Olympia:Dicke Gänsehaut

Olympia: Florian Fuchs nimmt sein entscheidendes Tor 1,6 Sekunden vor Schluss gelassen hin.

Florian Fuchs nimmt sein entscheidendes Tor 1,6 Sekunden vor Schluss gelassen hin.

(Foto: Dario Lopez-Mills/AP)

In 40 denkwürdigen Schluss-Sekunden drehen die deutschen Hockey-Männer das Viertelfinale gegen Neuseeland. Das entscheidende Tor fällt 1,7 Sekunden vor Ende - und der Bundestrainer bekommt es nicht mit.

Als noch zwölf Sekunden zu spielen waren, also nach neuer deutscher Hockey-Sommer-Zeit eine Ewigkeit, schnappte sich Tobias Hauke den Ball weit in der eigenen Hälfte. Im Fallen brachte er ihn gerade noch so zu Timur Oruz, der sechs schwarz gekleidete Männer aus Neuseeland vor sich sah. Und einen einsamen Florian Fuchs im weißen Trikot. Er passte, er fand Fuchs, der traf. 1,7 Sekunden vor der Schlusssirene. Tor. 3:2. Ende. Halbfinale. Ekstase auf der Tribüne und auf dem Kunstrasen.

Valentin Altenburg, der Bundestrainer der Hockey-Männer, hatte erst gar nicht mitbekommen, was passiert war. Der 35-Jährige löste perplex seinen Blick vom Taktikboard, schlug die Hände vor das Gesicht und drehte sich zu seiner Auswechselbank um. Doch da saß längst keiner mehr. "Das letzte Tor habe ich gar nicht gesehen, weil ich die Penalty-Schützen durchgegangen bin", sagte Altenburg nur Minuten später. Und fügte breit grinsend an: "Da hätte ich meinem Team etwas mehr vertrauen sollen."

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Doch seine Mannschaft musste es selbst erst einmal verdauen, was sie da gerade in einem K.o.-Spiel bei Olympia in den Kunstrasen gebrannt hatte. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Kapitän Moritz Fürste immer wieder und schüttelte ungläubig den Kopf. Er habe eine "dicke Gänsehaut", stammelte Angreifer Christopher Rühr. Und Tobias Hauke bekannte: "Wir haben vier Jahre trainiert, um hier weit zu kommen. Die Erleichterung ist riesig."

Fast das gesamte Spiel war gegen Deutschland gelaufen. Neuseeland hatte sich aufs Kontern verlegt und war mit seiner Taktik ziemlich gut gefahren. 0:1, 18. Minute, Hugo Inglis. 0:2, Shea McAleese, 49. Minute, alles noch viel schlimmer, der Traum vom dritten deutschen Olympiasieg in Serie nach 2008 und 2012 war fast ausgeträumt.

Als nur noch 6:20 Minuten zu spielen waren, griff Altenburg schon zur letzten Option, nahm Torhüter Nicolas Jacobi raus. Deutschland drängte, Rühr provozierte Strafecken. Fürste trat an - drin. Dann waren noch 4:33 Minuten zu spielen. Neuseeland kämpfte und rettete sich in die letzte Minute. Erneut Strafecke für Deutschland. Nur Fürste konnte jetzt schießen, der Leader. Olympia-Aus oder Medaillentraum? Tor für Deutschland. Das 2:2. 43,2 Sekunden vor dem Abpfiff. Riesenjubel. Dann lief der Spielfilm bis zur letzten Pointe weiter.

"Ich habe den Ball gar nicht gesehen", beschrieb Fuchs die Szene später: "Ich habe einfach nur den Schläger reingehalten und gespürt, dass der Ball dagegenschlägt. Danach war es ein unglaublicher Moment." Als die ersten turbulenten Jubelszenen zu Ende waren, scharte Fürste die Mannschaft um sich und schwor sie auf das Halbfinal-Duell gegen Argentinien am Dienstag (22 Uhr MESZ) ein: "Ich habe euch in der Halbzeit gesagt, dass das nicht unsere letzte Halbzeit hier ist. Jetzt möchte ich einfach, dass wir uns unsere Medaille holen."

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