Olympia-Finale im Basketball:Dream Team erfüllt seine Mission

Gold sollte es sein, nichts anderes - und am Ende klappte es auch: Die mit vielen Berühmtheiten gespickte Auswahl der USA besiegt im Finale starke Spanier mit 107:100 und holt den Olympiasieg. Der Europameister hält lange mit, ärgert die Amerikaner gehörig, doch dann trifft ein Akteur plötzlich alle wichtigen Würfe.

Jürgen Schmieder, London

Manchmal, da erzählt der Anfang schon viel von einer Geschichte. In einigen der besten Bücher und Filme wird bereits zu Beginn angedeutet, wie es am Ende ausgehen wird. So war es auch beim Basketballfinale der Männer: Da stand nach wenigen Sekunden Kobe Bryant auf dem Spielfeld herum, sein Blick sagte: Was? Nein, oder? Das kann doch gar nicht sein!

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LeBron James hob einfach ab: Mit einem Dunk und einem Dreier entschied der Mann von den Miami Heat das olympische Finale.

(Foto: AFP)

Doch, es konnte sein, auch wenn Bryant es nicht glauben wollte: Erst hatte sein Kollege Kevin Durant einen schwierigen Drei-Punkte-Wurf versenkt, dann hatte Bryant gefoult und dem Spanier Juan-Carlos Navarro eine Vier-Punkte-Aktion ermöglicht. Bryant staunte über Durant, er staunte über seinen Fehler, er staunte auch über die starken Spanier. Die Pointe am Ende eines dramatischen Spiels, die große Überraschung, das große Staunen, das gab es dann doch nicht: Die US-Basketballer gewannen mit 107:100 und wurden Olympiasieger.

"Es war unglaublich", sagte Bryant nach dem Spiel, "die Spanier haben hervorragend gespielt, sie haben perfekt verteidigt und fast jeden Wurf von außen getroffen. Kevin hat uns mit einer unglaublichen Leistung im Spiel gehalten und die Partie für uns gewonnen." Kollege LeBron James sagte: "Es ging hier um die drei Buchstaben auf dem Trikot, es ging um die USA - wenn wir verloren hätten, dann hätten wir wohl Probleme mit der Einwanderungsbehörde bekommen."

Natürlich haben die Amerikaner eine ganze Menge herausragender Athleten nach London geschickt, die auch viele Medaillen gewonnen haben. Aber dieser Erfolg im Basketball gehörte doch zum nationalen Selbstverständnis. Vier prägende Teamsportarten gibt es in den Vereinigten Statten: Baseball und American Football sind nicht im Olympischen Programm - und beim Eishockey-Turnier vor zwei Jahren in Vancouver hatten die USA im Finale gegen Kanada verloren. Also mussten wenigstens die Basketballer Olympiasieger werden. Schon Silber hätte wohl eigentlich alle enttäuscht.

Die hatten sich während des Turniers als effiziente Einheit präsentiert: Sie hatten nicht immer spektakulär agiert, bisweilen das Verteidigen vergessen und von jenseits der Drei-Punkte-Linie meist an den Ring und nicht hindurch geworfen. Doch sie gewannen ihre Partien souverän, LeBron James sagte vor dem Finale recht pragmatisch: "Wir müssen verteidigen, wir müssen Rebounds holen und in der Offensive passen. Das ist die Partie, die jeder sehen wollte."

Vor vier Jahren in Peking hatten sich die USA und Spanien ein dramatisches und spektakuläres Endspiel geliefert, das die Amerikaner am Ende mit 118:107 gewonnen hatten. So sollte es auch an diesem Nachmittag in der Greenwich Arena vor 13.500 Zuschauern sein.

Die Spanier wählten in der Verteidigung die Zonendeckung, das ermöglichte ihnen, rasch zu Gegenspielern zu wuseln und Einzelduelle mit den physisch überlegenen Amerikanern zu vermeiden. Damit begegneten sie der eindimensionalen und leicht durchschaubaren Taktik der Amerikaner: LeBron James, Kobe Bryant oder Kevin Durant preschten durch die Mitte - entweder warfen sie selbst oder probierten ein Zuspiel nach außen.

