Ole Einar Björndalen:Das Herz sagt nein

Biathlon-Weltcup Ruhpolding - Training

Ole Einar Björndalen: Mit 44 Jahren ist doch mal Schluss mit Leistungssport

(Foto: dpa)
  • Ole Einar Björndalen gibt seinen Rücktritt vom Biathlon bekannt, mit 44 Jahren.
  • Sein Ehrgeiz ist zwar grenzenlos und sein Perfektionismus fast schon lustig, aber Björndalen wurde bis auf wenige Ausnahmen von seinen Gegnern als Sieger aber auch als Mensch immer geschätzt.
  • Als Norweger wollte auch Björndalen wie alle Landsleute ein Held im norwegischen Nationalsport werden, dem Langlauf. Im Jugendalter wurde er aber nicht fürs Spitzenteam berücksichtigt.

Von Volker Kreisl

Damit das klar ist: Der Wille ist ungebrochen. Seine Freude am Sport, vor allem am Langlauf kombiniert mit Schießen, sei immer noch "unglaublich", erklärt Ole Einar Björndalen: "Ich hätte gerne noch einige Jahre weitergemacht." Aber dieser Wille und diese glühende Motivation sind nun mal gefangen in einem Körper aus Fleisch und Blut und im besonderen aus Herzgefäßen und Bandscheiben. Einem menschlichen Körper, und der hat nun doch Nein gesagt.

Björndalen rang mit seinen Tränen bei der Pressekonferenz in seinem Heimatort Simostranda in Südnorwegen. Nach 25 Jahren verkündete er das Ende seiner Biathlon-Karriere, die ihn zu fünf Olympischen Spielen brachte, zu Rekorden, hart erkämpfter Anerkennung im eigenen Land und in der Welt und schließlich in eine recht schmucklose kleine Turnhalle mit Sprossenwand und grauem Boden und einem Tisch, an dem er am Dienstag saß und sagte: "Dies ist meine letzte Saison."

Dabei ist er doch erst 44 Jahre alt.

Man könnte bei einem Getriebenen wie Björndalen tatsächlich auch in Ironie verfallen, wie es Zuschauer, Beobachter und auch jüngere Mitstreiter gegenüber Sporthelden jenseits des Zenites zuweilen tun. Deren Dauerpräsenz kann penetrant werden, und manche nehmen Jüngeren den Platz im Team weg, manche erkennen nicht, dass bloßes Rekordesammeln langweilig wirkt, manche haben vielleicht nur Angst, dass sie nichts anderes erwartet. Aber bei Björndalen ist das anders.

Wie alle Norweger wollte auch er ein Langlauf-Held werden

Sein Ehrgeiz ist zwar grenzenlos und sein Perfektionismus fast schon lustig, aber Björndalen wurde bis auf wenige Ausnahmen von seinen Gegnern als Sieger aber auch als Mensch immer geschätzt. Trotz seiner Alleingänge im Training war er ein fester Bestandteil des norwegischen Teams und der gesamten Biathlon-Szene. Das lag vielleicht auch daran, dass sein eigentlicher Gegner nicht in der Biathlon-Konkurrenz bestand, sondern in etwas ganz anderem.

Immer wieder hatte Björndalen seine Ausrüstung, seine Methoden und sein Verhalten im Wettkampf überprüft, sein Gewehr optimiert, neue Anzugstoffe getestet, einmal angeblich einen mit windschnittigen Spoilern an den Knöcheln, auch hatte er mal mit gebogenen Skistöcken experimentiert. Dennoch ist fraglich, wie man es schafft, 94 Weltcupsiege zu erringen, 20 WM-Titel und acht Mal Olympia-Gold zu gewinnen, eines davon eine Einzelmedaille als 40-Jähriger in Sotschi. Derart unersättlich ist einer vielleicht nur dann, wenn der Gegner unsichtbar ist.

