Olympia:Mehr als Team Dahlmeier

Olympia: Das deutsche Biathlon-Team feiert die Silbermedaille von Simon Schempp 2018 in Pyeongchang.

So sieht Teamgeist aus: Das deutsche Biathlon-Team feiert Simon Schempp für dessen erste olympische Einzelmedaille.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • In jedem Biathlon-Rennen ist bislang mindestens ein Deutscher um die Medaillen mitgerannt.
  • Nicht nur wegen Dreifach-Medaillengewinnerin Laura Dahlmeier herrscht also im deutschen Lager gute Laune.
  • Am Dienstag steht die Mixed Staffel an - und es scheint, als käme die dem deutschen Biathlon gerade ganz gelegen.

Von Saskia Aleythe, Pyeongchang

Es ist ein liebliches "Hmmm", das sich bei Gerald Hönig verfestigt hat und immer dann zu vernehmen ist, wenn er auf die starken Leistung einer seiner Athletinnen angesprochen wird. Ein "Hmmm" der Zustimmung, hohe Tonlage, friedliches Gesicht, noch einen Moment Innehalten vor ausführlichen Analysen, der Bundestrainer der deutschen Frauen redet ausgiebig, wenn es sein muss. Mark Kirchner ist eher ein Freund knapperer Worte, doch als er am Montagmittag im deutschen Haus saß, schien ihm das Reden in der Öffentlichkeit fast Freude zu bereiten. Nach so einer Woche Olympia antwortete der Männer-Bundestrainer der Biathleten einmal fast zwei Minuten am Stück: Es war eine Würdigung seiner Athleten.

Der Eingangsbereich des deutschen Hauses war dann um 14 Uhr schon umdekoriert: Das Fotofinish von Simon Schempp hing dort auf Leinwand gedruckt, erst am Vorabend hatte der 29-Jährige Silber in einem spannenden Massenstart gewonnen, und das komplettierte die positive Bilanz bei den deutschen Männern. "Wenn man von Anfang an das Rennen mit der ganzen Mannschaft mitbestimmen kann, mit den Besten 30 unterwegs ist, das ist nicht alltäglich", sagte Kirchner zum Massenstart, "das macht wahnsinnig Spaß, sich das anzugucken."

In jedem Rennen war mindestens einer seiner Athleten um Medaillen mitgerannt, herausgekommen ist nach den Einzeldisziplinen: Gold für Arnd Peiffer, Silber für Schempp, Bronze für Doll, nur Lesser hatte eine Medaille um 0,4 Sekunden verpasst. Man konnte feststellen: Nicht nur wegen Dreifach-Medaillengewinnerin Laura Dahlmeier haben sie im deutschen Biathlon-Lager gute Laune.

Es hatte ja schon für ein bisschen Aufsehen gesorgt, was Erik Lesser ganz zu Beginn der Spiele gesagt hatte. Am ersten Tag wurde Dahlmeier Olympiasiegerin, am zweiten Tag Peiffer, mit seinem ersten Sieg in der aktuellen Saison. Und dann sagte Lesser eben: "Für uns ist es phänomenal, dass Team D nicht unbedingt nur für Team Dahlmeier steht."

Wer wollte, konnte darin eine Missgunst erkennen, es gab dann sogar ein Gespräch mit der 24-Jährigen, und Lesser präzisierte: Ihm sei es nur um die Außendarstellung gegangen, in der seiner Meinung nach zu viel Dahlmeier und zu wenig Rest-Deutschland vertreten wäre. Was man im Idealfall ja damit bekämpft, dass man selber durch Leistung überzeugt, und das kann man dem gesamten deutschen Biathlon-Team nun attestieren: Olympia ist für sie schon vor den abschließenden Staffelwettbewerben ein Erfolg, bei den Männern wie bei den Frauen.

Neben den zwei Goldmedaillen und einer bronzenen von Dahlmeier liefen Franziska Preuß, Vanessa Hinz und Denise Herrmann unter der Olympia-Woche auf Rang 4, 5 und 6, Franziska Hildebrand schaffte Platz neun als bestes Resultat, Maren Hammerschmidt wurde 17. im Einzel. Nicht nur wegen Dahlmeier hatte Hönig "Hmmm"- Momente, es sind ja immer auch die besonderen Geschichten, die bewegen.

Herrmann war in Sotschi noch als Langläuferin dabei gewesen, schulte vor zwei Jahren auf Biathlon um. Das jahrelange Schießtraining, das die Athletinnen in der Weltspitze hinter sich haben, kann sie gar nicht mehr aufholen, trotzdem blieben bei der 29-Jährigen in der Verfolgung mit vier Schießeinlagen nur zwei Scheiben stehen. Von Rang 21 im Sprint rutschte sie als Sechste über die Ziellinie, da brach Hönig dann die Stimme.

Tränen in den Augen

Auch bei Preuß hatte er Tränen in den Augen, als sie im Einzel Vierte wurde. Preuß und Dahlmeier, sie galten beide als riesige Talente bei der WM 2015, beiden glückte eine Silber-Medaille und Gold mit der Staffel. Doch immer wieder hatte Preuß dann mit Krankheiten zu kämpfen, musste die vergangene Saison sogar vorzeitig abbrechen. "Das war hier wie eine kleine Wiedergeburt", freute sich Hönig.

Hinter den großen Vieren klafft bei den Männern eine Lücke

Auch Mark Kirchner musste sich unter der Woche mal über die Augen wischen, mit dem Olympiasieg von Peiffer zeigte sich an, dass es glückte, zum Höhepunkt topfit zu sein. Unter der Saison war Lesser zwei Mal aufs Podium gekommen, Peiffer einmal, die anderen gar nicht. "Da gab es immer mal wieder kritische Stimmen", sagte Kirchner nun, "meine Sprüche kennt man dann ja auch: Ruhe bewahren." Er setzte auf die Routine, die sich Lesser, Peiffer, Doll und Schempp in den vergangenen Jahren angeeignet hatten, sie alle sind ja auch schon Weltmeister in Einzeldisziplinen geworden. "Dann weiß man, dass man was kann, dass man dabei ist, dass man sich nicht verstecken braucht", sagte Kirchner.

Anders als bei den Frauen klafft hinter den großen Vieren eine Lücke, Johannes Kühn wurde im Einzel 58., es ist aber auch seine erste Saison im Weltcup, genau wie bei Roman Rees, der wohl nicht mehr zum Einsatz kommen wird. Dass sich seine gesetzten Athleten weiterentwickelt hatten im Vergleich zu anderen Großevents, habe Kirchner dann gleich bei den ersten Einheiten in Südkorea gemerkt, der 47-Jährige dachte an "andere Weltmeisterschaften, wo man schon beim Anschießen gesehen hat, wie viel Aufregung da ist".

Die böigen Verhältnisse hatten sie besser in den Griff bekommen als andere Nationen, im Wachsteam war nur der Massenstart der Frauen ein bisschen schief gegangen - doch schon am Folgetag rutschte alles wieder optimal. Und vielleicht konnte man jetzt sogar von einem Olympia-Flow sprechen, Kirchner sagte ja: "Natürlich braucht man immer so ein bisschen den Türöffner, wenn du mit Laura und Arnd gleich Goldmedaillen am Anfang hast, wird vieles einfacher."

Die beiden Türöffner wird man an diesem Dienstag in der Mixed Staffel möglicherweise wieder erleben, zwei Männer, zwei Frauen. Dem deutschen Biathlon kommt der Wettbewerb gerade doch ganz gelegen.

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