Olympia:Ein dicker Rastazopf ärgert deutsche Handballer

Olympia: Brasiliens Fabio Chiuffa war der beste Torschütze seiner Mannschaft gegen die deutschen Handballer.

Brasiliens Fabio Chiuffa war der beste Torschütze seiner Mannschaft gegen die deutschen Handballer.

(Foto: Matthias Schrader/AP)

Brasiliens Fans veranstalten beim Handball ein solches Getöse, dass Deutschlands Europameister Fehler machen. Bei der Pleite passieren wunderliche Dinge.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Für Hendrik Pekeler tat sich eine ganz neue Welt auf. Der Mann von den Rhein-Neckar Löwen spielt normalerweise in Mannheim Handball, mit der Atmosphäre in der brasilianischen Olympiahalle konnte er bisher wenig anfangen. Komisch sei sie, erzählte Pekeler nach seinen ersten Eindrücken aus den Spielen gegen Schweden und Polen, von den sehr wenigen Leuten säßen sehr viele Laien im Publikum und der Abwehrexperte machte die Erfahrung: "Erst jubeln dir die Leute zu, dann wird man ausgebuht."

Am Donnerstagnachmittag, als Deutschland gegen den Gastgeber Brasilien spielte, bekam Pekeler eine andere Atmosphäre geliefert: Die 11 000 Zuschauer in der Future Arena schrien und buhten energisch, sobald nur ein Deutscher den Ball berührte. Kein Jubel für sie, dafür ein mächtiges Getöse.

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Auch das war eine interessante Stimmung, denn aus den Brasilianern ist natürlich nicht plötzlich eine Handballnation geworden, der größte Erfolg bisher war der 13. Platz bei einer WM, aber ihre Sportler lieben sie ungemein, egal ob beim Schwimmen oder beim Handball. Ihr Team hat dann tatsächlich 33:30 gegen den Europameister gewonnen. In einem Spiel, das zwar zeigte, wie stark deutsche Handballer sein können. Aber auch, dass sie manchmal gehörig straucheln. Mit einem Sieg wären sie vorzeitig ins Viertelfinale eingezogen.

"Wir sind sehr enttäuscht über das Ergebnis, aber wir werden unseren Weg weitergehen", sagte Bundestrainer Sigurdsson: "Wir hatten gute Phasen, haben das Spiel aber nie in den Griff bekommen." Zwei Punkte muss das deutsche Team nun noch holen aus den Partien gegen Slowenien am Samstag und Ägypten am Montag, um weiterzukommen.

Es gibt sensible Momente im Handball und dann zeigt sich, dass der Mannschaftssport nicht nur mit abgestimmten Pässen und Laufwegen zu tun hat, sondern auch mit Empathie. Uwe Gensheimer lag am Boden, der Kapitän der deutschen Handballer hielt sich das Knie, gespielt waren gerade 25 Minuten, es stand 15:12 für Deutschland.

Er knallte bei einer Abwehraktion mit Fabio Chiuffa zusammen, Knie an Knie, beide mit Schmerzen. Gensheimer knallte die Faust vor Wut aufs Feld, Bundestrainer Dagur Sigurdsson guckte verkniffen. Schließlich hatte er im letzten Spiel schon seinen Rechtsaußen Patrick Groetzki verloren - sollte nun auch Gensheimer, der einzige gelernte Linksaußen im Team, ausfallen?

Gensheimer kam später nach einer Behandlung in sein Team zurück, doch die Mannschaft fiel noch bis zur Halbzeitpfiff auf ein 16:17 zurück, sie wirkte reichlich mitgenommen. Dass dann Pause war, kam ganz gelegen. In der 43. Minute hatte sich das Team von Dagur Sigurdsson wieder auf ein 25:22 vorgekämpft. Vorrangig durch Einzelaktionen, diese dritte Partie bei den Olympischen Spielen war nicht wirklich durch einen roten Faden im Angriff gekennzeichnet.

Was vor allem daran lag, dass die Brasilianer fast in Manndeckung verteidigten. "Das war ein bisschen vogelwild heute. Wir haben nicht das abgerufen wie die Tage zuvor", sagte Torwart Silvio Heinevetter später. Mal konnte sich Patrick Wiencek am Kreis durchsetzen, mal preschte Fabian Wiede mutig durch die Abwehr. Doch dann wieder: Abspielfehler und unnötige Ballverluste.

Ein Brasilianer zeigt deutsche Stärken

Handball ist oft ein Spiel der Torhüter und diese Partie war auch dadurch gekennzeichnet, dass auf Seiten der Brasilianer ein Mann stand, der auf einmal deutsche Stärken zeigte: Maik dos Santos machte wohl das Spiel seines Lebens. Häufig waren die deutschen Schüsse nicht platziert genug, doch Dos Santos zeigte auch bei Knaller-Würfen überragende Reflexe. Auf der Gegenseite stand erstmals Silvio Heinevetter von Beginn an im Tor, der Berliner hielt auch gleich den ersten Ball und bewahrte sein Team vor Schlimmerem.

Seine 37 Prozent gehaltenen Bälle waren ein ordentlicher Einstand, doch so richtig Furcht einflößen konnte er den Brasilianern an diesem Tag nicht, dafür grölten die Zuschauer zu sehr. Der in den letzten Minuten eingesetzte Andreas Wolff hielt einen von sechs Bällen, Dos Santos kam auf eine Abwehrquote von 29 Prozent.

Beim Stand vom 25:25 in der 49. Minute trat Uwe Gensheimer zum Sieben-Meter-Punkt, er hatte bis dahin vier Tore erzielt. Gensheimer nahm den Ball in die Hand und schleuderte ihn Richtung Tor, doch er traf Torhüter Dos Santos am Kopf. Da sich der Keeper kaum bewegt hatte, sah Gensheimer folgerichtig rot. Danach wurde die Partie immer wilder, es kam kaum ein ordentlicher Spielaufbau zusammen.

Auch bei den Brasilianern nicht, aber so ist das eben, wenn man von 11 000 Zuschauern bejubelt wird: Da kommen dann Superkräfte zum Vorschein. Bester Werfer war Rechtsaußen Chiuffa, der nicht nur den pompösesten Rasta-Zopf dieser Spiele präsentierte, sondern auch acht Tore. Auf der deutschen Seite waren Kai Häfner und Tobias Reichmann mit jeweils sechs Treffern am erfolgreichsten.

Die Abwehr der Deutschen, die einen großen Anteil am EM-Titel hatte, tat sich mit den Brasilianern sichtbar schwer. Selbst einfache Sprünge über den Mittelblock wehrten sie nicht konzentriert ab und dieser mangelnde Biss zeigte sich auch in der Offensive: Brasilien schnappte sich in entscheidenden Situationen immer wieder den Ball, während Deutschland noch aufs Runterplumpsen wartete. "Wir hatten uns sehr auf die Zuschauer gefreut", erklärte Gensheimer, "aber vielleicht haben wir den ein oder anderen Fehler auch aufgrund der hitzigen Atmosphäre gemacht".

So einen Europameister schlägt man schließlich nicht alle Tage. Vor allem, wenn man aus Brasilien kommt. So liefen die Spieler nach dem Schlusspfiff in einer Ringelreihe durch die Halle, sie hielten sich an den Händen, von den Rängen wedelten die Fahnen. Und Hendrik Pekeler schüttelte enttäuscht den Kopf.

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