Olympia:Bolt flucht: "Ich werde älter"

Deutlich gewinnt der Jamaikaner Olympia-Gold über 200 Meter. Doch seine Zeit ärgert ihn so sehr, dass er für ein paar Sekunden zu einem normalen Athleten wird.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Wäre das Sprinten ein Computerspiel, Usain Bolt hätte es jetzt fast durchgespielt. Als er am Donnerstagabend über 200 Meter aus dem Startblock sprang und 19,78 Sekunden später die Ziellinie kreuzte, hatte er seine achte Olympia-Goldmedaille gewonnen. Doch Usain Bolt grinste nicht. Nein, Usain Bolt fluchte.

Drei Mal über 200 Meter Olympiasieger zu werden, das hatte vor ihm noch niemand geschafft. Doch diese Zeit, diese 19,78 Sekunden, sie ärgerten ihn. Der 29-Jährige wollte doch Weltrekord laufen und der liegt nun mal bei 19,19 Sekunden, aufgestellt von ihm selber bei der WM 2009. "Es war schwer in der Kurve, danach haben sich meine Beine schwer angefühlt. Ich werde älter", sagte Bolt später, "ich versuche, es nicht aufs Wetter zu schieben. Ich bin nicht mehr 26 oder 21." Zweiter wurde André de Grasse aus Kanada (20,02 Sekunden), Bronze erlief Christophe Lemaitre aus Frankreich (20,12).

Sollte ihn nicht doch noch die Langeweile packen in den kommenden Jahren, war dieser Auftritt am Donnerstagabend wohl sein letzter Solo-Auftritt bei Olympischen Spielen, sein letzter über 200 Meter. Und wer ein ordentlicher Zocker ist, der das letzte Level noch schnell erreichen will, der braucht dann schon ein paar coole Moves. Darin kennt sich Bolt ja aus. Ohne Justin Gatlin, den ungeliebten Ex-Doper aus Amerika, der das Finale mit lädiertem Knöchel überraschend verpasst hatte, gab es dann auch nur ganz viel Jubel und keine schlechte Stimmung im Stadion. "Die Leute hier haben mir so viel Energie gegeben, so viel Liebe, das fühlt sich großartig an", sagte Bolt.

Als Bolt seine Zeit sieht, stößt er ein "Come ooon" aus

Er kam hineingelaufen und hob selbstbewusst die Arme, für wen hatte die Masse denn bitte sonst ihr Ticket gekauft? Am Startblock dann noch ein bisschen Sambagewackel, das hatte er ja bei seiner ersten Pressekonferenz in Rio ausführlich geübt. Und als Jamaikaner kennt er sich mit einer beweglichen Hüfte ohnehin aus.

Dass es mit dem Weltrekord sehr schwer werden würde, hatte er da wohl schon geahnt. Zehn Minuten bevor dieses Finale über die Bühne ging, kam der Regen und den lieben Sprinter so sehr wie Magenkrämpfe vorm Start. Unter nasskalten Bedingungen sind schnelle Läufe selten. Bolt führte leicht, als er aus der Kurve kam. Der Jamaikaner, der manchmal auf den letzten 50 Metern mit dem Spazieren anfängt, zog diesmal voll durch und setzte sich genügend ab, um als sicherer Sieger einzulaufen. Er kämpfte auf den letzten Metern und streckte den Kopf über die Ziellinie, wo dann mancher ins Grübeln kam: Ist das tatsächlich Usain Bolt?

So ernst war ihm das mit dem Weltrekord, doch als er seine Zeit auf der Anzeige sah, schlug er mit den Fäusten durch die Luft und stieß ein "Come ooon" aus. 19,78 Sekunden war er am Mittwoch schon im Halbfinale gelaufen, aber bei etwa fünf Grad mehr und auf einer aufgeheizten Bahn. Und die Zeiten der anderen Finalgegner zeigten ja auch: Mehr war in dem Lauf wohl tatsächlich nicht drin.

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Für etwa fünf Sekunden nach dem Zieleinlauf sah man einen normalen Athleten, dann kehrte der Schauspieler zurück. Bolt überwand sich für die Kamera zum Lächeln, kniete sich vor eine Kurve, küsste die Bahn. Er drehte die Stadionrunde mit der jamaikanischen Fahne übergeworfen, die Regie spielte "One Love" von Bob Marley ein, Bolt tanzte wieder und sang leise mit. Mehr Jamaika geht nun wirklich nicht. Dann hob er den Finger, zeigte ihn in die Kamera und sagte: "One more". Ein Rennen bei Olympia hat er ja noch - und auch eine Mission.

Die dritte Goldmedaille in Rio zu holen mit der 4x100-Meter-Staffel, das ist sein letztes Ziel, er hätte damit als erster Athlet dreimal hintereinander bei Olympia die Sprintrennen gewonnen. Sprint durchgespielt sozusagen. Über den verpassten Weltrekord spricht dann ohnehin niemand mehr.

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