Kotscherschowa zur Wochenmitte Zwölfte im Zweier-Bob geworden. Noch am 13. Februar sei ein Test bei ihr negativ gewesen, hieß es. Fünf Tage später sei die verbotene Substanz in einer geringen Dosis in ihrem Körper gefunden worden. Sergejewa war schon 2014 bei den Sotschi-Spielen gestartet. Zudem gehörte sie zu jenen russischen Athleten, die im Frühjahr 2016 mit dem Herzmittel Meldonium erwischt und zunächst suspendiert worden waren. Damals kam sie um eine längere Sperre herum.

Der Grund: Das in Russlands Sport sehr verbreitete Mittel war erst zum 1. Januar 2016 neu auf die Dopingliste gesetzt worden. Und aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse konnte nicht ausgeschlossen werden, dass Sergejewa das Mittel noch 2015, als es noch erlaubt war, zu sich genommen hatte.

Nach dem Befund am Freitag hieß es in einer Erklärung: "Der Bob-Verband Russlands und die Athletin selbst sind sich des Ausmaßes ihrer Verantwortung und der Auswirkungen des Vorfalls auf das Schicksal des gesamten Teams bewusst." Die russischen Verantwortlichen schossen sich schon schwer auf Sergejewa ein: "Leider zeugt dieser Fall von der Fahrlässigkeit der Sportlerin. Ich kann sagen, dass sie uns alle enttäuscht hat", sagte Delegationsleiter Stanislaw Posdnjakow. Und die Zeitung Sport Express titelte vorwurfsvoll: "Was ist das nur für eine Sportlerin?"

Alles sah nach einem Deal zwischen IOC und Russland aus

Formal wird die Exekutive des IOC an diesem Samstag über eine mögliche Aufhebung der Suspendierung beraten; eine dreiköpfige Kommission liefert eine Empfehlung. Bisher gab sich das Ringe-Gremium unter der Führung seines Präsidenten Thomas Bach während der kompletten Affäre russlandfreundlich. Im Dezember 2017 suspendierte es zwar das Russische Olympische Komitee, ließ aber zugleich 168 Athleten als "OAR" zu, die unter neutraler Flagge starten durften - und stellte zudem eine Rückkehr bereits zur Schlussfeier in Pyeongchang in Aussicht. Diese schien hinter den Kulissen abgemacht zu sein, obwohl sich Russland weiterhin weigert, das Ausmaß des Dopingskandals zuzugeben. Die 168 Starter pries IOC-Bach stets als Vertreter einer neuen, sauberen Generation.

Doch dann kam diesem Plan zunächst der Positivbefund des Curlers und Bronze-Gewinners Kruschelnizkij in die Quere - zumal der seine Schuld zunächst nicht eingestand, sondern verbreitete, es könne sich nur um einen Anschlag gehandelt haben. Eigentlich hätte schon dieser Dopingfall ein Ausschlusskriterium sein können, aber das wollte das IOC nicht bestätigen.

Stattdessen hatte es noch am frühen Freitag so ausgesehen, als ob sich Russland und IOC zum wiederholten Mal auf einen Deal verständigt hätten. Unter der Woche war es in Pyeongchang zu einem Treffen zwischen IOC-Chef Bach und dem russischen Spitzenpolitiker Igor Lewitin, einem Vertrauten von Russlands Staatschef Wladimir Putin, gekommen. Kurz danach gab der Curler Kruschelnizkij bekannt, vor dem Sportgerichtshof Cas nicht gegen seinen Dopingbefund ankämpfen, sondern seine Medaille zurückgeben zu wollen. Die russische Seite teilte zudem mit, dass sie die im Dezember geforderte Strafe von 15 Millionen Dollar überwiesen habe.

Doch dann wurde der Fall der Bobpilotin Sergejewa bekannt, und nun kommt es darauf an, wie das IOC und Bach die beiden Olympia-Fälle einsortieren. Und wenn sie Russland trotzdem zur Schlussfeier offiziell zurück an den Tisch der olympischen Familie bitten - wie sie es dann begründen werden.

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