Als Norweger wollte auch Björndalen wie alle Landsleute ein Held im norwegischen Nationalsport werden, dem Langlauf. Im Jugendalter wurde er aber nicht fürs Spitzenteam berücksichtigt, weshalb sich Björndalen das Gewehr seines Bruders Dag schnappte und Biathlet wurde. Dieser Sport ist in Norwegen zwar anerkannt, geliebt wird aber das Langlaufen. Die meisten Norweger betreiben diesen Sport selber, deshalb können sie wohl auch 50-km-Langläufer im Fernsehen hoch spannend finden, auch wenn es noch Stunden dauert, bis es im Rennen mal zu einer Entscheidung kommt. Um dieselbe Wertschätzung zu erhalten, muss ein Biathlet Besonderes leisten.

Die Umstellung aufs neue Leben dürfte ihm nicht schwerfallen

Björndalen hat also alles gewonnen, zu seinen drei größten Triumphen zählt er aber auch einen Weltcupsieg. 2006 war das, in Schweden, im Langlauf über 15 Kilometer Freistil. Nun hatte er also ein Dokument seines Könnens auch als klassischer Winter-Ausdauersportler. Auch hatte er sich 2002 schon in Salt Lake City schon ein Denkmal gesetzt, als er alle Olympia-Wettbewerbe im Biathlon gewann: Viermal Gold. Und der nächste große Sieg gegen den Langlaufsport erschien immer noch denkbar: Björndalen hatte das Zeug dazu, schon bald seinen Langlauf-Landsmann Björn Dählie als weltbesten Winterolympioniken abzulösen. Dählie hatte acht Gold- und vier Silbermedaillen gewonnen.

Doch es zog sich. In Turin machte ihm der Deutsche Michael Greis mit seinem Gold-Triple einen Strich durch die Rechnung. In Vancouver 2010 verschoss Björndalen seine Chancen selber, holte aber immerhin den Staffelsieg. Also arbeitete er auf 2014 in Sotschi hin, und alles lief auch nach Plan, wäre Björndalen, dieser Perfektionist und Asket, dieser Detailversessene, über den die norwegischen Reporterkollegen schmunzelten, weil er zwar durchaus mal einen Schluck Whiskey nehme, aber nur zum Gurgeln gegen Halsbakterien - wäre dieser Björndalen nicht doch einmal nachlässig geworden.

2011 war es, im Frühjahr, da hatte Björndalen Ablenkung gesucht - beim Holzhacken. Damals wohnte er noch in Südtirol, er unterschätzte das Gewicht eines großen Holzstückes, hob es auf - und war grob ein Dreivierteljahr außer Gefecht. Drei Bandscheiben waren lädiert, lange hatte Björndalen gesucht, bis er die richtigen Ärzte fand, dann begann er mit Spaziergängen, trainierte wieder, gewann wieder und überholte Dählie schließlich in Sotschi. Insgesamt hat Björndalen bei Olympia nun auch achtmal Gold, und auch viermal Silber. Aber zudem noch einmal Bronze.

Marit Björgen hat ihm schon einen Titel weggeschnappt

Er hat den Kampf gegen den Langlauf gewonnen und auch immer wieder den Kampf gegen sich selber, den gegen die Zeit hat er aber verloren. Vergangenes Jahr litt Björndalen unter Herzrhythmusstörungen, auch deshalb verpasste er Olympia in Pyeongchang, und muss sich nun einer neuen Lebensphase stellen. Das dürfte ihm nicht schwerfallen, er will nun Zeit mit seiner Familie verbringen, vielleicht auch in die Sportpolitik gehen.

Seine zahlenmäßigen Rekorde wird er nach und nach verlieren. Norwegens Langläuferin Marit Björgen hat ihm in Pyeongchang den Titel des Winterolympia-Besten schon wieder abgenommen. Und der Franzose Martin Fourcade ist noch jung genug, um die 94 Weltcupsiege mal zu überbieten. Aber das macht nichts, sein Rang im Sport bleibt Björndalen erhalten.

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