RB Leipzig:Oliver Burke - das nächste schottische Naturereignis

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Ist überzeugt von seinen Stärken, kann aber auch freundlich gucken: Oliver Burke nach seinem Tor in Köln. (Foto: Wolfram Kastl/dpa)

Der Schotte ist ein besonderer Fußballer, ein dribbelnder Türsteher. Bei RB Leipzig gilt der 19-Jährige als Versprechen für die Zukunft.

Von Sebastian Fischer, Leipzig/München

Es gibt, grob gesagt, zwei Arten von Fußballern: Die großen und kräftigen, die keinen Zweikampf scheuen, Kopfballduelle gewinnen, an denen Gegenspieler abprallen wie die Römer an Obelix; und die kleinen, flinken, die Gegnern Knoten in die Beine dribbeln, Tricks beherrschen, den Ball streicheln wie ein Haustier. Manchmal, eher selten, haben Fußballer auch die Fähigkeiten beider Spezies.

Dass Oliver Burke ein paar scheinbar gegensätzliche Eigenschaften vereint, sieht man auf den ersten Blick. Burke, 19, Angreifer von RB Leipzig, hat den breiten Körperbau eines unüberwindbaren Türstehers, er ist 1,88 Meter groß. Weiß man dann auch noch, dass Burke ein furchtloser Schotte ist, könnte einem bei seinem Anblick unbehaglich zumute werden - würde Burke nicht das schüchterne Lachen eines Austauschschülers auf den Lippen tragen, und die Lockenfrisur eines friedlichen Harfenspielers auf dem Kopf.

"Entführung aus dem Serail - oder besser aus dem Sherwood Forest"

Wenn er dann anfängt, Fußball zu spielen, wächst das Unbehagen höchstens bei seinen Gegnern. Burke ist seit rund drei Wochen in Deutschland, da wurde er in Leipzig vorgestellt, der teuerste schottische Fußballer der Geschichte, der für mindestens 15 Millionen Euro nach Leipzig wechselte und dafür das Interesse mehrerer Großvereine, zu denen auch der FC Bayern gehörte, ignorierte. Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick feierte die Verpflichtung als "Entführung aus dem Serail - oder besser aus dem Sherwood Forest".

Burke, geboren in Kirkcaldy nahe Edinburgh und seit März schottischer Nationalspieler, kam nämlich vom englischen Zweitligisten Nottingham. Bei seinem ersten Kurzeinsatz gegen Dortmund bereitete er mit Kraft und Finesse das entscheidende 1:0 vor; bei seinem ersten Einsatz von Beginn an am Sonntag in Köln erzielte er das erste Tor eines Schotten in der Bundesliga seit Brian O'Neil für den VfL Wolfsburg 1999. Burke ist überhaupt erst der siebte Schotte der Bundesliga-Geschichte, aber sicherlich der, dem die glorreichste Zukunft prophezeit wird.

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Als der 19-Jährige aus Dänemark nach Dortmund empfohlen wurde, verglichen sie ihn mit Lionel Messi. Das ist weit hergeholt, aber auch nicht ganz falsch.

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Mark McGhee, als Spieler 1984 beim Hamburger SV der zweite Schotte in Deutschland (nach Vincent Mennie 1983 beim 1. FC Köln) und heute Assistenztrainer der Nationalmannschaft, sagte neulich der Daily Mail: "Wir müssen darauf achten, nicht zu viel von ihm zu erwarten." Außerdem sagte er noch, dass Burke die nächste schottische Fußball-Ikone werden könne; ihm habe der Atem gestockt und er habe seine Lippen geleckt, als er Burke spielen sah, "denn er ist so anders als die anderen Spieler". Zu McGhees Verteidigung ist zusagen, dass es wirklich nicht leicht ist, über Burke zu sprechen, ohne ein paar Widersprüche aufzuwerfen.

In Leipzig haben sie gerade noch kein Problem mit dem Widerspruch, dass Rangnick den Flügelstürmer einerseits als "Naturereignis" preist und stolz damit prahlt, Burke würde im Training mit Hanteln "jonglieren", die seine Kollegen kaum stemmen können - und Burke andererseits noch meist auf der Bank sitzt. Er muss den Leipziger Extrem-Pressing-Fußball noch lernen, gegen Köln rotierte Trainer Ralph Hasenhüttl den Schotten in der ersten Halbzeit in die Mitte, wo sein Spiel gegen den Ball nicht ganz so wichtig war wie auf seiner Position rechts außen. "

Seine Festplatte war leer, jetzt ist schon ein bisschen was drauf. Wir müssen schauen, dass da schnell noch etwas dazukommt", sagte Hasenhüttl dem kicker. Im Spiel mit dem Ball allerdings war Burke gegen Köln laut Statistik schon der effektivste Spieler seines Teams. Er steht für eine Leipziger Mannschaft, die noch viel zu lernen hat - aber auch jetzt schon genug kann, um nahezu jedem Gegner Probleme zu bereiten.

Burke selbst läuft gerade mit einem Dauerlächeln durch Deutschland, alles ist neu und "amazing", die Sprache, der Straßenverkehr, die Fans, die nach dem Spiel im Stadion weiterfeiern. Und der Druck? "Druck wirst du immer haben. Und wenn du damit nicht umgehen kannst, ist Fußball für dich das falsche Spiel", findet er. Für Oliver Burke, so viel kann man schon sagen, ohne ihn zu überlasten, ist Fußball das richtige Spiel.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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