Olympia:Deutsche Dressur-Equipe: Anmut in jeder Faser

Equestrian - Dressage Team Grand Prix Day 2

Isabell Werth brilliert mit Weihegold, holt die sechste Goldmedaille ihrer Karriere und wird damit zur erfolgreichsten Olympiareiterin der Welt.

(Foto: Tony Gentile/Reuters)

Die deutsche Mannschaft holt souverän Gold - schon zum 13. Mal. Isabell Werth auf Weihegold tänzelt besonders elegant und geht in die Olympiageschichte ein.

Von Gabriele Pochhammer

Es war der Tag der Tage", sagte Isabell Werth. Die deutschen Dressurreiter haben am Freitag souverän olympisches Mannschaftsgold gewonnen - bereits zum 13. Mal. Die 37-jährige Werth ist seit gestern die erfolgreichste Olympiareiterin der Welt: Sechsmal Gold, dreimal Silber, damit hat sie sogar die Dressur-Legende Reiner Klimke eingeholt, den Olympiasieger von 1984, der zwar auch sechsmal Gold plus zweimal Bronze gewann, aber nicht wie Werth auch noch dreimal Silber. Mit 81,936 Prozent verwiesen die Deutschen die Briten auf Platz zwei (78,602), Bronze ging an die USA (76,667).

Werth auf Weihegold machte als letzte deutsche Reiterin nicht nur die Medaille fest, sondern legte mit einem Ritt voller Anmut und Leichtigkeit den Grundstein für einen möglichen Einzelsieg am Montag in der Kür. Da fangen zwar alle wieder bei Null an, aber die elfjährige Stute zeigte schon jetzt, dass sie tanzen kann. Nicht den kleinsten Fehler erlaubte sie sich, mit jeder Faser war sie bei ihrer Reiterin und bemüht, ihr Allerbestes zu geben. Werth mit ihrer ganzen Erfahrung ließ nicht einen einzigen Punkt durch Unachtsamkeit oder ungenaues Reiten liegen. "Es hat unheimlich Spaß gemacht unterwegs, da durfte auch mal ein kleines Lächeln sein," sagte sie nach ihrem Ritt.

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

Zum ersten Mal seit zwei Jahren wurde die Olympiasiegerin von 2012, die Britin Charlotte Dujardin auf Valegro, geschlagen. Der 14-jährige Braune leistete sich einen dicken Patzer, als er plötzlich aus dem Trab angaloppierte, durch seine gewohnten Stärken in den Piaffen und Passagen konnte Valegro den Fehler nicht ausgleichen. 83,025 reichte nur für Platz zwei. Für die Einzelwertung bleibt die Britin aber die Favoritin. "Heute hat Charlotte einen Fehler gemacht", sagte Werth, "das wird ihr am Sonntag nicht noch mal passieren. Wir wollen die Kirche im Dorf lassen."

Mit einem grandiosen Ritt setzte sich Dorothee Schneider mit dem noch nicht sehr erfahrenen Showtime auf Zwischenrang drei (82,619) und hat jetzt auch die Chance auf eine Einzelmedaille. Sie gehörte bereits in London zum Silber-Team, musste ihr Pferd Diva Royal aber sofort nach den Spielen abgeben. Damals flossen Tränen. Diesmal wieder, vor Freude. "Wenn man sieben Jahre mit einem Pferd zusammenarbeitet, und es kommt so etwas dabei raus, das ist schon sehr emotional", sagte sie über Showtime. Wie mit Siebenmeilenstiefeln durcheilte der mächtige Braune die Diagonalen, paradierte stolz in den Passagen, glitt geschmeidig in die Seitwärtsbewegung bei den Traversalen - ein Bild voller Kraft und Energie. 17 Mal zogen die Richter die Traumnote zehn, unter anderem für den eleganten Sitz der Reiterin.

Auch Kristina Bröring-Sprehe, mit 81,401 Punkten auf Rang vier, kann noch von einer Einzelmedaille träumen. Im Team-Finale wurde der 15-jährige Rapphengst zwischendurch ein wenig stark, machte aber keine Fehler und bot insgesamt ein Bild von leichtfüßiger Eleganz.

Cosmo - ein Pferd mit olympischer Zukunft

Sönke Rothenberger, 22, setzte als erster deutscher Reiter mit einem sehr guten, aber nicht medaillenverdächtigen Ritt seinen gelungenen Olympiaeinstand fort. "Jetzt hat alle Welt gesehen", sagte er, "dass Cosmo ein Weltklassepferd ist." Aber auch unbeherrscht manchmal. Bei der Siegerehrung trat Cosmo Pfleger Robert Sanderson so, dass der an der Stirn genäht werden musste. Cosmo ist mit seinen neun Jahren das jüngste Pferd des Feldes und hat noch eine olympische Zukunft vor sich. Mit 76,261 rangiert er auf Platz zehn, darf aber am Montag nicht mehr in der Kür um den Einzeltitel kämpfen; nur drei Reiter pro Nation sind zugelassen.

Die Niederländer, früher die stärksten Gegner der Deutschen, landeten auf dem vierten Platz. Sie traten nur noch mit drei Reitern an. Europameisterin Adeline Cornelissen musste im Grand Prix den Ritt beenden, weil der 19-jährige Parzifal schlapp machte. Er war krank nach einem Insektenstich, der eine fiebrige Infektion zur Folge hatte. Der Teamveterinär hatte ihn dennoch als "fit to compete" ins Rennen geschickt. Ihr Gefühl sagte Cornelissen etwas anderes. "Das hat er nicht verdient", sagte sie nach ihrer Kapitulation.

Im deutschen Haus in Rio wurde die 13. Dressur-Goldmedaille am Freitagabend gefeiert. Die erste gab's vor 88 Jahren. 1928 mit Freiherr Carl-Friedrich von Langen als Einzelsieger, dann ab 1964 in wechselnder Besetzung, mit bisher nur drei Ausnahmen. 1972, ausgerechnet vor eigenem Publikum, mussten die Deutschen die Russen vorbeiziehen lassen. 1980 boykottierte die BRD die Spiele in Moskau, und 2012 waren die Briten in London nicht zu schlagen. Bei allen anderen Spielen bedeutete die Olympianominierung quasi den Olympiasieg, vorausgesetzt, man fiel nicht vom Pferd. Inzwischen ist das Siegen für die deutsche Equipe nicht mehr so selbstverständlich. Und macht umso mehr Spaß.

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