In der Offensive passten die Spanier. Dann passten sie. Und dann passten sie noch einmal. Spätestens beim dritten Zuspiel stand ein Spanier alleine an der Drei-Punkt-Linie herum und durfte ungestört werfen, die Quote der Fernwürfe lag bei 54 Prozent. "Sie haben einfach nicht daneben geworfen", sagte Bryant danach ehrfürchtig.

Spanische Krisenzeit zum Schluss

Spanien führte Mitte des zweiten Viertels, die Amerikaner wurden wütend: Chandler wischte seinem Gegenspieler übers Gesicht, Bryant beschwerte sich bei Mitspielern und Schiedsrichtern, weil er seiner Meinung nach von beiden zu wenig beachtet wurde. Es gab mehrere Rudelbildungen, fragwürdige Entscheidungen der Referees - und es gab Kevin Durant, der mit seinen 17 Zählern dafür sorgte, dass die USA zur Pause mit einem Zähler führten. "Es war ein hartes Spiel, das von der Physis beider Mannschaften geprägt wurde", sagte US-Coach Mike Krzyzewski nach der Partie.

Er habe seine Spieler in der Pause erziehen müssen: "Die Spieler haben gesagt: 'Was immer Sie wollen, Coach!' Und dann haben sie gemacht, was ich ihnen gesagt habe." Krzyzewski verzichtete in der zweiten Halbzeit weitgehend auf Spielerwechsel, die Partie sollten nun jene Akteure entscheiden, die er für prägend erachtete - wobei Krzyzewski nur Bryant, James und Durant für prägend hielt und jeweils zwei weitere Spieler aufs Feld schickte, damit es eben fünf waren.

Diese fünf spielten nun aggressiver und variabler, doch die Spanier ließen keinen großen Vorsprung zu und kamen immer wieder heran. Vor allem Pau Gasol (24 Punkte) und Navarro (21) inszenierten und vollendendeten die Spielzüge. Die Partie sollte also erst am Ende entschieden werden, die Amerikaner nennen das "Crunch Time", Krisenzeit. In Spanien wird davon gesprochen, dass in diesem Moment in der Oper eine dicke Frau zu singen beginnt.

Es war keine Krisenzeit, es sang auch niemand - es war einfach so, dass Kevin Durant warf und traf. Seine Kollegen gaben ihm den Ball, gingen aus dem Weg und sahen Durant staunend bei der Arbeit zu. Die Spanier hatten mit vielem gerechnet in dieser Partie, sie hatten auch auf vieles die richtige Reaktion. Doch diesen Kevin Durant konnten sie einfach nicht verteidigen. "Ich habe in der zweiten Halbzeit versucht, ein paar Würfe zu nehmen", sagte Durant danach lapidar. Es war jedoch so: Durant nahm sechs Würfe, er traf alle sechs, dazu noch neun Freiwürfe. Am Ende schaffte er 30 Punkte.

Die Überraschung, dass die US-Basketballer wie 2004 nicht Olympiasieger werden, die gab es nicht, die USA gewannen das Spiel mit sieben Punkten Unterschied. Als die Partie vorbei war, stand Kobe Bryant (17 Punkte) wieder auf dem Feld. Er klatschte seine Kollegen ab, dann ging er zu Kevin Durant und umarmte ihn. Es war mehr als nur die Gratulation eines erfahrenen Spielers an seinen jungen Kollegen. Bryant sagte: "Das war es für mich, die anderen können jetzt das Kommando übernehmen." Es war der Dank des Häuptlings nach seinem letzten internationalen Spiel. Ein paar warme Worte dafür, dass sein potenzieller Nachfolger den kompletten Stamm gerettet hatte mit einer Leistung, die kaum zu glauben war.

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