Olympia:Die Ego-Maschine, die Amerika wieder groß macht

Democratic National Convention: Day Four

Sängerin Katy Perry: Pompös, dramatisch, austauschbar

(Foto: AFP)

Jede Zeit bekommt die Olympia-Songs, die sie verdient. In Rio 2016 ist es Katy Perry mit ihrer herzlosen Selbstoptimierungshymne "Rise".

Von Julian Dörr

Penisse sind gut für die PR. Das wussten die Red Hot Chili Peppers. Das weiß Justin Bieber. Und das weiß auch Katy Perry. Weil sie aber selbst keinen Penis hat, muss zur allgemeinen Aufmerksamkeitserregung das Gemächt ihres aktuellen Lebenspartners Orlando Bloom herhalten. Der paddelte kürzlich völlig unbekleidet vor der Küste Sardiniens, während Perry beinahe züchtig im Bikini vor ihm auf dem Surfbrett saß. Die Paparazzi hielten drauf, Bloom und Perry landeten in allen digitalen und analogen Gossip-Spalten.

Was für ein Zufall, dass Katy Perry dieser Tage auch musikalisch auf die öffentliche Bühne zurückkehrt - mit ihrem Olympia-Song "Rise". Der läuft beim US-Sender NBC und im ZDF als offizielle Pop-Hymne der Sommerspiele von Rio. Und "Rise", so viel ist nach ein paar Tagen Olympia im TV klar, ist ein sehr zweckmäßiges Stück Musik. Pompös, dramatisch, austauschbar. Überwältigungsmusik für den Hintergrund. Zu viel soll ja doch nicht ablenken von den Bildern des Tages.

Wenn man sich "Rise" so anhört in seiner lauten und röhrenden Nichtigkeit, drängt sich folgende Frage auf: War Olympia früher besser? Weniger durchgeplantes Spektakel, mehr Herzblut, Schweiß und Tränen? So wie in "Barcelona", dem Song der Olympischen Spiele von 1992, die sein Komponist Freddie Mercury gar nicht mehr erlebte, weil er schon im November 1991 verstorben war? Nein, früher war nicht alles besser - auch nicht die Songs. Musikalisch wie lyrisch bewegt man sich bei sportlichen Großereignissen seit jeher auf eng abgestecktem Terrain: aufraffen, aufbäumen, siegen. Das ganze ironiefreie Revolutionspathos in Klang und Wort. Wer aber auf die Feinheiten achtet, der erkennt: Jede Zeit bekommt den Song, den sie verdient.

Nehmen wir zum Beispiel die Olympischen Spiele im südkoreanischen Seoul und Whitney Houstons "One Moment in Time". Das war 1988, die Welt war im Umbruch, Michail Gorbatschow vertrieb die Kälte aus dem Kalten Krieg. Und die Amerikanerin Houston sang eine Hymne der Sehnsucht nach dem einen großen Moment: "All meine Träume sind nur einen Herzschlag entfernt." Die Welt war in Bewegung geraten, unüberwindbare Mauern bröckelten. Ein Jahr später fiel dann die echte, die Berliner Mauer, und der Westen hatte gesiegt.

Ego-Maschine auf Eroberungsfeldzug

Vier Jahre zuvor lieferte der Südtiroler Pop-Pionier Giorgio Moroder mit "Reach Out" den Soundtrack für die Spiele von Los Angeles. Unter der ewigen kalifornischen Sonne glänzten Synthesizer und Sonnenöl-Körper. "Du hältst die Zukunft in deinen Händen, jeder Wunsch ist dir Befehl", heißt es da - bester amerikanischer Fortschrittsglaube. Moroder machte die Musik der Zukunft und im Silicon Valley erschufen sie die Zukunft der Welt. Und heute? Was sagt Katy Perry mit "Rise" über die Zeit, in der wir leben?

Da ist zunächst einmal dieses eine Wort. Mit ihm beginnt der Song - und gefühlt jeder zweite Satz: Ich. "Ich werde nicht einfach nur überleben." "Ich werde mich nicht einfach anpassen." "Ich werde nicht verhandeln." "Ich werde kämpfen." "Ich werde mich verwandeln." Und natürlich der Refrain: I will rise. Eine Ego-Maschine auf Eroberungsfeldzug. Dazu ein Pulsschlagbass und ganz hip und zeitgenössisch ein Ratatata-Trap-Beat für die dramatische Steigerung. Der Rest ist Massenware. "Rise" ist eine Selbstoptimierungshymne voller Floskeln, die auch in einer Trump-Rede nicht weiter auffallen würden. I will rise - and make America great again. Weshalb Katy Perrys Olympia-Song bei all dem dringlichen Pathos am Ende sehr stumpf bleibt.

Den offiziellen Rio-Song der ARD singt übrigens die berühmte brasilianische Sängerin Daniela Mercury. "Games of Passion" heißt er. Und dann gibt es noch den offiziellen Titelsong "Alma e Coração/Heart and Soul" vom brasilianischen DJ-Duo Tropkillaz. Leidenschaft, Herz und Seele - sie fehlen Katy Perry. Ist aber auch egal. Erst Penis, dann Olympia-Song, gut für die PR. Das neue Album kommt übrigens auch bald.

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